Die Bezeichnung „Gender Shift“ ist die Umbenennung und gesellschaftliche Weiterentwicklung des ursprünglichen Terminus „Female Shift“. Während sich die Bezeichnung des Female Shift ausschließlich auf den weiblichen Teil der Gesellschaft bezieht, inkludiert Gender Shift nun vice versa auch die Männer der Gesellschaft gleichermaßen, die heute auch die bisweilen eher frauentypischen Merkmale annehmen.
Während Female Shift zunächst den Wandel einer männerdominierten Gesellschaft beschrieb, der sich dadurch kennzeichnete, dass traditionelle Geschlechterrollen in der Alltags- und Berufswelt aufgelöst werden und auch Frauen abseits des Familienlebens berufliche Karrieren anstreben, inkludiert die Bezeichnung Gender Shift nun auch alle soziologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die dazu führen, dass sich Männer ebenfalls in bislang eher weiblich konnotierten Geschlechterrollen wiederfinden.
Gender Shift: Geschlechterrollen sind nicht mehr verbindlich und Übergänge fließend
Gender Shift ist ein Trend, dem in der heutigen Zeit eine besondere Bedeutung zukommt. Frauen, die übrigens in der heutigen Zeit einen im Vergleich zur Männerwelt durchschnittlich höheren Schulabschluss erlangen, streben berufliche Karrieren an und nehmen Führungspositionen ein.
Doch auch die eher weiblich geprägten Gesellschaftsmuster lösen sich mehr und mehr auf, indem auch Männer gemeinsame Zeit mit der Familie und den Kindern einfordern. Längst gilt es als nicht mehr gesetzt, dass ausschließlich die Frau zuhause bleibt und der Mann als Ernährer der Familie gilt und in Vollzeit arbeitet.
Schauen wir auf die zurückliegenden 30 Jahre zurück, stellen wir fest, dass vor allem in den OECD-Ländern eine weibliche Bildungsrevolution stattfand. Junge Frauen machen 55 Prozent der Schulabsolventen mit Allgemeiner Hochschulreife aus.
Auch der Anteil der weiblichen Studierenden steigt anhaltend und macht von ehemals weniger als 20 Prozent der Absolventen heute mehr als die Hälfte aus. Auch in vielen Schwellenländern ist dieser Vorgang der weiblichen Bildungsdominanz zunehmend festzustellen.
„Neue Männer“ im Gender Shift
Die Weiterentwicklung der Bezeichnung Female Shift zu dem Begriff Gender Shift impliziert, dass nicht nur der Einfluss der Frauen in der Gesellschaft und im Berufsalltag stetig zunimmt. Zwangsläufig ist diese Verschiebung und Auflösung von Geschlechterrollen auch mit einer Änderung der Geschlechterrolle des Mannes verbunden.
Studien belegen, dass die Erwartungen an den „neuen Mann“ in der Gesellschaft der 2020er Jahre steigen und völlig andere sind als noch vor 15 Jahren. Männer müssen sich zunehmend auch an weiblichen Kriterien und an Ansprüchen messen lassen, die zunächst ausschließlich den Frauen zugeschrieben worden sind. Verbunden ist mit diesen neuen Ansprüchen auch die Forderung eines ästhetischen Gespürs. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang von „Softing“ und „Verweiblichung“ die Rede.
Großer Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Männerwelt
Der Anteil derjenigen Männer, die vermehrt Zeit mit den Kinder und der Familie verbringen möchten, steigt. So ist beispielsweise festzustellen, dass vielerorts mehr als 80 Prozent einen Antrag auf Teilzeitarbeit stellen, um das Mehr an Zeit der Familie zur Verfügung stellen zu können.
De facto liegt der Anteil an teilzeitarbeitenden Männern aber gerade einmal bei rund 15 Prozent. Nicht nur privat werden Männer an bislang weiblich konnotierten Kernkompetenzen gemessen: Auch im Beruf wird ihnen ein hohes Maß an Sozialkompetenz abgefordert. Kommunikatives Gespür, Ausdrucksvermögen und Teamfähigkeit werden verstärkt gefragt und zu einem neuen Erfolgskriterium für männliche Führungspersönlichkeiten.
Gender Shift in der Liebe
Der Gender Shift hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf das partnerschaftliche Leben. Aromantische Partnerschaften gehören in der heutigen Gesellschaft ebenso zum soziologischen Kosmos wie beispielsweise polyamoröse zwischenmenschliche Beziehungen.
Polyamorie wird in den Vereinigten Staaten bereits als Trend beschrieben, ist aber in den modernen Ländern noch immer weit entfernt von einer vollumfänglichen gesellschaftlichen Akzeptanz.
Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass sich das äußerlich typische Erscheinungsbild von Männern und Frauen in Anbetracht dieser Enwicklungen auch in hetero Beziehungen merklich wandelt: Männer, die nicht nur erzieherische Aufgaben wahrnehmen, sondern auch auf ihr Äußeres achten, prägen ebenso den Zahn der Zeit gleichermaßen wie Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen in das bislang eher typisch männliche Erscheinungsbild schlüpfen.
Gender Shift als Auslöser für gesellschaftliche Diskussionen
Wirft man einen Blick auf die Generation Y, die die Forderung nach einer ausgewogeneren Work-Life-Balance stellt, stellt man unweigerlich fest, dass diese als eine Folge der Gender Shift Bewegung zu werten ist.
Gesellschaftlich führen Generationsdifferenzen zu vermehrten Diskussionen – und das nicht nur im Familienalltag: Während betagte Führungskräfte noch immer ein Verfechter der einst gesellschaftlich etablierten Geschlechterrollen sind, befinden sich insbesondere die jüngeren Mitarbeiter in einer Art Generationen-Clash, der sich durch eine völlige Veränderungen der Anforderungen im Alltag und im Familienleben deutlich macht. Verständnisschwierigkeiten und Konflikte sind die häufige Folge eines insgesamt verschärften Anforderungsprofils in der Männerwelt.
Gender Shift der Männer als Spiegel des Female Shift
Für die Frauenwelt liegen weitreichende Veränderungen noch gar nicht so lange zurück: Als in den 80er Jahren karrierefokussierte Frauen in Erscheinung traten, reichte es längst nicht mehr aus, gut auszusehen und den Haushalt verlässlich zu führen.
Die Verlagerung von Aufgabenbereichen beruflichen und familiären Umfeld ist gewissermaßen eine unweigerliche Konsequenz, die sich nun in einem völlig neuen Anforderungsprofil an die Männerwelt widerspiegelt.