Man spricht vom sogenannten „Golem-Effekt“, wenn eine Person die negativen Eigenschaften annimmt, die andere von ihr erwarten. Der „Golem-Effekt“ ist ein intrapersonelles Phänomen und eine Form der selbsterfüllenden Prophezeiung.
Woher kommt der Name des „Golem-Effekts“?
Der „Golem-Effekt“ hat seinen Namen aus der jüdischen Mythologie. In der jüdischen Mythologie wurde von Rabbi Löw aus Prag eine Figur erschaffen – der Golem – , die als Beschützer der Prager Jüdinnen und Juden fungieren sollte. Diese Figur wird in den Erzählungen Schritt für Schritt immer gewalttätiger und korrupter, bis sie schließlich vernichtet werden muss. 1982 benannten Inbar, Rosenthal und Babad das heute als „Golem-Effekt“ benannte Phänomen nach dieser Legende, da er „die Anliegen von Sozialwissenschaftlern und Pädagogen darstellt, die sich auf die negativen Auswirkungen sich selbst erfüllender Prophezeiungen konzentrieren“.
Beispiele für den „Golem-Effekt“
Der „Golem-Effekt“ ist ein häufiges Phänomen in Situationen, in denen Menschen einander unter- oder übergeordnet sind. Dazu gehören zum Beispiel Schulen, Universitäten oder das Berufsumfeld.
Im Bereich der Schule kann der „Golem-Effekt“ beispielsweise auftreten, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin gegenüber eines Schülers oder einer Schülerin die Meinung vertritt, dass dieser Schüler oder diese Schülerin dumm, unfähig oder faul ist und das auch direkt oder indirekt gegenüber der betroffenen Schülerin oder des betroffenen Schülers suggeriert. Begründet ist der Effekt darin, dass die Handlungen einer Person unbewusst durch die Meinung gegenüber einer anderen Person beeinflusst werden.
Hier würde der Schüler oder die Schülerin im Laufe der Zeit tatsächlich seine oder ihre Arbeit vernachlässigen und so die Erwartungshaltung des Lehrers oder der Lehrerin erfüllen. Die Leistungen werden also nur deshalb schlechter, weil es von dem Schüler oder der Schülerin erwartet wird und diese Erwartungshaltung beim Lehrer oder der Lehrerin unbewusst dafür sorgt, dass der Schüler oder die Schülerin weniger gut gefördert oder anders behandelt wird als andere.
Dasselbe gilt für das berufliche Umfeld. Erwartet ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin schlechte Leistungen, auch wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eigentlich keinen Anlass dafür gibt, ist es wahrscheinlich, dass sich seine oder ihre Leistungen tatsächlich verschlechtern. Vorgesetzten wird daher empfohlen, keine urteilenden Meinungen gegenüber Mitarbeitenden zu entwickeln. Außerdem sollten Vorgesetzte solche persönlichen Befindlichkeiten genau hinterfragen und mit anderen abgleichen, bevor sie sich gegenüber Mitarbeitenden dazu äußern, um dem „Golem Effekt“ vorzubeugen.
Funktioniert der „Golem-Effekt“ auch umgekehrt?
Ja. Man spricht dann allerdings nicht vom „Golem-Effekt“, sondern vom „Galatea-Effekt„. Hierbei verbessern sich die Leistungen von beispielsweise Schülern oder Schülerinnen oder Mitarbeitenden, wenn Lehrer oder Lehrerinnen beziehungsweise Vorgesetzte davon ausgehen, dass die betroffene Person gute Leistungen erbringt.
Sowohl der „Galatea-Effekt“ als auch der „Golem-Effekt“ sind Unterkategorien des des „Pygmalion-Effekts“. Der „Pygmalion-Effekt“ beschreibt allgemein das psychologische Phänomen, bei dem die angenommene Einschätzung einer Person sich auf ihre Leistung auswirkt und sich so selbst bestätigt. Der Effekt wurde im Rahmen eines Experiments von Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson nachgewiesen. Auch beim „Pygmalion-Effekt“ geht der Name auf eine mythologische Figur zurück.
Interessanterweise funktionieren die Effekte auch dann, wenn beispielsweise einem Lehrer von einer dritten Person glaubhaft suggeriert wird, ein Schüler oder eine Schülerin sei unfähig. Auch in diesem Fall wird die Leistung des Schülers oder der Schülerin leiden. Es gilt also immer darauf zu achten, wie man über andere Personen spricht, selbst wenn man nicht direkt mit ihnen zu tun hat.