Was ist der Matthäus-Effekt? Erklärung, Bedeutung, Definition

Was ist der Matthäus-Effekt, Erklärung, Bedeutung, Definition


Der Matthäus-Effekt ist ein Begriff, der aus dem Bereich der Soziologie beziehungsweise Psychologie stammt. Laut des Matthäus-Effekts sind aktuelle Erfolge das Ergebnis von Vorteilen in der Vergangenheit und werden weniger als gemeinhin angenommen dadurch erreicht, dass jemand eine gute Leistung erbringt. Das bedeutet also, dass die Vergangenheit und Vorteile, die mehr oder weniger unverschuldet entstanden sind, einen größeren Einfluss auf den Erfolg einer Person oder eines Unternehmens haben, als harte Arbeit.

Begründet wird der Matthäus-Effekt unter anderem dadurch, dass schon kleine Erfolge – häufig bedingt durch zufällige oder nicht selbst herbeigeführte Vorteile, eine größere Aufmerksamkeit auf die Person oder das Unternehmen lenken und so dazu führen, dass weitere und größere Erfolge wahrscheinlicher werden. Das Ergebnis ist, dass die Menge an Erfolgen bei einer geringen Anzahl von Personen deutlich höher ist, als bei dem Großteil der Menschen.

Woher kommt der Begriff „Matthäus-Effekt“?

Der Begriff „Matthäus-Effekt“ bezieht sich auf das Gleichnis von den anvertrauten Talenten im Matthäusevangelium (Mt 25,29 LUT). Dort heißt es:

„Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“

Auch wenn der ursprüngliche Sinn des Gleichnisses aus dem Matthäusevangelium eigentlich nichts damit zu tun hat, was in der Bibelpassage erzählt wird, wird das soziologische Phänomen dennoch oft daraus abgeleitet.

Wie wurde der Matthäus-Effekt entdeckt?

Als der amerikanische Soziologe Robert K. Merton das Phänomen zuerst bemerkte und definierte, bezog er sich hauptsächlich auf die Häufigkeit von Zitaten anderer Autorinnen und Autoren in wissenschaftlichen Publikationen. Der Soziologe stellt fest, dass bekannte Autorinnen und Autoren häufiger zitiert werden als unbekannte Autorinnen und Autoren und dadurch noch bekannter werden.

Trotz der Richtigkeit des Matthäus-Effekts haben Zitationsanalysen gezeigt, dass der Anstieg von Zitierungen einer Veröffentlichung nach einem Erfolg nur von kurzer Dauer ist. Dies kann zum Beispiel so erklärt werden, dass Informationen, die bereits allgemein bekannt sind, nicht mehr zitiert werden (müssen), sondern es ausreicht, nur noch den Namen des Autors oder der Autorin beziehungsweise einfach als bloße Tatsache in einem Text erscheinen.

In einigen Fällen kommt es auch zu einem Matthäus-Effekt, wenn sich mehrere Autorinnen oder Autoren gegenseitig als eine Art der Gefälligkeit zitieren. Man nennt dies ein Zitierkartell.

Gibt es andere relevante Felder, in denen der Matthäus-Effekt auftritt?

Auch im schulischen Umfeld kann der Matthäus-Effekt eine große Rolle spielen. So besagt das Prinzip des Matthäus-Effekts zum Beispiel in der Lern-Lehr-Forschung, dass Vorwissen einen wesentlichen, entscheidenden Faktor in Bezug auf vorhergesagten Lernerfolg darstellt. Das heißt, je mehr Vorwissen ein Schüler oder eine Schülerin hat, desto besser können neue Informationen aufgenommen, verarbeitet und angewandt werden.
Daraus folgt, dass Schüler und Schülerinnen mit mehr Vorwissen stärker von neuen Lerninhalten profitieren und diese schneller und besser verstehen und anwenden können. Über längere Zeit wird so die Lücke zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Lernenden immer größer. Zusätzlich führt das dazu, dass in vielen Fällen Kindern aus sozial besser gestellten Familien diejenigen sind, die aufgrund von mehr Förderungsmöglichkeiten oder besserer Betreuungsqualität vor Schuleintritt ein höheres Vorwissen mitbringen, was die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten immer weiter verstärkt.

Auch im Bereich der Wirtschaft findet der Matthäus-Effekt Anwendung. So ziehen zum Beispiel Unternehmen, die bereits erfolgreich sind, oft weitere Ressourcen und Investitionen an, was zu einem stärkeren Wachstum und einer weiteren Verstärkung ihrer Marktposition führt. Dies fördert die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Marktmacht, wodurch kleinere Unternehmen und Neugründungen benachteiligt werden.

Des Weiteren wirkt sich der Matthäus-Effekt auch auf das soziale Umfeld aus, da er soziale Mobilität einschränkt. Er führt dazu, dass Menschen mit höherem sozialen Status oder besserer Bildung oft besseren Zugang zu mehr Ressourcen und Netzwerken haben, was ihnen einen Vorteil gegenüber Menschen mit niedrigerem sozialen Status oder geringerer Bildung verschafft. Dies kann dazu führen, dass die soziale Schere immer stärker auseinander geht und die Chancen für Aufstieg und sozialen Wandel immer geringer werden.

Was kann man tun, um den Matthäus-Effekt zu mindern?

Je nach Umfeld und Situation gibt es verschiedene Maßnahmen, mit denen der Matthäus-Effekt gemindert und Chancengleichheit gefördert werden kann.

Im schulischen Umfeld gehören frühkindliche Bildung und Förderung sowie die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern dazu. Indem allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, frühzeitig Bildungsangebote und Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, können Unterschiede im Vorwissen verringert werden. Gleichzeitig sollten Lehrerinnen und Lehrer darauf achten, die unterschiedlichen Lernbedürfnisse und Voraussetzungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu erkennen und auszugleichen, um so das individuelle Potenzial aller ausreichend zu fördern.

Im Wirtschaftsumfeld hilft eine bewusstere Netzwerkbildung dabei, den Matthäus-Effekt zu mindern. Dabei sollten Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Bildungshintergründen regelmäßig die Gelegenheit erhalten, sich zu vernetzen und so möglicherweise voneinander zu profitieren.

Des Weiteren ist es sinnvoll, Ressourcen gezielt so umzuverteilen, dass benachteiligte Gruppen oder Individuen unterstützt werden können.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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