Was bedeutet „Factfulness“? Erklärung, Bedeutung, Definition

Was bedeutet Factfulness, Erklärung, Bedeutung, Definition


Factfulness ist eine Wortneuschöpfung, die eine faktenbasierte Weltsicht beschreibt. Anders formuliert: Factfulness bedeutet, dass man seine Meinung auf starken und eindeutigen Fakten aufbaut.

Bekanntheit erreichte der Begriff durch das gleichnamige Buch von Hans Rosling aus dem Jahr 2018. Rosling spricht darin von einer verzerrten Darstellung der Welt durch Medien, Meinungsführer und Politiker. Er stellt fest, dass Medienberichte häufig nicht mit den tatsächlichen Fakten übereinstimmen und appelliert an uns, nicht alle Informationen der Medien ungeprüft zu übernehmen.

Was bedeutet „Factfulness“? Erklärung, Bedeutung, Definition

Die Welt in zwei Hälften zu teilen ist einfach, aber auch für die seelische Gesundheit des Menschen enorm wichtig. Osten und Westen, reiche Länder und Entwicklungsländer, Islam und Christentum – Schubladen machen die komplizierte Welt etwas einfacher. (Siehe: Was ist schwarz-weiß-Denken?)

Für Rosling geschieht dies nicht in schlechter Absicht oder aufgrund schlechter Recherche. Es ein typisch menschliches Phänomen, Fakten zu verleugnen. Das menschliche Gehirn tendiert dazu, die Welt in zwei Pole zu zerlegen, in gebildet und ungebildet, männlich und weiblich, Arme und Reiche usw. Werden durchschnittliche Unterschiede gefunden, bauschen Medien diese gerne zu einer ganz großen Sache auf. Betrachtet man die Fakten genauer, stellt sich heraus, dass es sehr große Überschneidungen zwischen beiden Gruppen gibt, die Unterschiede zwischen den Mittelwerten für die meisten Menschen also bedeutungslos sind.

Doch das menschliche Gehirn fixiert sich bevorzugt auf die Unterschiede. Wir haben die Tendenz, Schreckensszenarien in den Vordergrund zu stellen. Für uns ist die Information, dass 8 % der Jugendlichen in Deutschland keinen Schulabschluss haben, viel spannender, als die Tatsache, dass 92 % einen besitzen. Genauso wird eine Arbeitslosenquote von 6 % deutlich spannender wahrgenommen als eine Quote von 94 % Beschäftigten – obwohl die Beschäftigtenzahl eigentlich überzeugen muss. Denn eine Gesellschaft wird nicht durch die Arbeitslosenzahl charakterisiert, sondern durch die überwiegende Zahl Beschäftigter, die zum Bruttosozialprodukt beitragen.

Ähnlich verhält es sich mit Zahlen über Bildung und sozialer Herkunft. Seit langem lassen Politik und Medien verlauten, dass die soziale Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet. Statistiken zufolge sind es aber nur zwischen 10 und 20 % der Unterschiede beim Bildungserfolg, die sich auf die soziale Herkunft zurückführen lassen. Auch die Intelligenz ist ein wesentlicher Faktor, scheint aber weniger interessant zu sein, weil sie keine Skandale erzeugen kann.

Factfulness: Skandalisierung von Bagatellen in den Medien

Der Mensch ist von Skandalen fasziniert und neigt zu schnellen Urteilen, ohne die Fakten zu berücksichtigen. Die Medien machen sich das zu Nutze, was sich auch bei Nachrichtensendungen zeigt. Zugunsten des Skandals lassen deren Redakteure häufig wesentliche Fakten unerwähnt. Wird beispielsweise über Terroranschläge berichtet, zeigt man die Opfer. Verschwiegen wird die Tatsache, dass die Zahl der Terroropfer in Deutschland seit Jahren zurückgeht. Oft hält man an Überzeugungen und Bildern fest, die vor Jahrzehnten galten, aber mittlerweile überholt sind.

Rosling behauptet in seinem Buch, dass man von den freien Medien keine faktenbasierte Weltsicht erwarten kann. Sie seien auch nicht die richtigen Quellen, um etwas über umwälzende kulturelle Veränderungen zu erfahren.

Um weiterhin alte Stereotype zu bedienen, nutzten westliche Medien häufig veraltete Quellen. Damit trügen sie nicht wirklich zu einem realistischen Bild anderer Länder bei. Hierfür nennt er zahlreiche Beispiele, unter anderem den Iran: In diesem Land geht die Zahl der Kinder pro Frau, seit es Statistiken darüber gibt, weltweit am schnellsten zurück. (Heute sind es statistisch 1,6 Kindern, 1984 waren es noch über 6 Kinder).

Obwohl der Iran häufig Thema in den freien Medien war, wurde über diesen Umstand nie berichtet. Stattdessen stellte man einen spekulativen Zusammenhang zwischen Kinderzahl und Religion her. Entscheidend für die veränderte Geburtenzahl im Iran sind aber Einkommen und Kindersterblichkeit. Fakten wurden verschwiegen und die Meldung so formuliert, dass man zwangsläufig falsche Schlüsse daraus zieht.

Factfulness: Faktenbasierter Journalismus darf keine Ängste schüren

Roslings Buch kann man als Appell verstehen, die Menschen hin zu mehr Factfulness zu bewegen. Er möchte uns dazu ermutigen, auch bei Meldungen, die zunächst sehr dramatisch erscheinen, nicht sofort in Panik zu verfallen.

Stattdessen sollen wir als Medienkonsumenten Fakten und Daten sammeln und uns genau über den Sachverhalt informieren. Denn die meisten Probleme, die in den Medien dargestellt werden, können nicht auf die Schnelle gelöst werden. Wie die Corona-Pandemie gezeigt hat, ist es selbst bei einer Epidemie besser, zunächst Daten zu sammeln und dann Entscheidungen zu treffen, die auf Fakten beruhen. Besonders wichtig ist das bei den aktuellen und künftigen Herausforderungen des Klimawandels.

Die alten Ängste sorgen nur dafür, dass wir im Nichtstun verhaftet bleiben.
Rosling rät zur Politik der kleinen Schritte. Die Geschichte zeigt, dass viele der so genannten Dritte-Welt-Länder schon aus der schlimmsten Armut herausgekommen und eine Stufe höher geklettert sind. Es sind die Menschen und nicht die Politiker, die für bessere Bildung, bessere Gesundheit und sauberes Trinkwasser kämpfen. Noch vor 150 Jahren war auch Deutschland ein armes Land voller Hungersnöte und Seuchen. Es gilt also, die Bevölkerung in den südlichen Teilen der Welt nicht als anonyme Arme zu sehen, sondern als Menschen, deren Leben dem unseren sehr ähnlich ist. Wir alle streben nach einem gesünderen und glücklicheren Leben.

Rosling möchte uns mit seinem Buch zeigen, dass die Welt reicher und bunter ist, als es uns die Medien weismachen möchten. Er appelliert an unseren Verstand und betont immer wieder, dass es sich lohnt, nicht jede reißerische Information ungeprüft zu übernehmen, sondern sie stets zu hinterfragen.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

Hallo, ich bin Autor und Macher von BedeutungOnline. Bei BedeutungOnline dreht sich alles um Worte und Sprache. Denn wie wir sprechen und worüber wir sprechen, formt wie wir die Welt sehen und was uns wichtig ist. Das darzustellen, begeistert mich und deswegen schreibe ich für dich Beiträge über ausgewählte Worte, die in der deutschen Sprache gesprochen werden. Seit 2004 arbeite ich als Journalist. Ich habe Psychologie und Philosophie mit Schwerpunkt Sprache und Bedeutung studiert. Ich arbeite fast täglich an BedeutungOnline und erstelle laufend für dich neue Beiträge. Mehr über BedeutungOnline.de und mich erfährst du hier.

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