Vermutlich haben die meisten von uns als Jugendliche schon einmal davon geträumt, Hauptdarsteller in einem Kinofilm oder einer TV-Serie zu sein. Mit zunehmendem im Alter verflüchtigen sich diese Fantasien und die Realität hält Einzug in den Alltag. Menschen mit Hauptdarstellersyndrom träumen nicht nur davon, die Hauptrolle in einem Film zu spielen, in ihren eigenen vier Wänden spielen sie tatsächlich diese Traumrolle. Sie verkleiden sich, filmen sich dabei, nehmen die unterschiedlichen Posen ein.
Das Hauptdarstellersyndrom wird durch die Möglichkeiten des Internets stark befeuert. Dabei sind sich die Darsteller durchaus bewusst, dass es sich um reine Fantasien handelt. Sie haben die Freiheit, die Rolle für sich alleine zu spielen oder sie mit einem größeren Publikum zu teilen. Dafür nutzen sie die sozialen Netzwerke. So spielt sich das Hauptdarstellersyndrom nicht nur in der Fantasie, sondern immer häufiger in der realen Welt ab.
Was ist das Hauptdarstellersyndrom? Bedeutung, Erklärung, Definition
Aufgrund der vorherrschenden Mechanismen bergen soziale Netzwerke die Gefahr von Internetsucht, denn sie fördern süchtig machende Verhaltensweisen. Beispielsweise befeuern sie den Wunsch nach Bestätigung und Aufmerksamkeit. Die erfolgreichsten Influenzer und Influenzerinnen sind Vorbilder, denen viele Millionen junge Menschen nacheifern. Sie sehen nicht nur fantastisch aus, sie verdienen auch sehr viel Geld. Um Ihnen ähnlich zu sein und ebenfalls ein Stück vom Ruhm und Erfolg abzubekommen, verbiegen sich die Fans und zeigen sich in einer Art und Weise, die keineswegs authentisch ist. Sie verstellen sich, sie spielen eine Rolle, die nichts mit ihrem realen Leben gemeinsam hat.
Schein und Wirklichkeit verschwimmen. Das Hauptdarstellersyndrom kann man als egozentrische, toxische Lebensweise bezeichnen, die schöne Situationen wie den Genuss von Kaffee in einem idyllischen Straßencafé überbewertet. Die Person, die am Hauptdarstellersyndrom leidet, versucht stets, aus einer solchen Situation eine beneidenswerte Situation zu machen, stellt sich und die Umgebung deutlich vorteilhafter, beneidenswerter dar, als sie tatsächlich sind.
Was ist das Problematische am Hauptdarstellersyndrom?
Die Hauptdarsteller-Problematik ist nicht zu verwechseln mit einem gesunden Selbstwertgefühl, bei dem man sich, beispielsweise nach einer bestandenen Prüfung, stolz und gut gelaunt präsentiert. Wer sich so verhält, macht vielmehr die Mitwirkenden an der Szenerie zu unbedeutenden Nebenfiguren, ist also egozentrisch und hebt das eigene Dasein über das der anderen. Menschen, die ihre Mitmenschen lediglich als Statisten in ihrem Leben betrachten, sind nicht bereit, mit ihnen authentische Beziehungen auf Augenhöhe zu führen oder etwas für sie zu tun.
Sie nehmen sich extrem wichtig und kreisen im Handel wie im Denken nur um sich selbst. Man könnte sie beinahe mit der Romanfigur Dorian Gray vergleichen, der in sein eigenes Spiegelbild verliebt ist. Sie sind stets damit beschäftigt, ihr positives Bild nach außen aufrechtzuerhalten und feilen mit viel Energie daran herum. Fürchten sie Kritik, so stoßen sie die betreffende Person sehr schnell aus ihrem Leben und möchte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Menschen mit Hauptdarstellersyndrom sind sehr intolerant und weder für Kritik noch für Ironie empfänglich.
Soziale Netzwerke – bester Nährboden für das Hauptdarstellersyndrom
Das Hauptdarstellersyndrom ist das zeitgemäße Resultat des menschlichen Bedürfnisses nach Anerkennung und wird durch Instagram und TikTok auf die Spitze getrieben. Das Konzept des sozialen Netzwerkes Instagram ist der ideale Nährboden für derartige Fantasien, denn sein ganzes Geschäftsmodell basiert auf der Selbstvermarktung seiner Nutzer. Auf TikTok ist das Hauptdarstellersyndrom als Main Charakter Syndrom bekannt. Hier wie auch in anderen Netzwerken sprechen Nutzer und Nutzerinnen zwar schnell davon, dass eine bestimmte Verhaltensweise ein Syndrom sei, das sogenannte Hauptdarstellersyndrom ist allerdings keines, denn es gibt keine medizinische Diagnose dazu.
Sich regelmäßig zum Hauptdarsteller zu machen, ist zwar eine problematische Verhaltensweise, aber keine psychische Erkrankung. Man kann es als psychologische Zeiterscheinung sehen, die anderen jedoch schaden kann. Zudem kann das Hauptdarstellersyndrom extreme Ausmaße annehmen und dann tatsächlich behandlungswürdig werden. Auf den Social-Media-Plattformen ist es besonders leicht, sein makelloses Bild nach außen zu verfestigen. Instagram & Co. sind Spielwiesen der perfektionierten Selbstdarstellung und öffnen der Lüge Tür und Tor. Die Plattform fördert egozentrische Charaktereigenschaften und ist, wie Kritiker meinen, auf dem besten Wege, eine ganze Generation von Narzissten heranzuziehen.