Ein Anti-Kompliment ist ein vergiftetes Kompliment, das im Lob einen negativen Bezug einpackt. Solche Komplimente kennen wir alle, sie sind nur nicht immer als das zu deuten, was sie sind: in Wahrheit ein Anti-Kompliment. Am ehesten lässt sich das Phänomen anhand von Beispielen beschreiben.
Was sind Anti-Komplimente? Bedeutung, Definition, Erklärung
„Du hast aber abgenommen!“ – Ja, schön. Ich wollte eigentlich auch abnehmen. Doch das vermeintliche Kompliment impliziert ja, dass man mir vorher mein Übergewicht sehr deutlich angesehen hat. Nur aus Rücksicht hat mich niemand darauf hingewiesen. Jetzt aber, wo ich endlich (ein wenig?) abgenommen habe, schmiert man mir das meterdick aufs Brot. Das bedeutet eigentlich: Ich sah vorher richtig fett, richtig schlecht aus. Vielleicht habe ich auch gar nicht so sehr abgenommen. Dass mich mein Gegenüber nun auf die ersten kleinen Erfolge meiner Diät hinweist, beweist nur, wie nötig meine Abnehmversuche waren und wohl nach wie vor sind. Ein wahres Anti-Kompliment!
Dein graues Haar steht dir gut! – Auweia. Ich dachte, niemand achtet auf meine grauen Haare. Diese Thema ist eine echt haarige Sache. Betroffen sind zwar überwiegend Männer, denn wer einer Frau so etwas sagt, verhält sich regelrecht bösartig. Schließlich wollen wir alle nicht darauf angesprochen werden, dass man uns unser Alter ansieht. Doch bei Männern schwebt bei diesem Anti-Kompliment der Mythos der Altersweisheit mit: Der Mann mit dem graumelierten Haar wirkt erfahren und seriös.
Allerdings will auch er nicht darauf angesprochen werden. Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder, der sich (wahrscheinlich) die Haare färbte, drohte der Boulevardpresse mit Klage, als sie darüber spekulierte. Das beweist, wie sehr auch Männer mit dem Ergrauen ihrer Haare hadern. Dabei hätte ihm im höchsten Staatsamt dieses Zeichen seiner Lebenserfahrung doch wirklich gut gestanden. Doch wir alle fürchten die mit diesem Anti-Kompliment verbundene Message: „Huch, du bist aber alt geworden.“
Anti-Komplimente: Beispiele
Wow, auf dem Bild bist du aber top gestylt! Ich hätte dich kaum wiedererkannt. – Das ist ganz dünnes Eis! Es lässt sich nämlich übersetzen mit: Ansonsten läufst du herum wie der letzte Pudel. Bevor wir jemandem dieses Anti-Kompliment machen, sollten wir uns auf die Zunge beißen, kurz innehalten und dann formulieren: Auf diesem Bild siehst du einfach toll aus!
Du hast doch etwas Lebenserfahrung … – Ja, natürlich, denn ich bin ja auch alt wie die Schildkröte. Schon fast 100 oder älter. Diese Anti-Kompliment geht von jungen Kolleginnen oder Freundinnen (Hobbyverein etc.) an Männer um die 50+, die sich dadurch auf den berüchigten Schlips getreten fühlen. Sehr unangenehm wird es, wenn ihn die junge Freundin anschließend etwas sehr Privates fragt (zum Beispiel zu ihrer gegenwärtigen Beziehungskrise). Der Hintergrund: Zwischen den beiden hat es vorher latent und generationenübergreifend gefunkt. Wenn sie in einem Alter wären, hätten sie es mal miteinander versucht (dachte zumindest der Mann). Doch der Altersunterschied ist vielleicht doch zu groß (entschied anschließend die junge Frau für sich). Indem sie ihn nun mit diesem Anti-Kompliment anspricht, klärt sie gleich mal dezent die Fronten, denn der Subkontext lautet: Ich finde, dass du zu einer anderen Generation und nicht zu mir gehörst. Du könntest rein altersmäßig mein Vater sein. Ich frage dich um Rat, doch ich würde dich nie zum Partner wählen. Uff! Das sitzt.
Ich finde es toll, wie selbstbewusst du trotz allem bist! – Was soll denn das? Why the hell bin ich „trotz allem“ selbstbewusst? Obwohl ich schlecht aussehe, nichts kann, wenig verdiene und unbeliebt bin? Es ist in der Tat das Wörtchen „trotz“, das aus der an sich harmlosen Bemerkung ein wirklich dickes Anti-Kompliment macht, mit dem sich die angesprochene Person automatisch abgewertet fühlt. Durch dieses kleine Wort erhält sie die subtile Botschaft, dass man es total verstehen würde, wenn sie sich minderwertig fühlte. Wiederum verstehen wir, wie Anti-Komplimente funktionieren. Es kommt wirklich auf die Feinheiten an. Natürlich fragt es sich, ob Menschen, die mit solchen Anti-Komplimenten um sich werfen, einfach nur taktlos oder hinter der lächelnden Maske sehr boshaft sind. Zu vermuten wäre, dass es beide Varianten gibt. Wenn das Gegenüber, von dem die Anti-Komplimente kommen, ansonsten ein kluger und sozial kompetenter Mensch ist, darf man Boshaftigkeit vermuten.
Tolles Kleid – kaschiert so richtig schön … – Dieses Anti-Kompliment machen vermeintliche Freundinnen einer Frau, die sich häufiger mal über zu viele unvorteilhafte Rundungen ärgert. Na, schönen Dank auch! Es wirkt wie ein Stich ins Herz, weil es das begehrte Lob zum wirklich tollen Kleid mit der vernichtenden Aussage verknüpft, wie wichtig das Kaschieren für die eigene Figur ist. Diese Ambivalenz ist schwer erträglich.
Weitere Anti-Komplimente: Beispiele + Erklärungen
Du hast aber ein hübsches Gesicht! – Tja, was sagen wir nur zu diesem vermeintlichen Kompliment. Hierbei kommt es natürlich auf die Konstellation an: Wer macht wem dieses Kompliment?
- Der Mann, der dies seiner Freundin erzählt, ist ehrlich verliebt. Das ist völlig ok.
- Der Mann, der dies einer Kollegin erzählt, baggert sie an. Das ist gewagt.
- Die Freundin, die dies zu einer Frau sagt, könnte es als fiesen Seitenhieb meinen, denn meistens erhalten dieses Anti-Kompliment kräftige oder sonst von der Natur nicht besonders gesegnete Frauen, an denen wohl der einzige Vorteil das hübsche Gesicht ist. Man könnte auch übersetzen: Na, wenigstens im Gesicht bist du hübsch. Ein echtes Anti-Kompliment!
Du bist echt fotogen!
Dieses Anti-Kompliment ist sogar relativ häufig zu hören und wird wahrscheinlich unbedacht verteilt. Wenn jemand fotogen ist, könnte das bedeuten, dass er in natura bei Weitem nicht so gut aussieht. Das wird allerdings auch von den Empfängern des Anti-Kompliments nicht unbedingt so verstanden. Wir empfehlen dennoch, den Spruch dennoch nicht zu verwenden.
Anti-Kompliment für ein neues Outfit: „So mutig wie du wäre ich auch gerne!“
Das hört eine Frau, die sich gerade neu eingekleidet hat, von einer Kollegin oder Freundin. Es ist ein vordergründiges, sehr leicht verständliches und relativ bösartiges Anti-Kompliment, weil es impliziert, dass es wohl einer größeren Portion Mutes bedarf, um sich so unvorteilhaft anzuziehen. Es sticht ins Herz, weil die betreffende Frau sich gerade mit Mühe und Herzblut dieses hinreißendes Outfit für den kommenden Samstagabend ausgesucht hat. Im Anti-Kompliment steckt in diesem Fall aber auch eine gute Nachricht, denn die Bewunderung der Freundin ist echt. Doch sie ist ebenso allen Ernstes der Auffassung, dass dieses Kleid nicht gerade vorteilhaft aussieht.