Als Great Resignation oder Big Quit wird der bis zum Herbst 2021 anhaltende Trend bezeichnet, dass Arbeitnehmer*innen infolge der COVID-19-Pandemie ihren Arbeitsplatz kündigen. Dieser Trend begann im Frühjahr 2021 in den USA und hat inzwischen auch Europa erreicht. Den Begriff „Great Resignation“ prägte vermutlich Prof. Anthony Klotz, der an der Texas A&M University Management unterrichtet.
Hintergrund der Great Resignation
Zwischen Dezember 2000 und März 2020 kündigten in den USA nie mehr als 2,4 % der Beschäftigten freiwillig ihren Arbeitsplatz. Diese Quote stieg ab dem Frühjahr auf knapp 3,0 %, was für die USA außergewöhnlich hoch ist. In Europa lagen die Zahlen teilweise – so in Deutschland – sogar doppelt so hoch. Dieser Trend ist insofern ungewöhnlich, als dass hohe Kündigungsquoten normalerweise nur in Zeiten eines starken wirtschaftlichen Aufschwungs beobachtet werden, wenn die Arbeitnehmer*innen darauf vertrauen können, in einem anderen Unternehmen einen höher bezahlten Job zu bekommen. Das funktioniert nur, wenn die Wirtschaft sehr stabil läuft und die Beschäftigungsquote an sich sehr hoch ist, was aber ab dem Frühjahr 2020 nicht der Fall war.
Corona schickte die Weltwirtschaft zunächst in eine Rezession, es stieg punktuell auch leicht die Arbeitslosigkeit. In solchen Zeiten nehmen die Kündigungsquoten vonseiten der Beschäftigten normalerweise ab, gleichzeitig sinken die Einstellungsquoten. Hierfür gibt es Belege: Während der Zeit der Großen Rezession ab den 1930er-Jahren sank die Kündigungsrate der Beschäftigten in den USA von vormals 2,0 % auf 1,3 %. Gleichzeitig sank die Einstellungsrate von 3,7 % auf 2,8 %. Da die COVID-19-Pandemie eine kleine Rezession auslöste, folgten die Quoten zunächst diesem Muster. Im März 2020 entließen die US-Unternehmen 13 Millionen Arbeitnehmer*innen, im April 2020 waren es 9,3 Millionen, was Kündigungsquoten vonseiten der Unternehmen von 8,6 % bzw. 7,2 % entsprach. Die Kündigungsquote vonseiten der Arbeitnehmer*innen hingegen fiel mit 1,6 % auf ein Siebenjahrestief.
Die Kündigungen von beiden Seiten (Unternehmen und Arbeitnehmer*innen) betrafen größtenteils Frauen im Dienstleistungsbereich und in der Kinderbetreuung, wo aufgrund der Pandemie nicht mehr wie gewohnt gearbeitet werden konnte. Mit dem Fortschreiten der Pandemie jedoch gaben vermehrt Arbeiternehmer*innen aller möglichen Branchen ohne ersichtlichen wirtschaftlichen Grund ihre Jobs auf, was einerseits einen höheren Arbeitskräftemangel und andererseits eine steigende Arbeitslosigkeit verursachte.
Siehe: Was ist Antiwork?
Great Resignation: Welche Ursachen werden vermutet?
Vermutlich führte die COVID-19-Pandemie bei Berufstätigen zum Überdenken ihrer Karriereziele und Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsumstände änderten sich. So stellten Beschäftigte im Homeoffice fest, dass die übliche Bindung an den Kolleg*innenkreis im Büro nicht unbedingt den Mehrwert schafft, der vormals als so wichtig gegolten hatte.
Im Gegenteil: Homeoffice bedeutet auch mehr Freiheit und Flexibilität, was die Beschäftigten dazu motivierte, nach Jobs mit permanenten Homeoffice-Angeboten Ausschau zu halten. Eine Studie in den USA vom August 2021 legt jedenfalls diesen Schluss nahe. Jüngere Arbeitnehmer*innen erhoffen sich davon eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Dies ist aber nur ein Motiv, das lediglich Beschäftigte in Büros betrifft. Die stärkste Kündigungswelle hatten allerdings Hotels und Restaurants zu verkraften.
Hier vermutet man, dass die Hilfszahlungen der US-Regierung für Arbeitnehmer*innen, die nicht mehr beschäftigt werden konnten, diese dazu motivierten, mit der finanziellen Absicherung im Rücken nach besser bezahlten Jobs Ausschau zu halten, weil diese Branchen traditionell relativ schlecht zahlen. Die US-Regierung reduzierte allmählich diese Hilfszahlungen wieder. Dennoch entstanden nicht in nennenswertem Umfang in anderen Branchen neue Arbeitsplätze. Die meisten Kündigungen gingen von den Generationen Y und Z aus (Millenials und Post-Millenials, also sehr junge Arbeitnehmer*innen). Diese sind häufig in schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs beschäftigt. Mehr als 50 % der Generation Z wollen demnach in den USA im laufenden Jahr 2021 einen neuen Job suchen.
Great Resignation in Zahlen
- Im April 2021 kündigten 4,0 Millionen Arbeitnehmer*innen in den USA ihren Jobs.
- Im Juni 2021 waren es 3,9 Millionen US-Beschäftigte.
- Die meisten Kündigungen gibt es im Süden der USA mit einer Quote von 2,9 %, im mittleren Westen sind es 2,8 %, im Westen 2,6 % und im Nordosten 2,0 %.
- Der Microsoft Work-Trend-Index 2021 geht von über 40 % der weltweiten Arbeitnehmerschaft aus, die noch im Jahr 2021 ihren Job kündigen wollen.
- Eine Umfrage von PricewaterhouseCoopers von Anfang August 2021 ermittelte sogar bei 65 % aller Arbeitnehmer*innen eine Kündigungsabsicht im laufenden Jahr.
- 88 % der Führungskräfte großer Unternehmen meldeten in ihrer Firma eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation der Belegschaft.
- Im Oktober 2021 meldete das US-Bureau of Labor Statistics eine Kündigungsquote von Arbeitnehmer*innen in der Gastronomie von 6,8 %.
- In Deutschland liegt die Kündigungsquote vonseiten der Arbeitnehmer*innen mit 6,0 % auf einem europäischen und vermutlich weltweiten Höchststand.
- Die Quoten in anderen europäischen Ländern liegen ebenfalls teilweise über denen in den USA: Großbritannien 4,7 %, Niederlande 2,9 %, Frankreich 2,3 %, Belgien 1,9 %.
Wie können die Unternehmen gegensteuern?
Die Unternehmen werden gezwungen sein, die Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten deutlich zu überdenken. Dies betrifft die Bezahlung und die Arbeitskultur gleichermaßen. Weite Bereiche des Arbeitslebens sind durch Leistungsdruck, überflüssige Meetings, schikanöse Anweisungen und Ineffizienz gekennzeichnet. Eine höhere Bezahlung kann die Unzufriedenheit mit solchen Umständen nur teilweise ausgleichen. Wenn jedoch auch noch schlecht bezahlt wird, denken die Arbeitnehmer*innen an Flucht, sobald sie die Gelegenheit dazu haben. Diese bot sich, als die Regierungen der westlichen Staaten ihrer Wirtschaft finanziell unter die Arme griff, weil diese pandemiebedingt ihre Arbeitskräfte freistellen oder ins Homeoffice schicken musste. Dies sollte den verantwortlichen Unternehmenslenkern zu denken geben.