„Online-Enthemmungseffekt“ ist die Bezeichnung für den Effekt, dass durch die schützende Anonymität im Internet, fehlendes soziales Feedback und die praktizierte Textkommunikation, die Hemmschwelle sinkt andere zu beleidigen, hart zu kritisieren, zu verunglimpfen oder zu diffamieren.
Nutzer trauen sich in der Anonymität des Internets eher andere bloßstellen, herabzuwürdigen oder Lügen zu verbreiten, sowie zu gesetzlich verbotenen Handlungen aufzurufen oder strafbare/justiziable Äußerungen zu tätigen. Des Weiteren trauen sich Teilnehmer des Internets im Schutze der Anonymität Gedanken zu äußern, die moralisch fragwürdig, unmoralisch oder unanständig sind.
Die Enthemmung im Netz äußert sich unter anderem an Hassgruppen und -Foren, sowie in beleidigenden Kommentaren in sozialen Netzwerken und Online-Spielen. Der Enthemmungseffekt kann zu aggressivem Verhalten, Cyber-Mobbing und Cyber-Dating-Abuse führen.
Warum die Enthemmung Online schnell eintritt
Im Vergleich zum realen Leben ist im Internet auf vielen Portalen nur ein Spitzname nötig, um die Werke oder Erlebnisse anderer negativ und abwertend zu kommentieren – bishin zu persönlichen Beleidigungen und Drohungen. Das Internet ermöglicht nicht nur Anonymität, sondern erlaubt auch das Erstellen von Pseudonymen und verwenden von fingierten Charakteren.
Als Konsequenz auf Hass-Kommentare folgen lediglich Gegenkommentare und im schlimmsten Fall die Löschung des Accounts, sowie dass die zugehörige E-Mail-Adresse von einer weiteren Anmeldung abgehalten wird, in dem sie gebannt wird. Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur möglich, wenn identifzierende Merkmale (IP-Adresse, Name, Anschrift,…) herausgefunden werden können.
Die Kommunikation im Internet findet textbasiert statt. Textkommunikation ist befreit von Mimik, Gestik, Tonfall und anderen körperlichen Reaktionen. Dies begünstigt den Online-Enthemmungseffekt, denn Autoren, die Hass-Kommentare veröffentlichen, erleben die Reaktion ihres Opfers nicht oder erst verzögert. Damit entsteht Distanz zwischen dem Gesagten und der Reaktion darauf.
Die Täter können die Reaktion des Opfers – außer es reagiert durch einen Kommentar oder ein Video – nicht sehen.
Online-Enthemmungseffekt: Anonymität und Mangelnde Impulskontrolle
Durch eine mangelnde Impulskontrolle und eine fehlende soziale Kontrolle werden Menschen anfällig für den Online-Enthemmungseffekt. Ein Denken über das eigene Denken und Tun setzt nicht ein, so dass ein geschriebener Kommentar einfach veröffentlicht wird. Das andere Personen Feedback von Angesicht zu Angesicht Feedback geben, findet ebenfalls nicht statt. Eher tritt das Gegenteil ein. Jemand der eine unmoralische, moralisch fragwürdige oder verletzende Aussage tätigt, kann Bestätigung durch anonyme Dritte erhalten.
Der Online-Enthemmungseffekt kann zu Hasskommentaren und Cybermobbing führen. Die deutsche Bundesregierung hat darauf unter anderem durch das NetzDG reagiert. Anbieter von sozialen Medien sind angehalten als Hasskommentar gemeldete Beiträge innerhalb einer kurzen Zeit zu löschen, sonst drohen empfindliche Geldstrafen.
Der Online-Enthemmungseffekt kann zu verschiedenen Auswüchsen führen: Opfer können geswattet oder gedoxxt werden. (Swatting = Bei der Polizei einen falschen Notruf abgeben, in der Hoffnung, dass diese die Wohnung des Opfers stürmt; Doxing = Adresse einer Person gegen ihren Willen im Internet veröffentlichen.)
Eine Reaktion auf den Online-Enthemmungseffekt und seiner Folgen ist unter anderem das Projekt von Jan Böhmermann „Reconquista Internet„.
Online-Enthemmungseffekt zusammengefasst
Der Online-Enthemmungseffekt tritt durch einen Verlust der Selbstbeherrschung auf. Dieser Verlust der Selbstbeherrschung wird möglich durch die Anonymität des Internets, fehlende soziale Kontrolle und schwache Konsequenzen auf Hasskommentare.