Was sind russische Sitten und Gepflogenheiten? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was sind russische Sitten und Gepflogenheiten, Bedeutung, Definition, Erklärung


Die russischen Sitten und Gepflogenheiten sind in einzelnen Landesteilen des riesigen Staates teilweise sehr unterschiedlich. Es gibt jedoch auch einheitliche Regeln für das gesamte Land mit all seinen Gegensätzen – den großen, pompösen Palästen, den kleinen ärmlichen Hütten, den Steppen, Stränden und Bergen.

Russische Sitten: Strikte Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum

Russen wirken oft barsch, verschlossen und kühl auf Fremde. Diese Mentalität erklärt sich aus ihrer strikten Trennung zwischen ihrem öffentlichen und dem privaten Raum. Wer sie näher kennenlernt, stellt jedoch ihre herzliche und warme Natur fest. Prinzipiell schreiben sie die Gastfreundschaft sehr groß. Wer von ihnen eingeladen wird, sollte dies niemals ausschlagen. Sollte dann ein Essen ausgerichtet werden, fällt dieses sehr üppig aus. Auch der Alkohol fließt in der Regeln in Strömen.

Die erste Regel, die Ausländer in Russland kennen sollten, ist die Ansprache der Menschen untereinander. Die russischen Namen bestehen aus den drei Elementen des Vor-, Vaters- und Nachnamens. Üblicherweise wird eine Person mit ihrem Vor- und Vatersnamen angesprochen. Den Politiker Michail Sergejewitsch Gorbatschow nennt man also in Russland nicht den „Herrn Gorbatschow“, sondern „Michail Sergejewitsch“. Eine Begrüßung erfolgt wie in Mitteleuropa per Handschlag, allerdings nur unter den Männern. Die Frauen hingegen grüßen lediglich mit einem Lächeln, wenn sie eine unbekannte oder wenig vertraute Person treffen. Nur im engen Familien- und Freundeskreis wird es dann sehr herzlich: Sowohl Männer als auch Frauen begrüßen sich mit Wangenküsschen und Umarmung. Bei der Einladung in ein russisches Haus darf diese Begrüßung (gleich welcher Art) niemals über die Türschwelle hinweg stattfinden, weil das nach russischer Auffassung Unglück ins Haus brächte.

Ein weiterer Aberglaube ist, dass in Wohnungen nicht gepfiffen werden darf, weil das Geldprobleme ins Haus bringt. Nun noch einmal zum Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum. Dieser könnte größer kaum ausfallen, denn in der Öffentlichkeit erscheinen Russen durchweg distanziert, im privaten Kreis hingegen überschwänglich herzlich und emotional. Ihr Körperabstand untereinander ist geringer als bei uns, auch berühren sich die Menschen berühren während des Gesprächs oft.

Russische Alltagsgesten

Wie in jeder Kultur gibt es auch in Russland kleine Alltagsgesten, deren Kenntnis und Beachtung die Freundschaft zweifellos fördern. Es sind unter anderem diese:

  • Sich in der Öffentlichkeit oder gar in der Nähe anderer Personen die Nase zu putzen gilt als absolutes Tabu. Wir mögen dies auch in Deutschland nicht, doch in Russland ist es ein regelrechtes No-go.
  • Gegenüber Frauen ist größte Höflichkeit angesagt. Man hält ihnen (wie bei uns) die Tür auf und nimmt ihnen den Mantel ab, doch damit nicht genug: Herren dürfen gegenüber den Damen auch sehr charmant sein, sollen dabei aber die Grenze zur Anzüglichkeit niemals überschreiten.
  • Gleichgeschlechtliche Paare sollten sich in der Öffentlichkeit nicht outen. Die Russen sind in dieser Beziehung illiberaler als die katholische Kirche. Gleichgeschlechtliche „Propaganda“ gegenüber Kindern und Jugendlichen (in unserem Sinne eigentlich: Aufklärung) ist sogar strafbar.
  • Bei Einladungen in ein Haus sollte die eingeladene Person unbedingt in kleines Gastgeschenk mitbringen. Hierbei genügt die Geste. So sind unter anderem Süßigkeiten und Blumen sehr beliebt. Letztere dürfen nur auf keinen Fall gelbe Rosen sein, weil diese für Untreue stehen. Außerdem muss die Zahl der Blumen unbedingt ungerade sein, denn eine gerade Zahl verschenkt man in Russland ausschließlich im Trauerfall.
  • Die eigenen Straßenschuhe bleiben bei der Einladung in eine Wohnung vor der Tür. Die Gastgeber bieten dann Gästepantoffeln an.
  • An der gedeckten Tafel darf sich jedermann frei bedienen. Allzu viel Zurückhaltung wird als Unhöflichkeit ausgelegt. Selbst die Nachfrage, ob man sich noch etwas nehmen darf, ist schon verpönt.
  • Wie schon vorn erwähnt gehört Alkohol (meistens Wodka) zu einem russischen Essen einfach dazu. Wer wirklich nicht trinken darf oder möchte, muss zwingend auf gesundheitliche Probleme verweisen, die auch akzeptiert werden.

Das russische Restaurant

Die russische Küche bietet köstliche und deftige Gerichte, die sich auch aus dem teilweise extremen Klima des Landes erklären, das viele Kalorien verlangt. Es gehören dazu die Borschtsch (kräftiger Eintopf, sehr würzig und mit Roter Bete), Pelmeni (so etwas wie russische Tortelloni oder Maultaschen) und Blini (kleine, wahlweise süße oder herzhafte Eierkuchen).

Die russischen Eier sind mit einer deftigen Marinade aus dem Eigelb gefüllt, Piroggen sind Teigtaschen mit Kartoffeln. Salat Olivier ist ein spezieller russischer Kartoffelsalat, Watruschki sind Quarktaschen. Die Würze ist stets kräftig und macht Appetit auf mehr. In Begleitung des Alkohols regt das russische Essen die Geselligkeit an, weshalb man in einem russischen Restaurant ohne Probleme zu anderen Gästen platziert wird, was bei uns eher unüblich ist. Sofort entstehen dann anregende Gespräche. Deren Inhalt sollte allerdings die Politik ausklammern. Das ist in Russland schon seit über 100 Jahren gängiger Standard.

Selbst wer als Ausländer bei kritischen Bemerkungen nichts zu befürchten hätte, müsste mit äußerstem Befremden unter den Gesprächspartnern rechnen und würde damit zwangsläufig die Stimmung zerstören. Dabei sollten sich Ausländer nicht dadurch täuschen lassen, dass die Russen wie alle Menschen auf der Welt auf ihre Regierung schimpfen. Sie schimpfen aber nie über die wirklich heiklen Themen wie Kriege oder politischen Widerstand, sondern bestenfalls über die Preise, den Metrofahrplan oder ähnliche Belanglosigkeiten. Am Ende eines Restaurantbesuchs stehen vielfach gegenseitige Einladungen, mit denen taktvoll umzugehen ist (wahlweises Übernehmen einzelner Rechnungsbestandteile). Das übliche Trinkgeld für das Personal liegt bei 10 %.

Typische Souvenire aus Russland

Die beiden bekanntesten Souvenire sind die Matrjoschkas und die Fabergé-Eier. Die Matrjoschkas sind kleine, sehr schön bemalte Holzpuppen, sie sich ineinander stecken lassen, was ein Sinnbild für Fruchtbarkeit über Generationen ist (in jeder Puppe steckt das Potenzial für weitere Nachkommen). Die Fabergé-Eier sind Nachbildungen einer berühmten Serie von 52 Eiern, die der Künstler Peter Carl Fabergé zwischen 1885 und 1917 im Auftrag der russische Kaiserfamilie schuf. Hinzu kamen noch vier Auftrags- und sieben Kelcheier von Nachahmern. Die Eier werden heute in Museen der ganzen Welt ausgestellt. Ihre Nachbildungen gelten als ebenso typisches Souvenir wie die Matrjoschkas. Auch bemalte Holzgefäße sind ein beliebtes Mitbringsel aus Russland. Die bekannteste Maltechnik ist die Chochloma mit Blumenmustern, die ausschließlich rot oder schwarz auf einen goldenen Untergrund gemalt werden.

Russische Feiertage

  • 1. bis 5. Januar: Neujahrsfest
  • 7. Januar: Weihnachtsfest
  • 8. März: Frauentag
  • 9. Mai: Tag der Befreiung (Sieg im Zweiten Weltkrieg)
  • 12. Juni: seit 1990 Unabhängigkeit Russlands
  • 4. November: seit 1612 (Befreiung von Polen-Litauen) Tag der Einheit

Die Daten für Weihnachten und Neujahr resultieren daraus, dass die russisch-orthodoxe Kirche wenigstens für Feiertage noch am älteren julianischen Kalender festhält.

Russische Kultur

Die russische Kultur hat einige der größten Errungenschaften der kulturellen Weltgeschichte hervorgebracht, wenn wir an Puschkin, Tolstoi, Tschaikowski, das Bolschoi-Theater und weitere Protagonisten denken. Viele russische Interpreten (Instrumentalisten, Sänger*innen, Ballettänzer*innen) waren und sind Weltstars.

Die russische Volksmusik wirkt melancholisch, weil sie viele Molltonarten verwendet, doch Komponisten wie Tschaikowski, Rimski-Korsakow und Rachmaninow waren harmonische und melodische Revolutionäre. Die Russen lieben und verehren sehr ihre Künstler, an denen sich für den Ausländer jede Kritik verbietet, die meistens auch überflüssig ist. Überflüssig ist es auch zu erwähnen, dass sich diese kulturellen Errungenschaften durch keine Art der Diktatur oder Aggression, die immer wieder von russischem Boden ausging, beschädigen lässt.

Wir Deutschen können ein Lied davon singen: Wir haben Goethe, Schiller, Bach und Wagner, doch auch Hitler. Die Künstler können aber nichts für Diktatoren, die Jahrhunderte später auf den Plan treten und möglicherweise sogar die Kultur für ihre Zwecke missbrauchen. Eine kulturelle Aufgabe des 21. Jahrhunderts wird es sein, diesen Aspekt zu betonen und daher aktuell (März 2022) nicht die russische Kultur zu ächten.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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