Das Präventionsparadox lautet wie folgt: Präventionsmaßnahmen, die der ganzen Bevölkerung oder Gesellschaft einen hohen Nutzen bringen, bringen dem Einzelnen oder der Einzelnen nur wenig Nutzen.
Das Präventionsparadox wurde in den 1980er Jahren erstmals vom britischen Epidemiologen Geoffrey Rose beschrieben. Er beschrieb es am Beispiel von Herzkrankheiten. (Wenn viele Menschen an Präventionsmaßnahmen teilnehmen, kann die allgemeine Lebenserwartung erhöht und die Zahl der Krankheitsfälle verringert werden.)
Das Präventionsparadox kann auch wie folgt formuliert werden: „Präventive Maßnahmen, die einer kleinen Gruppe einen hohen Nutzen bringen, bringen einer großen Gruppe einen geringen bis gar keinen (positiven) Nutzen.“
Präventionsparadox: Bedeutung, Definition, Beispiele und Folgen
Konkret am Beispiel vom Coronavirus (Covid-19) formuliert, lautet das Präventionsparadox wie folgt: „Präventive Maßnahmen, die dass Leben von Risikogruppen (Ältere, Vorerkrankte) schützen, bringen der restlichen Bevölkerung wenig positiven Nutzen.“ Anders formuliert: Menschen, die nicht Teil einer Risikogruppe sind, schränken sich durch Präventionsmaßnahmen (Social Distancing, Zuhause bleiben) ein, um Ältere oder Vorerkrankte zu schützen.
Die Logik hinter dem Präventionsparadox ist folgende:
- Die Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen sind erfolgreich. Weniger Menschen als erwartet erkranken und weniger Menschen als erwartet sterben am Virus. = Die Katastrophe bleibt aus.
- Also a) (Interpretation 1)
- a) Die Maßnahmen waren übertrieben. So schlimm wie befürchtet, ist es nicht gewurden.
- b) Wir haben die Lage unter Kontrolle. Krankenhäuser sind nicht überfordert.
- c) Die Motivation und Compliance sich weiter an Eindämmungsvorschriften zu halten, sinkt. Das Verständnis für geschlossene Geschäfte sinkt. (Compliance = Bereitschaft aktiv mitzuwirken)
- Folge: Wenn Präventionsmaßnahmen gestoppt werden, kann eine Krankheit erneut ausbrechen oder unkontrollierbar werden. (Kann = Konjunktiv!)
- Also b) (Interpretation 2)
- a) Die Katastrophe ist nur ausgebleiben, weil die Maßnahmen so stark („übertrieben“) waren.
- b) Damit ist die Lage nur unter Kontrolle, weil die Maßnahmen so „übertrieben“ waren.
- c) Wegen 3 a) und 3 b) sollten die Maßnahmen nur langsam gelockert werden.
Beim Präventionsparadox passiert folgendes:
- Wird eine Katastrophe abgewendet, so wirken Warnungen und Maßnahmen übertrieben.
- Schäden, die ausgeblieben sind, sind nicht sichtbar.
- Ein Einzelner mag seine Wirkung unterschätzen, aber wenn viele Menschen sich gleichzeitig an Maßnahmen beteiligen, entsteht eine Wirkung von der die gesamte Bevölkerung profitiert.
- Eine Risikogruppe wird besser geschützt oder profitiert von präventiven Maßnahmen, wenn möglichst viele Menschen, auch Menschen, die nicht Teil einer Risikogruppe sind, sich an Präventivmaßnahmen halten.
- Das Paradox entsteht, weil Menschen sich an Präventivmaßnahmen halten sollen, die ihnen wenig Nutzen bringen.
- Ferner steht das Präventionsparadox für das Spannungsfeld zwischen Egoismus und Soldarität.
- Das Präventionsparadox steht auch für Risikoscheue (Risikoaversion). Denn ein Risiko wird durch präventive Maßnahmen nicht eingegangen, sondern das Risiko wird sogar gesenkt. (Anmerkung der Redaktion: Hier passt wohl der deutsche Spruch „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ ganz gut.)
- Da präventive Maßnahmen, dass Risiko an einer Krankheit zu erkranken gesenkt haben, kann nie herausgefunden werden, wie eine Krankheit sich ohne präventive Maßnahmen verbreitet hätte oder wie sie verlaufen wäre.
Das Präventionsparadox führt dazu, dass eine eigene Gruppendynamik entsteht. Wenn Präventionsmaßnahmen gut funktionieren, entsteht ein Eindruck von Kontrolle und damit ein Gefühl der Sicherheit. Dies führt dazu, dass bisherige Präventionsmaßnahmen (Kontaktverbot, Ausgangsbeschränkungen, Shutdown, Lockdown) als übertrieben wahrgenommen und in Frage gestellt werden. Damit sinkt die Motivation, sich weiter an Eindämmungsmaßnahmen wie Social Distancing zu halten. Außerdem werden Forderung laut, die Präventionsmaßnahmen aufzuheben.
Präventionsparadox und Impfungen
An Impfungen und Impfgegner zeigt sich das Präventionsparadox sehr gut.
- Impfungen werden durchgeführt:
- Gegen eine Krankheit wird nach und nach die Bevölkerung geimpft.
- Dies führt dazu, dass Krankheitsfälle immer weniger werden, bis die Krankheit gar nicht mehr auftritt.
- Dies führt dazu, dass Menschen, die die Krankheit unmittelbar erlebt haben, weniger werden. Allgemein verliert sich das Bewusstsein der Menschen für die Gefährlichkeit der Krankheit, weil eben immer weniger Menschen, die Krankheit erlebt oder bei anderen gesehen haben.
- Folgen:
- Impfungen haben dazu geführt, dass eine Krankheit verschwand.
- Menschen beginnen sich auf Nebenwirkungen der Impfungen und Impfschäden zu konzentrieren, weil diese sichtbar sind – im Gegensatz zur Krankheit.
- Also a) (Interpretation 1)
- Menschen, die sich auf die Nebenwirkungen von Impfungen fokussieren, verlieren das Vertrauen in Impfungen.
- Sie stellen Impfungen in Frage und verweigern teils Impfungen.
- Die Logik könnte sein: „Wozu impfen, wenn doch keiner die Krankheit hat?“ oder „Wozu Gesunde impfen?“
- Folgen: Es kann zu Ausbrüchen von Krankheiten kommen, gegen die jemand die Impfungen verweigert hat. (Eine Folge davon wäre, dass die Impfbereitschaft dann wiedersteigt.)
- Eine andere Folge ist: Die Herdenimmunität schützt Nicht-Geimpfte, wodurch diese sich in ihrer Entscheidung gegen das Impfen bestätigt sehen, da sie ja nicht krank werden.
- Also b) (Interpretation 2)
- Haltung: „Impfungen haben Nebenwirkungen, aber ihre Vorteile überwiegen“. Impfungen verhindern, dass wir (oder ich) eine bestimmte Krankheit bekommen kann.
- Also: Impfen.