Was ist ein Deadname? Was ist Deadnaming? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was ist ein Deadname, Was ist Deadnaming, Bedeutung, Definition, Erklärung


Deadnaming ist die Verwendung von sogenannten toten Namen, den Deadnames. Der Deadname ist ein früherer Vorname der betreffenden Person, den diese nicht mehr verwendet. Die Namensänderung führen in der Regel nichtbinäre Menschen und Transgenderpersonen durch, um eine Geschlechtsänderung anzuzeigen.

Woher kommt Deadnaming?

Das Deadnaming bedeutet, die betreffende Person mit ihrem „toten Namen“ anzusprechen oder über sie mit dieser Namensbezeichnung zu sprechen. Dies geschieht manchmal unabsichtlich, weil der Sprecher über die Namensänderung noch nicht informiert ist oder sich aus Versehen verspricht, doch es gibt auch absichtliches Deadnaming aus einer transfeindlichen Absicht heraus. Solche Sprecher anerkennen den Namenswechsel nicht, was bedeutet, dass sie das neue Geschlecht der betreffenden Person und die Tatsache von Geschlechtsumwandlungen überhaupt nicht anerkennen. Für die binäre Person bzw. die Transgenderperson ist dies sehr belastend. Selbst ein unabsichtliches Deadnaming wirkt verletzend. Der Namenswechsel erfolgte schließlich nicht umsonst.

Geschlechtsidentifikation über den Vornamen

Unser Vorname, den wir unmittelbar nach der Geburt erhalten, definiert fortan unser Geschlecht und ist praktisch unser wichtigstes persönliches Merkmal. Es lässt sich durchaus der Standpunkt vertreten, dass nichts so sehr unsere Persönlichkeit prägt wie die Zuordnung zu einem Geschlecht. Die gesamte Erziehung, die zugedachte Rolle in der Gesellschaft und folglich alle privaten, aber auch viele berufliche Lebensentscheidungen basieren auf unserem Geschlecht. So gibt es

  • deutlich mehr männliche als weibliche Führungskräfte in Großunternehmen,
  • mehr männliche als weibliche Abgeordnete,
  • mehr männliche als weibliche Soldaten,
  • so gut wie keine männlichen Harfenisten,
  • nur sehr wenige männliche Erzieher in KiTas und
  • mehr weibliches als männliches Pflegepersonal.

Dies sind nur einige Beispiele für unsere Geschlechterrolle im Berufsleben. Der wichtigste Punkt dürfte wohl sein, dass Männer die Erfahrung von Müttern niemals machen können und ihnen damit die wahrscheinlich wichtigste menschliche Erfahrung verwehrt bleibt. Wenn nun unser Geschlecht und die ihm zugedachte Rolle so unglaublich bedeutsam ist, erschließt sich a priori auch allen sich eindeutig als Frau oder Mann empfindenden Menschen, dass binäre Personen und Transgender mit ihrer Geschlechterrolle ganz unglaublich hadern und die Anzeige eines gewechselten Geschlechts durch den Vornamen für sie enorm wichtig ist. Von ihrem Umfeld darf man erwarten, dass es dies akzeptiert und Deadnaming daher strikt vermeidet. Man bedenke auch die wahrhaft krasse Bezeichnung als „toter“ Name: Die betreffende Person hat den früheren Namen für tot erklärt und beerdigt. Das ist schon ein sehr starker Schritt. Es verweist darauf, wie wichtig für sie die neue Geschlechtsidentität ist.

Deadnaming im sprachlichen Kontext

Die betreffenden Personen wünschen die ausschließliche Verwendung ihres neuen Vornamens, und zwar auch dann, wenn es um ihre Vergangenheit geht, in der sie den früheren Namen (nun der Deadname) noch trugen. Der sprachliche Kontext ist für sie maßgebend, um in die neue Geschlechtsidentität hineinzufinden. Sie verwenden den neuen Vornamen auch als Mittel des Outings gegenüber Menschen, die über ihre Geschlechtsumwandlung noch nicht informiert waren. Es genügt die Nennung ihres neuen Vornamens, um die gesamte Geschichte zu erzählen. Für Menschen, die auf diese Weise davon erfahren, ist Sensibilität das oberste Gebot. Sie sollten keine weiteren Fragen stellen, sondern die Tatsache einfach stillschweigend zur Kenntnis nehmen und natürlich fortan Deadnaming (auch unabsichtliches) strikt vermeiden.

Mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Deadnaming

Im Journal of-Adolescent Health wurde 2018 eine Studie über jugendliche Transgenderpersonen veröffentlicht. Dabei stellte sich heraus, dass der neue, von ihnen selbst ausgesuchte Name, der zum von ihnen empfundenen Geschlecht passt, ihre psychische Gesundheit sehr deutlich verbessert. Depressive Symptome und die Risiken für Suizidalität gingen signifikant zurück. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Deadnaming die psychische Gesundheit dieser Menschen sehr stark beeinträchtigt.

Seit wann ist Deadnaming begrifflich bekannt?

Das Phänomen ist mit Stand 2021 im deutschen Sprachraum noch relativ unbekannt. Das liegt daran, dass die es Medien nur sehr selten aufgreifen, nämlich dann, wenn eine prominente Person ihre Transgenderidentität bekannt gibt. Das ist selten. Ansonsten beschäftigen sich die meisten Menschen mit dem Thema kaum.

Eine breitere Öffentlichkeit erfuhr von dem Phänomen durch Caitlyn Marie Jenner, heute eine Frau, geboren aber als Junge und später als Sportler sehr erfolgreich (1976 Goldmedaillengewinner im Zehnkampf bei den Olympischen Spielen). Im Jahr 2015 kurz nach der Geschlechtsumwandlung von Jenner verwendeten viele Medien mehr oder weniger unabsichtlich noch ihren Deadname, was starke Kritik auslöste.

Im Jahr 2020 trat in den Medien Deadnaming beim kanadischen Schauspieler Elliot Page auf, heute ein Mann, geboren aber als Mädchen. Die Medien wurden dafür heftig kritisiert. Seit einiger Zeit gibt es Ratgeber von LGBT-Verbänden, die darauf verweisen, dass es a) Deadnaming gibt und dass es b) strikt zu vermeiden ist.

Ein Style-Guide der Trans Journalists Association betont, dass es absolut keine Gründe gibt, einen Deadname zu erwähnen. Journalisten sollten diese Information auch nicht erfragen. Dies betrifft auch Nachrufe. So einen Fall gab es 2020 nach dem Tod von Aimee Stephens, einer US-amerikanischen Transgenderaktivistin. Einige Zeitungen hatten im Nachruf den Deadname genannt und entschuldigen sich später dafür, darunter die Associated Press und die New York Times. Dem steht gegenüber, dass die Öffentlichkeit durchaus am Fakt an sich interessiert ist und unter anderem Wikipedia die früheren Vornamen, mithin die Deadnames, von Transgenderpersönlichkeiten nennt.

Wir haben sie in diesem Artikel trotz einschlägiger Kenntnis bewusst weggelassen. In den USA kommt es nach Morden an Transgenderpersonen immer wieder vor, dass die Polizei in ihrem Bericht den Deadname nennt. Die dementsprechenden Fallzahlen sind sehr hoch: Deadnaming kommt demnach in 87 % aller betreffenden Mordfälle vor. Auch in Medienberichten zu Gewalt gegen Transgenderpersonen wird zumindest in den USA in knapp 70 % aller Fälle der Deadname zumindest zusätzlich erwähnt.

Reaktionen von Onlinemedien und Unternehmen

Twitter führte im Oktober 2018 das Verbot von Deadnaming ein. Betroffene merkten allerdings 2019 an, dass dieses Verbot unterlaufen werde und Twitter darauf zu schwach reagiere. Die Internet-Movie-Database änderte 2019 ihre Regeln: Seither dürfen aufgeführte Transgenderpersonen ihren Deadname aus der Plattform entfernen lassen. Vorausgegangen waren Vorwürfen durch Schauspieler, die Transgenderpersonen sind. Die Kaffeehauskette Starbucks machte 2020 in einem Werbespot auf Deadnaming aufmerksam und erhielt dafür den Diversity in Advertising-Award. In Großbritannien führte Deadnaming schon zu juristischen Verwarnungen. In Deutschland gab es eine Anzeige gegen den Grünenpolitiker Boris Palmer wegen Deadnamings gegen die Transfrau Maike Pfuderer (ebenfalls Bündnis 90/Grüne), doch die Staatsanwaltschaft Tübingen stellte Palmers Unschuld fest, obgleich Deadnaming im deutschen „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ verboten ist. Palmer ist (Stand Herbst 2021) der Oberbürgermeister von Tübingen.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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