Viele, die sich mit der Norddeutschen Sprache nicht auskennen, können mit dem Begriff „Schnutenpulli“ erst einmal nicht viel anfangen. Viel komplizierter wird es jedoch, wenn der Norddeutsche im korrekten Platt „Snutenpulli“ sagt. In diesem Fall tauchen oftmals Fragezeichen auf den Gesichtern auf, dabei ist die Lösung im Grunde recht einfach. Der „Schnutenpulli“ ist nichts anderes als ein Synonym für die in Corona-Zeiten omnipräsente, also allgegenwärtige Gesichtsmaske, die im Fachjargon auch gern als Mund-Nase-Bedeckung bezeichnet wird.
Was bedeutet Schnutenpulli? Plattdeutsches Wort, Bedeutung, Definition, Erklärung
Die Schnute bezeichnet dabei umgangssprachlich den Mund. Gerade bei Kindern und wenn es niedlich aussieht, wird dieser Begriff verwendet. „Ich wich dir mal die Schnute ab“, sagt die Mama vielleicht mal zu ihrem Nachwuchs, aber auch die Phrase „eine Schnute ziehen“ ist Menschen über Norddeutschland hinaus bekannt. Damit wird normalerweise ausgedrückt, dass man beleidigt, verdrossen oder enttäuscht ist, sicherlich ein Gefühl, dass jeder Masken- oder Schnutenpulliträger in der Corona-Zeit schon erlebt hat.
Der Pulli ist eine umgangssprachliche Verniedlichungsform von Pullover. Er wird heute vor allem als etwas hippere Abkürzung verwendet, früher wurde damit auch ein dünner Pullover oder ein Shirt bezeichnet. Der Pullover ist wiederum eine Adaption aus dem Englischen und hat, wie der Name bereits andeutet, den ursprünglichen deutschen Begriff „Überzieher“ ersetzt. Der „Schnutenpulli“ ist somit ein Kleidungsstück, das man sich üblicherweise über seinen niedlichen Mund zieht.
Der „Schnutenpulli“ hat die Nase vorn – Das „Plattdeutsche Wort des Jahres 2020“
Mit Ausbreitung der Corona-Pandemie waren auch die Menschen in Norddeutschland irgendwann gezwungen, sich beim Betreten von Geschäften oder in anderen Situtationen Mund und Nase zu bedecken. Die offiziellen Bezeichnungen für die nun notwendige Maske besaßen von Anfang an keinen großen Reiz, so dass sich der Plattdütsche entschied, von nun an einen „Snutenpulli“ zu tragen. Der Begriff verbreitete sich so rasend schnell, dass es im Juli 2020 zum „Plattdeutschen Wort des Jahres“ erklärt wurde.
Die Entscheidung trafen das Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen und der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern, die bereits seit 1995 die schönsten Wortschöpfungen aus dem plattdeutschen Raum küren. Sie verfolgen dabei das Ziel, die niederdeutsche Sprache auch über die Region hinaus ins Gespräch zu bringen und zu Diskussionen über ihre Geschichte und Verwendung anzuregen.
Der „Schnutenpulli“ ist zwar das bekannteste und beliebteste Wort 2020, in der Kategorie „Schönstes Wort“ ist aber der Ausdruck „Ballerdutje“ ganz vorn. Das Wort ist insbesondere in Ostfriesland populär und bezeichnet dort umgagssprachlich einen dicken, schmatzenden Kuss. Vielleicht ist das ebenfalls ein Hinweis auf die schwierigen Corona-Zeiten, in denen das ungenierte Knutschen in der Öffentlichkeit kaum mehr möglich ist. „Ut´n Schwientroch ward kein Violin“ ist schließlich die beliebteste Redensart des Nordens im Jahr 2020. Das aus einem klobigen Futterbottich kein zartes Instrument werden kann, zeugt von der Weisheit der plattdeutschen Sprache.
Am „Schnutenpulli“ scheiden sich die Geister – Kritik und Regionalstolz
Mit der Auswahl des „Schnutenpulli“ zum Plattdeutschen Wort des Jahres ist allerdings längst nicht jeder zufrieden. Kritiker weisen beispielsweise darauf hin, dass in der Vergangenheit unzählige neue Wortschöpfungen entstanden sind, die durch hohe Kreativität überzeugten, sich aber dennoch nicht lange im allgemeinen Sprachgebrauch halten konnten. Begriffe wie „Lämmerhüppen“ (Diskothek) oder „Ackerschnacker“ (Mobiltelefon), die einst ebenfalls von der Jury aus Stavenhagen präsentiert wurden, sind heute in der norddeutschen Bevölkerung schon fast nicht mehr präsent. Einige warnten angesichts dieser Tendenz davor, dass der regionale Dialekt beschädigt werden könnte, wenn er außerhalb des plattdeutschen Sprachgebietes nur noch durch scherzhafte Ausdrücke wahrgenommen wird.
Die Befürworter sehen in den immer neuen Wortkreationen hingegen einen Beweis für die Vitalität der plattdeutschen Sprache. Es macht den Unterstützern auch überhaupt nichts aus, dass der „Schnutenpulli“ ein wenig das zotig-gemütliche des Norddeutschen widerspiegelt. Die Auswahl zum Wort des Jahres sehen sie sogar als beinahe unvermeidbar an, da der „Schnutenpulli“ mit rasender Geschwindigkeit in den norddeutschen Sprachschatz übergegangen ist und es keine Hinweise gibt, dass der Begriff schnell in Vergessenheit geraten wird. Immerhin kann man mittlerweile sogar Gesichtsmasken kaufen, auf denen voller Stolz und mit ein bisschen Selbstironie „Schnutenpulli“ zu lesen ist. Die schönsten Exemplare sind zusätzlich mit einem Anker, Boot oder Leuchtturm versehen, oft kann man auch „Moin“ und andere typisch norddeutsche Ausdrücke darauf lesen.
Der „Schnutenpulli“ in anderen Dialekten und Variationen
Plattdeutsch ist natürlich nicht der einzige Dialekt, der in Zeiten von Corona interessante, ironische und manchmal despektierliche Wortschöpfungen hervorgebracht hat. In Hessen sagt man beispielsweise Babbellappe, in Bayern Goschnhalder und im Ländle ist das Mauldäschle weit verbreitet. Im Rheinland sagen manche Schnüssjardine, in Sachsen Guschndeggel und im Thüringischen soll schon der Ausdruck Fratzenschlüpper gefallen sein.
Mehr Synonyme für die Maske bzw. den Mund-Nasen-Schutz findest du hier.
Die Auswahl an Begriffen, die eine Bedeckung des Mundes und somit der Schnute in den Vordergrund stellen, ließe sich beliebig fortsetzen, manchmal werden aber auch andere Zusammenhänge thematisiert. Die Ausdrücke Seuchensegel oder Virenbinde weisen dabei auf Covid-19 als den Verursacher der Maskenpflicht hin, mit den Wortschöpfungen Merkelburka oder Söderlabbn soll offenbar suggeriert werden, welche Personen die Verantwortung für die beschlossenen Maßnahmen tragen.
Einige Wortkreationen haben sich gleichwohl auch als Stolpersteine erwiesen. So sahen sich Anbieter, die ihre Mund-Nase-Bedeckung forsch als Atemschutzmaske anpriesen, schnell mit Abmahnungen und Strafzahlungen konfrontiert. Was eventuell lustig gemeint war, führte aufgrund von Unwissenheit schnell zu finanziellen Einbußen, da ein Schnutenpulli eben keinesfalls die Eigenschaften einer Atemschutzmaske besitzen muss und somit schnell der Tatbestand der Täuschung vorliegt. Im Grunde ist es allerdings auch viel schöner, einen „Schnutenpulli“ anstelle einer Atemschutzmaske zu tragen.