Durch den Mord eines 15-jährigen Mädchens durch einen angeblich 15-jährigen Afghanen am 27. Dezember 2016 wurde die Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge deutschlandweit diskutiert.
Das Problem: Warum das Alter von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) festgestellt werden muss
Bei jungen Flüchtlingen, die ohne Papiere – also ohne Altersnachweis – nach Deutschland kommen und über sich selbst sagen, dass sie minderjährig sind, kann das Alter geklärt werden. Ob diese Klärung stattfindet, entscheiden die Jugendämter. Sie können das angegeben Alter anzweifeln oder bestätigen.
Die Entscheidung, ob die angekommene Person minderjährig ist oder nicht, entscheidet darüber, ob sie Zugang zu besser Unterbringung, Unterstützung, Wohnraum, Bildung, rechtlicher Vertretung und Gesundheitsvorsorgung erhält. Ist eine Person volljährig, so erhält sie die oben genannte Betreuung nicht.
Es wird angenommen, dass einige in Deutschland angekommene Flüchtlinge über 18 Jahre alt sind, sich aber als jünger ausgeben, um an die Vorteile zu gelangen.
Die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kommen aus Afghanistan.
Welche rechtlichen Regelungen gibt es?
Minderjährige Flüchtlinge werden nicht nach dem Asylrecht, sondern nach dem Jugendhilfegesetz behandelt. Ihre Minderjährigkeit schützt sie vor der Abschiebung und gewährt ihnen strafrechtliche Milde. (Sie dürfen nur in ihr Herkunftsland zurückgebracht werden, wenn dort Familienmitglieder warten oder eine geeignete Unterbringung die die Aufnahme zugesichert hat.)
Minderjährige Flüchtlinge sind vom Dublin-Verfahren ausgeschlossen. Sie müssen sich nicht in dem europäischen Land aufhalten, in dem sie ihren Asylantrag gestellt haben.
Es liegt in der Verantwortung der rund 600 Jugendämter das Alter der vermeintlichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Zweifel festzustellen. Dies ist im §42f SGB VIII geregelt.
Sollten Ausweisdokumente fehlen, so sollen die Jugendämter durch eine qualifizierte „Inaugenscheinnahme“ das Alter einschätzen. In Zweifelsfällen wird eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung durchgeführt.
Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben zur Zeit in Deutschland?
Seit 2015 sind laut BAMF 66.301 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Im November 2017 lebten 55.600 umF unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland.
Welche Methoden werden zur Altersfeststellung verwendet?
Bei fehlenden Dokumenten (Ausweis, Pass, Urkunde, schriftliche Nachweise) und Zweifel am angegebenen Alter wird die äußere Erscheinung begutachtet und im Gespräch soll das Alter des Flüchtlings ermittelt werden. Die Gespräche erfolgen laut BAMF nicht nach wissenschaftlichen Standards oder Vorgaben.
Wenn Zweifel am Alter des Flüchtlings bestehen, so hat das Jugendamt zusätzliche ärztliche Untersuchungen anzuordnen. Diese Untersuchungen beinhalten:
- Röntgen der Handknochen (Feststellung Knochenalter, Länge der Handknochen, Handwurzelknochen)
- Röntgen des Schlüsselbeins bzw. der Brustbein-Schlüsselbeingelenke
- Röngten der Zähne (Feststellung Zahnreife / Zahnalter, Größe der Weisheitszähne)
- Beurteilung der körperlichen Reife (z.B. Bartwuchs)
Eine Untersuchung der Sexualorgane ist verboten.
Sollten betroffene Flüchtling die Behandlungen ablehnen, so kann das Jugendamt die Inobhutnahme verweigern.
Sollte die medizinische Untersuchung keine Klarheit bringen, so wird im Zweifel für den Flüchtling entschieden und dieser/diese als minderjährig eingeordnet.
Wie zuverlässig sind die Methoden?
Das Alter durch eine medizinische Untersuchung zu diagnostizieren, ergibt einen Näherungswert, der dem wahren Alter entsprechen kann. Der zweifelsfreie Nachweis der Minderjährigkeit ist schwer – der Nachweis der Volljährigkeit hingegen soll leichter fallen.
Unter anderem kritisieren Ärzte, dass das Knochenalter eines Flüchtlings um bis zu drei Jahre abweichen kann. Ebenso wachsen Weisheitszähne zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr. (Nach Angaben des Ärztevereins ippnw)
Das BAMF sagt über die Methoden des Gesprächs und der Inaugenscheinahme: „Der Fehlerspielraum ist nicht unbeträchtlich.“
Die Röntgenuntersuchungen sind laut BAMF zuverlässiger, erfordern aber den Einsatz ionisierender Strahlung.
Wie wird in anderen Länder das Alter festgestellt?
In Frankreich wird auch erst über Gespräche versucht das Alter eines Flüchtlings zu ermitteln. Sollte dies keinen Erfolg haben, so wird die Größe und Länge der Zähne und Knochen durch eine Röntgenuntersuchung geprüft. Im Zweifel wird für den Flüchtling entschieden.
In Schweden werden nach Selbstangabe minderjährige Flüchtlinge durch eine Röntgenuntersuchung der Weisheitszähne und eine MRT-Untersuchung der Kniegelenke überprüft.