Ein Frauenversteher ist ein einfühlsamer, verständnisvoller Mann. Er achtet die Rechte der Frauen, hält die Gleichberechtigung der Geschlechter für selbstverständlich und ist das Gegenteil von einem Macho. Ein Frauenversteher entspricht nicht der traditionellen Männerrolle, denn er sieht die Frauen auf Augenhöhe mit den Männern. Diese Sichtweise ist modern. Das männliche Rollenverständnis hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert. Männer müssen nicht mehr hart wie Kruppstahl sein. Sie müssen sich nicht mehr prügeln und sich das Nasenbein brechen, um als männlich wahrgenommen zu werden. Männer tragen heute Vollbart und rasieren sich ihre Köpfe und sind dennoch sensibel und am Gefühlsleben einer Frau interessiert.
Die Frage ist allerdings immer, ob ein Frauenversteher es mit seiner Toleranz auch wirklich ernst meint. Möglicherweise handelt es sich bei ihm um einen Charmeur, der es lediglich darauf anlegt, eine Frau zu verführen. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Frau von einem Macho oder einem vermeintlichen Frauenversteher belogen wird. Wenn sich ein Macho später als Frauenversteher herausstellt, sind die Folgen für die Frau weniger dramatisch, als wenn sich umgekehrt ein Frauenversteher als Macho outet. Denn Frauen vertrauen sich einem Frauenversteher an. Wenn sich die scheinbar freundschaftliche Beziehung als Lüge herausstellt, ist der Vertrauensbruch immens.
Was ist ein Frauenversteher? Bedeutung, Definition, Erklärung
Der Begriff „Frauenversteher“ wurde im Jahr 2009 das erste Mal in den Rechtschreibduden aufgenommen. Bis dahin handelte es sich um einen Begriff aus der Umgangssprache. Ein Wort wird erst dann in den Duden aufgenommen, wenn es gebräuchlich ist. Vorher war dies für „Frauenversteher“ nicht der Fall. Der Begriff wurde bis dahin eher spöttisch oder verächtlich verwendet. Ein Frauenversteher wurde als unmännlich, weichgespült und verweichlicht hingestellt. Die Bezeichnung wurde als Schimpfwort verwendet.
Männer hatten harte Kerle und Helden zu sein. So wurde es im Kino vorgeführt und so sollte es sein. Der traditionelle Mann war einer, der eine Frau eventuell verteidigte, aber keiner, der sie verstehen wollte. Eine Frau interessierte einen Mann in seiner Männerrolle nur als Projektionsfläche. Er war der Entscheider in einer Beziehung. Er war es, den die Frau um Arbeitserlaubnis in einem aushäusigen Beruf bitten musste. Legte er sein Veto ein, konnte eine Frau keinen rechtsgültigen Arbeitsvertrag unterschreiben. Dies änderte sich in Deutschland erst im Jahr 1977. Das Selbstverständnis des traditionellen Mannes änderte sich nur sehr langsam und nur aufgrund von Gesetzesänderungen, die die Männer nach und nach dazu zwangen, sich und ihr Verhalten zu ändern.
Das Männerverständnis im Jahr 2008
Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlichte im März 2009 eine im Jahr zuvor verfasste Studie mit dem Thema „Traditionelle Männer in Deutschland haben sich bewegt“. Das Jahr ist insofern interessant, weil in diesem Jahr das Wort „Frauenversteher“ in der Gesellschaft nun offiziell so geläufig war, dass es in den Rechtschreibduden aufgenommen wurde.
In der Studie wurde festgestellt, dass immer mehr Männer eine partnerschaftliche Verteilung der Arbeit in Familie und Beruf anstreben. Männer übernehmen verstärkt die Vaterrolle. Sie ist ihnen wichtig und sie wird aktiv angestrebt und wahrgenommen. Auch traditionelle Männer haben ihre Einstellung verändert: Sie sind moderner geworden und akzeptieren die Berufstätigkeit von Frauen. Die Männerrolle hat sich in den Jahrzehnten zuvor allmählich verändert. Beispielsweise spielt es 2008 kaum noch eine Rolle, dass Frauen berufstätig sind und deswegen eventuell keine Zeit mehr für die Kinder hätten.
Während 35 % der traditionellen Männer die Ehe für nicht zeitgemäß hielten, waren es nur 13 % des modernen Männertyps. Das heißt, dass der modern eingestellte Mann viel eher eine Ehe einzugehen wünschte als der traditionelle Mann. Eine Ehe funktioniert normalerweise nur dann, wenn Mann und Frau gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Insofern überrascht es nicht, dass der traditionell eingestellte Männertyp eine Ehe skeptisch betrachtet. Die Umfragewerte zu dieser Frage wären Ende des 20. Jahrhunderts sicher noch anders ausgefallen. Seither wurden die Rechte der Frauen in einer Ehe gesetzlich stark aufgewertet und geschützt.
In der 2009 veröffentlichten Studie ist zu lesen, dass nur noch 8 % der Männer glauben, dass es für sie keine Traumfrau gebe. 1998 waren es noch 39 %. Das ist interessant, denn von einer Traumfrau erwarteten die Männer laut Umfrage nicht nur Intelligenz, Attraktivität, Gefühlswärme, Verständnis, sondern auch Häuslichkeit. Ein großer Teil der Männer des letzten Jahrhunderts war offensichtlich der Meinung, dass es keine Frau geben kann, die all dies bietet und sie deswegen auch keine Traumfrau finden werden.
Die Studie lässt vermuten, dass der darin immer wieder erwähnte moderne Mann ein Frauenversteher ist. Denn er sieht eine Möglichkeit, seine Traumfrau zu bekommen, weil er es den Frauen zutraut, intelligent und häuslich zugleich zu sein. Mehr noch: Diese Männer sind sicher, dass sich die Frauen zu ihnen hingezogen fühlen. Es ist also bestimmt kein Zufall, dass gerade im Jahr 2009 das Wort „Frauenversteher“ im Duden aufgenommen wurde. Das Wort gewann im Laufe der Zeit innerhalb der Gesellschaft immer mehr an Bedeutung.
Der „Frauenversteher“ kommt aus den 1980er-Jahren
Der Frauenversteher ist ein Männertyp, der auch heute noch immer wieder als Weichei bezeichnet wird. Das liegt daran, dass die Meinung verbreitet ist, ein solcher Mann würde sich von einer Frau unterbuttern lassen. Das klassische Männerbild bis in die 80er war das des Machos, im Kino verkörpert von Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger oder Adriano Celentano. Im Gegenzug entwickelte sich das Bild des Frauenverstehers, der einfühlsam mit den Frauen und ihren Nöten umging. Frauenversteher standen bewusst für ein neues Rollenbild des Mannes und gegen ein stereotypes Rollenverhalten. Tom Selleck, Sascha Hehn oder Richard Gere verkörperten den Typ Mann, der zwar hart im Nehmen, aber trotzdem ein Frauenversteher war – zuvorkommend, hilfsbereit und gentlemanlike. Sie waren eine neue Art Mann. Frauen wurden von ihnen nicht bevormundet, sondern auf Augenhöhe betrachtet, und zwar in allen Lebenssituationen.
Frauenversteher heute
Inzwischen sind die Stärken eines Frauenverstehers für viele Männer völlig normale Verhaltensweisen. Sie bemerken es nicht einmal, denn ihre Sozialisation war von vornherein eine andere als die ihrer Vorgänger. Paradoxerweise ist das zugleich auch der Grund, weshalb heute der „Frauenversteher“ ebenso verpönt ist, wie es in den 1980-Jahren der Fall war. Es scheint, als liebe die Gesellschaft heutzutage wieder den Typ Macho, den Macher, Entscheider und starken Mann. „Hemdsärmelige“ Männer wie Altkanzler Schröder, der eventuelle Neukanzler Söder oder Habeck gewinnen die Wählerstimmen. Typen wie Putin, Erdogan, Trump oder Bolsonaro weisen die Frauen in ihre Schranken und haben dabei einen großen Rückhalt in der Bevölkerung.
Frauenversteher gelten heute fast schon grundsätzlich als schwul. Schwulen Männern wird zugetraut, sich in Frauen hineinversetzen und ihre Sorgen verstehen zu können. Allerdings möchte kein Mann als schwul gelten, wenn er es nicht ist. Aus diesem Grund schwindet mit der Zeit der Anteil der Frauenversteher unter den nicht-schwulen Männern. Bedauerlicherweise führt diese Entwicklung zwangsläufig wieder zurück zu einem traditionellen Rollenverständnis, bei dem der Mann das Sagen hat und die Frau sich ihm unterordnen muss.