Der Pflexit ist der Exit von Pflegekräften aus ihrem Beruf. Unterschieden werden der Pflexit aus persönlichen Gründen und der systembedingte Pflexit.
Der persönliche Pflexit: Bedeutung, Definition, Erklärung
Beim persönlichen Pflexit steigen Pflegekräfte aus verschiedenen persönlichen Gründen aus ihrem Beruf aus. Diese persönlichen Gründe werden natürlich auch durch die Arbeitsbedingungen verursacht, doch insgesamt gibt es äußerst vielschichtig Ursachen.
Die mit der Thematik befasste wissenschaftliche identifziert als Rahmenbedingungen für einen persönlichen Pflexit sind:
- zunehmende Arbeitsverdichtung
- hohe physische und psychische Belastung im Beruf
- schlechte (bzw. nicht angemessene) Bezahlung
- mangelnde Anerkennung sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch die Öffentlichkeit
- sehr strapaziöse Schichteinteilungen
- zu wenig Freizeit
Besonders die Belastungen bei gleichzeitig fehlende Anerkennung lassen Pflegekräfte schnell „innerlich kündigen“. Sie fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber nicht mehr verbunden und leisten fortan nur noch Dienst nach Vorschrift. Darin liegen Gefahren für die Organisation und die zu versorgenden Patienten oder Bewohner eines Alten- und Pflegeheims. Eine mangelnde innere Einstellung lässt in diesem Beruf schnell die Qualität sinken. Natürlich trifft das mehr oder weniger stark auch auf andere Berufe zu, weshalb die allgemeine Betriebswirtschaftslehre den Begriff des Commitments formuliert, also der inneren Bindung an eine Aufgabe, die zu einem entsprechenden Engagement führt.
Angestellte mit hohem Commitment und Engagement sind kreativ, produktiv und effizient. In sozialen Berufen sind sie ihren Klienten stark zugewandt. Sie bemühen sich zudem in rein arbeitstechnischer Hinsicht von allein und unaufgefordert um höchste Qualität. Hierfür benötigen sie sehr dringend die verdiente Anerkennung und außerdem die richtigen Rahmenbedingungen. Zu diesen gehören unter anderem folgende Punkte:
- Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer ausreichend informieren.
- Die Arbeitstätigkeit soll attraktiv und angemessen gestaltet werden.
- Von Abteilungsleitern wird ein kooperatives Führungsverhalten erwartet.
- Arbeitnehmer müssen sich entwickeln können.
- Wo es geht, sollten Unternehmen das persönliche Wohlbefinden ihrer Beschäftigten fördern.
- Die Arbeitsaufgaben und das Umfeld müssen sinnvoll organisiert sein.
- Die Bezahlung muss als gerecht empfunden werden.
Das kollegiale Umfeld trägt ebenfalls sehr stark zu einem optimalen Arbeitsklima bei. Allerdings haben die Arbeitgeber auf die persönlichen Beziehungen ihrer Angestellten untereinander nur begrenzten Einfluss. Sie sind jedoch immerhin gesetzlich dazu verpflichtet, Mobbing zu unterbinden. Zur Herstellung eines herzlichen Klimas sind sie nicht verpflichtet, das wäre womöglich auch etwas zu viel verlangt. Man kann sich aber darum bemühen. So sollte etwa eine Firma niemals die Weihnachtsfeier ausfallen lassen.
Als entscheidender für den persönlichen Pflexit gelten aber Rahmenbedingungen wie die Arbeitszeiten und -aufgaben sowie die Bezahlung. Diese Rahmenbedingungen hängen von Tarifverträgen und politischen Entscheidungen ab. Führungskräfte sollten sie in ihrem Kompetenzbereich so optimal wie möglich gestalten. Dass suboptimale Rahmenbedingungen den Krankenstand in der Berufsgruppe erhöhen, ist durch Zahlen belegt. Besonders die psychischen Erkrankungen weisen darauf hin, dass die Belastungen bisweilen unerträglich sind.
Manche Pflegekräfte opfern sich bis zu ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus auf, bis sie schließlich zusammenbrechen. Dies geschieht aus Verantwortungsgefühl gegenüber den Patienten, den eigenen Kollegen und dem Arbeitgeber heraus. Zum Teil ist die Aufopferung schierer Not geschuldet: Wenn Teams unterbesetzt sind, wagen es viele Pflegerinnen und Pfleger nicht, Überstunden abzulehnen oder sich gar krankschreiben zu lassen, obwohl sie die Auszeit bräuchten. Doch ein kompletter Zusammenbruch hat einen viel längeren Ausfall und manchmal sogar die Berufsunfähigkeit zur Folge. Es gilt daher, optimalere Rahmenbedingungen zu schaffen. Vor allem die Arbeitsverdichtung aufgrund mangelhaft besetzter Teams gilt als sehr prekär. Sie verursacht enormen Stress und zusätzlich starke körperliche Belastungen, die zu Erkrankungen des Bewegungsapparates führen.
Die Politik kann nur gegensteuern, indem sie Geld in die Hand nimmt und Pflegepersonal so gut bezahlt, dass sich genügend AnwärterInnen für den Beruf finden. Die derzeitigen Angehörigen der Berufsgruppe sind aufgerufen, sich nötigenfalls ausreichend zu schonen. Das bedeutet, dass sie Arbeitsaufgaben ablehnen müssen, die absehbar zu einer physischen und/oder psychischen Überforderung führen. So sollten sie es ablehnen, einen zu schweren Patienten allein aus dem Bett zu heben oder wochenlange Überstunden zu schieben.
System-Pflexit: Bedeutung, Definition, Erklärung
Dieser Pflexit wird durch Experten in der Zukunft erwartet. Er dürfte unter Umständen allein die Pflege in Kliniken und Krankenhäusern, aber nicht die gesamte Branche betreffen. Der Hintergrund ergibt sich hier durch das Abrechnungssystem der Pflege in Kliniken und Krankenhäusern. Aktuell erfolgt die Abrechnung der pflegerischen Tätigkeiten über DRGs. DRGs sind Diagnosis Related Groups für voll- und teilstationäre Leistungen in Kliniken und Krankenhäusern. Die gesetzliche Grundlage schafft der § 17b KHG (Krankenhausfinanzierungsgesetz). Die Neufassung dieses Gesetzes gilt seit dem 01.01.2020.
DRGs gruppieren ihrem Namen entsprechend Fälle ein, in welche verschiedene Parameter einfließen. Aus diesen Parametern errechnet sich ein Fallwert, der zur entsprechenden Vergütung führt. Es gab die DRGs schon vor 2020, ihnen wurde aber eine neue Pflegeerlösabrechnung hinzugefügt. Die Intention bestand darin, die Pflegekosten realistischer darzustellen. Seit 2020 errechnet sich nun die Vergütung aus der Multiplikation der drei Faktoren
- Bewertungsrelation,
- Verweildauer und
- individueller Pflegeentgeltwert.
Letzterer bildet die Relation zwischen Pflegekosten und Pflege-Daymix ab. Sollte der Erlös die Pflegekosten nicht decken können, müssen sie ausgeglichen werden. Die Mehrkosten werden damit zu 100 % durch die Kassen übernommen, damit eine vollständige Selbstkostendeckung der Krankenhäuser gewährleistet wird. Das war das Ziel der Neufassung des KHG, denn zuvor hatten Krankenhäuser im Pflegebereich bisweilen Defizite erwirtschaftet.
Die an sich gute Intention des Gesetzes soll jedoch nicht richtig funktionieren. Sie gliedert die Pflegepersonalkosten aus, die zuvor in den DRG-Fallpauschalen enthalten waren. Das schafft nach der Meinung von Fachleuten der GKV Fehlanreize: Die Kliniken verlassen sich nun darauf, dass ihre Defizite im Pflegebereich stets vollständig ausgeglichen werden, was in einigen Fällen zu Unwirtschaftlichkeit und Intransparenz führt. Für die Pflegekräfte bedeutet das System unter Umständen, dass sie berufsfremde Tätigkeiten ausführen müssen, weil die Neufassung der KHG nicht genau definiert, was eigentlich zur Pflege gehört. Dieser Umstand wiederum könnte mittelfristig einen systembedingten Pflexit auslösen. Ob dieser stattfindet und wie groß sein Ausmaß sein könnte, lässt sich mit Stand November 2020 noch nicht vollständig einschätzen, weil das neue KHG noch jung ist. Doch schon jetzt sind Fälle bekannt, in denen Pflegerinnen und Pfleger zur Bettenaufbereitung und Zimmerreinigung eingesetzt werden: Den Aufwand erhält das Krankenhaus ja auf jeden Fall erstattet (den für eine Reinigungsfirma hingegen nicht unbedingt). Die Gefahr des System-Pflexits ist daher sehr real.