Wem steht das Recht zu, andere zu richten?
In einigen Fällen werden Personen von Gerichten verurteilt, deren Strafmaß als zu niedrig eingestuft wird. Gleichzeitig gibt es Menschen, die viele Straftaten gleich mit dem Tod bestrafen wollen. Diesen sind die Menschen als auch deren Beweggründe egal.
Hier setzt die Weiße Hand und die Geschichte von Dr. Ferdinand Voss (Joachim Meyerhoff) an. Als Richter ist er dafür bekannt, seine Urteile in weniger als drei Minuten zu fällen. Seine Studenten verehren ihn dafür, da sie sich – genauso wie ihr Vorbild – nicht für die Bedürfnisse von Menschen interessieren, die im Leben kaum eine Chance bekommen und aus der Not heraus handeln. Und um die Not im Berlin des Jahres 1929/1930 nach dem Börsencrash geht es auch.
Wie handelt Herr Dr. Ferdinand Voss?
Dr. Voss ist die Judikative einer Gruppe von Leuten, die sich zur Weißen Hand zusammenschlossen. Zu ihnen zählen Juristen, Offiziere und wohlhabende Bürger. Sie alle wollen die Straßen von den armen und mittellosen Menschen befreien, die kriminelle Wege zum Überleben nutzen.
Wer in den Bann von Dr. Voss gerät, wird entführt und auf das Anwesen Schönborn gebracht. Hier bleibt er in seiner Zelle, bis die Mitglieder der Weißen Hand in einem Konferenzraum zusammenkommen. Dr. Voss stellt sich dann auf die Kanzel, verliest die Anklage und kurz darauf das Todesurteil.
Die Absurdität seines Handels ist ihm nicht bewusst. Er hat mit seinen Freunden und Glaubensgenossen eine Lebensphilosophie entwickelt, die nach einem einfachen Kodex verwirklicht wird:
„Auf Chaos folgt Ordnung, auf Barbarei folgt Recht und auf Schwäche folgt Starke!“
Voran scheitert Dr. Voss?
Dr. Voss und seine Organisation funktionierten, solange es bei der Gerichtsmedizin keine Schwachstellen gibt. Allerdings ermittelten Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) und Dr. Litten in Fällen von Polizeigewalt. Hierbei stellt sich heraus, dass es Unstimmigkeiten gab, die immer mit Dr. Voss in Verbindung gebracht werden konnten.
Anstoß gaben die Diebstähle ihrer Schwester Toni sowie die Ermordung deren Freundes durch einen Polizisten des 14. Abschnitts. Leider beobachtete sie den Vorgang. Daraufhin sollte Tony Ritter als Zeugin ausgeschaltet werden. Im letzten Augenblick gelingt es jedoch Moritz Rath (Ivo Pietzcker) den aggressiven und kriminellen Polizeibeamten (Thomas Naumann) zu erstechen, bevor er Tony umbringen kann. Er nimmt zwar die Tötung auf sich, besteht aber auf Notwehr. Als Neffe von Gereon (Volker Bruch) wird ihm geglaubt. Tony ist aber noch auf der Flucht und wird unter falschen Namen von Dr. Voss in die Anstalt Schönborn eingewiesen.
Gegen die Männer es Reviers ermitteln nun Kriminalrat Gennat (Udo Samel) und Gereon. Sie kommen einer Vielzahl von merkwürdigen Unfällen oder tödlich verlaufenden Festnahmen auf die Spur. Im Geheimen werden die Beamten von Charlotte unterstützt, die auf eigene Faust Ermittlungen anstellt und sich auf Rechtsanwalt Litten verlassen kann. Von ihm bekommt sie wertvolle Tipps zu Dr. Voss eigenartigem Verhalten.
Als Dr. Voss Dr. Schwarz (Anton Rattinger), den Leiter der Gerichtsmedizin, als labilen und unberechenbaren Kandidaten einstuft und entführen lässt, hat er nicht mit Charlotte Ritter und ihrer Schwester Toni (Irene Böhm) gerechnet. Auch die Ermordung des Medizinstudenten, der mit den Geschwistern Ritters befreundet war, verstärkt die Ermittler in ihrem Vorhaben, Dr. Voss verstärkt in die Untersuchungen einzubeziehen.
Als Charlotte die Gerichtsmedizin besucht, wird sie Zeugin, wie Dr. Schwarz entführt wird. Sie hängt sich an den Wagen und gelangt zum Schloss Schönborn. Hier trifft sie auf ihre Schwester Tony (Irene Böhm). Beide müssen zuerst mit einigen Bewachern kämpfen. Doch dann sieht Charlotte den Versammlungssaal der Weißen Hand. Sie beauftragt eine weitere Insassin damit, Gereon Rath und seine Männer per Telefon zu rufen. Selbst betritt sie den Saal, nimmt sich die beiden Pistolen und hält Dr. Voss und seine Leute in Schach. Als Voss von einer Kugel getroffen wird, liegt er jammernd in der Ecke, wie ein kleines Kind. Kurz darauf erscheinen Gereon und seine Leute. Sie nehmen Dr. Voss und alle Verdächtigen in Gewahrsam.
Leider finden die verantwortlichen Beamten über 150 Leichen. Sie stammen von Menschen, die von der Weißen Hand ermordet worden sind.
Was hat die Jugendbesserungsanstalt Schönborn mit Dr. Voss zu tun?
Seine Urteile betreffen oft Jugendliche, die keine Zuhause mehr haben und deshalb in Banden nach Möglichkeiten zum Überleben suchen. Wer von dieser Gruppe von der Polizei aufgegriffen wird, ist noch nicht strafmündig genug, um ins Zuchthaus zu kommen.
Stattdessen werden die Betreffenden in die Jugendbesserungsanstalt Schönborn eingewiesen. Die Leitung obliegt hier Frau Voss (Wiebke Lust) seiner Frau und Vollstreckerin. Ob das Paar selbst Kinder hat, ist nicht bekannt. Es fehlen auch weitere Beweggründe, die als Erklärungsansatz für die menschenverachtende Praxis dienen könnten. Haben die beiden eventuell ein Kind oder einen anderen Menschen verloren, der von einem als problematisch eingestuften Zeitgenossen schwer verletzt oder umgebracht wurde?
Wie stufen die eingewiesenen Kinder und Jugendlichen ihre jeweilige Situation in Schönborn ein?
Es ist den Eingewiesenen jedoch bekannt, dass sie sich unauffällig verhalten müssen. Dazu kommen einige Menschen, die geflohen waren, aber niemals wieder aufgetaucht sind. Hierfür spricht der von der Gerichtsmedizin untersuchte Friedhof hinter dem Haus. Die dortigen Gräber, in denen neben Erwachsenen auch Kinder und Jugendliche liegen, wurden in beängstigender zeitlicher Nähe zu einander angelegt. Es ist niemanden im Umkreis aufgefallen, wie hier mit Menschen umgegangen worden ist. Immerhin gab es auch Lieferanten und Dienstpersonal.
Wer nach der Einstellung von Ehepaar Voss aus dem Heim floh, der hatte alle Chancen auf ein Leben in der Gesellschaft verwirkt.
An dieser Stelle kommen Ansätze der NS-Zeit durch. Auch hier zählt nur die Angepasstheit an die Ziele, die die NSDAP vorgab. Wer abwich und sich nicht sinnvoll erziehen ließ, war für die Gesellschaft überflüssig und als Mensch nicht zu gebrauchen. Viele Menschen ohne feste Arbeit oder Bleibe wurden von den Nazis inhaftiert und teilweise umgebracht.
Wo unterscheiden sich Dr. Voss und Edgar Kasabien?
Es lässt sich aber auch ein anderer Vergleich ziehen. Voss und Kasabien bringen jeden um, der ihren Vorstellungen einer auf sie selbst bezogenen Welt im Weg steht.
Während Voss sich an der Vollkommenheit der Gesellschaft orientiert, ist Kasabien im eigentlichen Sinn ein Gangster. Oft ist man versucht ihm – im Gegensatz zu dem starr agierenden Dr. Voss – einen Funken Sympathie entgegen zu bringen. Doch sein Verhalten gegen über Charlotte und die Hinrichtung seines Getreuen Fuchs stehen im Grunde für einen kaltblütigen und egoistischen Gewaltmenschen. Sein Lächeln ist eine Fassade. Hier ist Dr. Voss ehrlicher. Er versucht nicht erst positive Punkte bei Menschen zu sammeln, von denen er weiß, dass sie seinem Menschenbild ablehnend gegenüberstehen.
Da Voss ein Doktor der Rechtswissenschaft ist, gesteht man ihm eine hohe Intelligenz und gesellschaftliche Stellung zu. Mit dieser versucht er Berlin nach seiner Vorstellung zu formen. Aus einem Gespräch zwischen Gereon und Charlotte geht außerdem hervor, dass es gegen Glaubensgenossen von Dr. Voss innerhalb Deutschlands zahlreiche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen gab.