Allgemein spricht man von anstandslosem Verhalten, wenn bestimmte Handlungen dem persönlichen, aktuellen oder gesellschaftlichen Bild widersprechen oder dieses verletzen. Eine Person hat somit keinen Anstand, wenn sie sich bewusst oder unbewusst abweichend verhält.
Zusätzlich müssen weitere Bedingungen erfüllt sein, damit ein Verhalten als „kein Anstand“ kategorisiert werden kann. Denn nicht alle Verhaltensweisen, die abweichen, gelten als anstandslos. Diesbezüglich muss die Handlung als negativ oder unhöflich aufgefasst werden. Somit muss die Aktion in einem negativen Kontext stehen.
Was ist Anstand? Erklärung, Bedeutung, Definition
„Anstand“ ist ein Begriff, der unter Einfluss zahlreicher Faktoren steht. Diesbezüglich spielen kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse eine substanzielle Rolle. Der Zeitgeist einer Gesellschaft entscheidet ebenfalls darüber, ob eine Verhaltensweise als anstandslos interpretiert wird. Des Weiteren gibt es politische Einflüsse, die darüber entscheiden, welche Verhaltensnormen als akzeptabel gelten. Vor allem in autoritären Regimen, wie Nordkorea, haben staatliche Institutionen einen enormen Einfluss auf den Verhaltenskodex. Aufgrund der vielen Deutungsmöglichkeiten ist es nur bedingt möglich, dem Wort eine universell gültige Definition zu verleihen. Im Wandel der Zeit kann es immer wieder zu Veränderungen kommen, in Hinblick auf Anstandsformen.
Es gibt anstandslose Verhaltensweisen, die offenkundig zutage treten. Dies ist der Fall, wenn jüngere Personenkreise in einem respektlosen Ton mit älteren Menschen sprechen. Konträr dazu gibt es verschiedene Milieus, in denen anstandsloses Verhalten weniger offensichtlich zum Tragen kommt. In konservativen Milieus, die wertebewusst sind, können bereits falsche Verhaltensweisen am Tisch als anstandslos gedeutet werden.
Was bedeutet es, wenn jemand keinen Anstand hat?
Die Gründe dafür, warum manche Menschen keinen Anstand haben, ihnen also gewisse Verhaltensformen ihnen fehlen, sind vielfältig.
Es kann sein, dass diese Menschen aus einer fremden Kultur kommen, wo eben andere Anstandsregeln gelten. Diese Menschen müssen die neuen Regeln erstlernen.
Es kann aber auch sein, dass anstandslose Menschen keine Erziehung genossen haben und somit dem Anstands-Umgangsformen gar nicht vertraut.
Es kann aber auch, dass anstandslose Menschen bewusst gegen Anstandsregeln verstoßen, weil sie z.B. provozieren wollen oder rebellieren.
Ein weiterer Grund für anstandsloses Verhalten kann sein, dass hier Menschen verschiedener Generationen aufeinandertreffen. Für ältere Menschen gelten andere Anstandsregeln als für jüngere. Somit können sich junge Menschen „anstandslos“ in den Augen älterer Menschen verhalten, auch wenn die jungen Menschen glauben, dass sie sich höflich verhalten und gut erzogen sind. Manche Anstandsregeln kommen aus der Zeit, manche verschwinden und manche entstehen neu.
Anstand und Höflichkeit: Kulturelle Einflüsse auf Verhaltensdeutungen
In jedem Kulturkreis gibt es unterschiedliche Auffassungen. Auch in der westlichen Hemisphäre gibt es teilweise gravierende Unterschiede, wenn es um die Interpretation von Anstand geht. Damit einhergehend gibt es selbstverständlich erhebliche Unterschiede zwischen den Kontinenten.
Es ist in Japan etwa unhöflich, anderen Menschen Trinkgeld zu geben. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Bereich man eine Dienstleistung beansprucht. Auch im Restaurant ist es unangebracht, ein Trinkgeld zu geben. Denn im japanischen Kulturkreis wird dies äußerst negativ aufgefasst. Es impliziert – laut japanischem Verständnis – dass die Mitarbeiter auf zusätzliche Geldspenden angewiesen sind. Im Gegensatz dazu ist es in den USA wichtig, Trinkgeld zu geben – auch bei schlechtem Service. Grundsätzlich ist ein Trinkgeld von ca. 20 % des Kaufpreises die Regel.
Abseits davon gibt es weitere Differenzen, die in Abhängigkeit zur jeweiligen Kultur stehen. In asiatischen Ländern hat das Lachen oder Lächeln eine spezielle Bedeutung. Somit unterliegt auch die nonverbale Kommunikation den Einflüssen der Kultur, was zu erheblichen Missverständnissen führen kann. Diesbezüglich ist es in asiatischen Kulturkreisen üblich, zu lächeln – auch bei negativen Situationen. Somit kann es passieren, dass asiatische Menschen Ihre Anteilnahme bei einer Beerdigung mit einem Lächeln kundtun. Auch in anderen Krisensituationen kann es passieren, dass asiatische Menschen lächeln. Folglich hat das Lächeln in der asiatischen Kultur eine gänzlich andere Bedeutung als in der westlichen Hemisphäre.
Anstand in Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Zeitgeist
Verschiedene Zeitepochen gehen mit einschlägigen Änderungen einher. Dies hat ebenfalls Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Verhaltensweisen. In der jüngsten Vergangenheit galt es als verpönt, wenn Frauen beruflich aufsteigen wollten. Es galten starre gesellschaftliche Normen, die unter anderem das Familiensystem betroffen haben. Damit einhergehend war es normal, dass der Mann als Alleinverdiener die Familie versorgt hat. Die Aufgabe der Frau war es, sich um den Haushalt und um die Kindererziehung zu kümmern. Vor ca. 50 Jahren war es Frauen nicht möglich, ein eigenes Konto zu eröffnen. Erst im Jahre 1962 durften die ersten Frauen ein Konto eröffnen.
In der modernen Gesellschaft herrscht ein anderer Zeitgeist. Es ist weder anstandslos noch anstößig, wenn Frauen Karriere machen. Individualität und Freiheit stehen im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Im 21. Jahrhundert gibt es nahezu keine Beeinträchtigungen mehr, je nach Region und Land. Ein weiteres Negativbeispiel aus der Vergangenheit ist das Rauchverhalten. Während das Rauchen in der Vergangenheit gesellschaftlich akzeptiert war, sieht das Ganze heute anders aus. Im 20. Jahrhundert hatte die Zigarettenmarke „Camel“ seine Produkte mit einem Arzt beworben. Denn auf der Verpackung war ein Arzt abgebildet. Zu dieser Zeit war es erlaubt, in geschlossenen Räumen zu rauchen. Konträr dazu ist es im 21. Jahrhundert absolut unhöflich, in der Nähe von anderen Menschen zu rauchen.
Ein weiteres, einschlägiges Beispiel ist der Drogenkonsum. Das Wort „Heroin“ leitet sich vom Begriff „heroisch“ ab. Es war im 20. Jahrhundert das Wundermittel schlechthin. Denn der Bayer-Konzern hat die Wirkung als heroisch empfunden, weshalb das Mittel den Namen „Heroin“ bekommen hat. Für viele Jahre war Heroin keine Droge, sondern ein Heilmittel – so wurde es zumindest von Bayer vermarktet. Erst im Verlauf der Jahre, als die negativen Folgen zutage getreten sind, kam es zum Verbot. Heroin wurde in zahlreiche Länder verkauft, bevor es als tödliche Droge wahrgenommen wurde. Heute würde der Konsum nicht nur als anstandslos gelten. Es würde auch einen Strafbestand darstellen.
Letztlich leistet die Wissenschaft einen wichtigen Beitrag. Damit einhergehend haben wissenschaftliche Erkenntnisse einen Einfluss auf gesellschaftliche Normvorstellungen. Die Cannabispflanze gewinnt etwa zunehmend an Bedeutung, obwohl Cannabisprodukte in der Vergangenheit weniger akzeptiert waren. Der Konsum wurde mit einem prekären sozialen Hintergrund in Zusammenhang gebracht. Hier spielt das Klischeedenken eine Rolle. Gleichzeitig hat die Wissenschaft hervorgebracht, dass Cannabisprodukte positive Wirkeigenschaften haben, sodass selbst die Medizin Cannabisprodukte nutzt. THC-freie Produkte, wie CBD-Öle, gewinnen zunehmend an Beliebtheit. Die Toleranz gegenüber Cannabiserzeugnissen ist somit in der Vergangenheit gestiegen.
Fazit: Was ist Anstandslosigkeit?
Aufgrund der vielen Faktoren, die sich beeinflussen, ist es nicht möglich, das Wort abschließend zu definieren. Es kann in Zukunft zu weiteren Veränderungen kommen. Sowohl das gesellschaftliche als auch das politische Leben unterliegen einem stetigen Wandel. Zusätzlich hat die Digitalisierung einen enormen Einfluss auf die Entwicklungen. Das Leben findet vermehrt in der digitalen Welt statt, die sich global vernetzt. Somit ist auch die Toleranz für technische Geräte gestiegen und wird sich auch in Zukunft weiter verbessern.
Anstand bzw. Anstandslosigkeit hat letztlich viele Gesichter. Es ist wichtig, möglichst alle Faktoren einzubeziehen, wenn man sich eingehender mit der Thematik befassen möchte. Auf diese Weise lassen sich Fehldeutungen und Missverständnisse ausschließen. Es ist wichtig, den Blick für das Große und Ganze zu behalten.