Der Ausdruck „Menschen mit Nazihintergrund“ wurde von Moshtari Hilal (*1993) und Sinthujan Varatharajah(*1985) in einem Instagram-Video-Dialog am 15. Februar 2021 geprägt. Der Titel des Gesprächs war „Kapital und Rassismus bei Menschen mit Nazihintergrund“.
In ihrem Instagram-Video-Dialog sprachen Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah über den Umgang der deutschen Unternehmerin Emilia von Senger mit der Vergangenheit ihrer Familie. Diese Vergangenheit bezeichneteten die Gesprächsteilnehmer als „Nazierbe“. Dabei lobten Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah, dass Emilia von Senger sich für Transparenz und dem „verantwortungsbewussten Umgang mit dem eigenen Nazierbe“ aussprach. Sie kritisierten, dass „Menschen mit Nazihintergrund“ nicht von sich aus über ihren „Nazihintergrund“ sprechen und in der öffentlichen Diskussionen jene, die Kritik äußern potentielle ökonomische Konsequenzen befürchten müssen.
Siehe: Link zum Instagram-Beitag: hier
Was bedeutet „Mensch(en) mit Nazihintergrund“? Bedeutung, Definition, Erklärung
Von seinem Begriff her bedeutet der Ausdruck „Mensch(en) mit Nazihintergrund“, dass jemand Vorfahren in der Familie hatte, die im Dritten Reich NS-Täter bzw. NS-Täterinnen waren oder vom Nationalsozialismus (monetär stark) profitierten.
Im Gespräch von Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah ging es nicht nur darum, ob jemand in der Familie NS-Täter hatte, sondern es ging auch um Herkunft von Vermögen, dass sich bis in das Dritte Reich zurück verfolgen lässt. Es ging um reiche Erben.
Ob der Ausdruck „Mensch mit Nazihintergrund“ als Gegenausdruck zum Wort „Mensch mit Migrationshintergrund“ verstanden werden kann, ist fragwürdig. Das Gegenteil von Migration ist z.B. „Sesshaftigkeit“. Damit würde es „Mensch mit Sesshaftigkeitshintergrund“ heißen können – eine ungelenke Formulierung.
Reaktionen auf „Menschen mit Nazihintergrund“
Die Zeit-Autorin Jule Hoffmann äußerte sich in ihrem Beitrag „Deutsch und damit nicht normal“, dass die Selbstbezeichnung „Menschen mit Nazihintergrund“ bei der Aufarbeitung helfen würde. Jule Hoffmann äußerte sich weiter, dass die Selbstbezeichnung als Label „wunderbar“ funktionieren würde, um den Aspekt des Deutschseins (Thema: Nationalsozialismus) sichtbar und spürbar zu machen.
Siehe auch:
„Menschen mit Nazihintergrund“: Worum es geht
Hinter der Bezeichnung „Menschen mit Nazihintergrund“ steckt die Grundfrage, wie Deutsche mit ihrer Familiengeschichte im Dritten Reich umgehen sollen. Soll die Geschichte aufgearbeitet und anerkannt werden oder soll (weiter) geschwiegen werden?
Der Ausdruck „Menschen mit Nazihintergrund“ kann aber auch wie ein Totschlagargument wirken und so jedes Gespräch unterbinden. Denn als Nazi bezeichnet zu werden, führt zu moralischen Entwertung. (Siehe: Nazi-Vergleich)
Der Ausdruck „Menschen mit Nazihintergrund“ ist eine eindimensionale und reduzierende Kategorie. Sie sorgt dafür, dass Deutschsein mit Nazisein gleichgesetzt wird.
Weiterhin muss gefragt werden, wie weit der Nazihintergrund als Erbsünde fungiert. Die meisten NS-Täter sind längst gestorben, viele ihre Nachkommen auch. Jetzt lebt eine Generation, die das Dritte Reich nur aus Erzählungen kennt. Viele setzen sich dafür ein, dass das Dritte Reich oder seine Werte nicht wiederauferstehen oder belebt werden. Reicht das?
Der Begriff „Menschen mit Nazihintergrund“ sorgt für eine emotionale Reaktion. Das führt dazu, dass das Thema Nationasozialismus und Drittes Reich nicht vergessen wird. Was aus dem Thema gemacht wird, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Denn wie Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah richtig feststellten, wollen die meisten über ihre Familiengeschichte im Dritten Reich nicht reden oder diese erforschen.
Derjenige, der mir ins Gesicht sagt, ich hätte einen Nazihintergrund, kriegt von mir eine Schelle verpasst. Versprochen!