Ein in der deutschen Sprache äußerst geläufiger Ausdruck ist jener von den „Geheimratsecken“. Damit bezeichnet man den Haarausfall am Haaransatz an den Schläfen eines Mannes. Doch wieso ist dieses Phänomen ausgerechnet nach einem „Geheimrat“ benannt, wo es doch auf keine bestimmte Berufsgruppe begrenzt ist, sondern bei jedem Mann mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten kann?
Warum heißen Geheimratsecken „Geheimratsecken“? Erklärung, Bedeutung
Die Antwort darauf ist, dass ein „Geheimrat“ ab dem 16. Jahrhundert ein Vertrauter und Ratgeber eines Fürsten war, vergleichbar mit einem heutigen Minister. Ein solcher Geheimrat hatte meist viel Lebenserfahrung und stand weit in der zweiten Hälfte seines Lebens. Dementsprechend häufig war bei diesen der erwähnte Haarausfall an den Schläfen schon festzustellen, wenn nicht sogar mehr Haarausfall. Natürlich traf das nicht auf alle von ihnen zu, aber eben doch auf einen großen Teil. Deshalb taufte man diese verbreitete Form von Haarausfall an den Schläfen nach dem Titel des „Geheimrats“.
Ein solcher Titel als Geheimrat war mit viel Ehre verbunden, wurde aber in der Regel eben auch nur an ältere Männer vergeben. Wobei „älter“ in jener Zeit schon ab etwa 40 Jahren meinte, die Lebenserwartung war schließlich deutlich niedriger als heutzutage. Die beginnende Glatzenbildung wurde dabei zu einem Zeichen für Altersweisheit, weshalb man einem Geheimrat eben auch viel Wissen und kluge Ratschläge zuschrieb. Wie man in jener Zeit diesen beginnenden Haarausfall ansonsten wertete, ist nicht bekannt. Klagen über Geheimratsecken sind von den Betroffenen jedenfalls nicht überliefert, eher ist anzunehmen, dass man sie als Zeichen von Lebenserfahrung und somit positiv deutete.
Die Schweiz und Österreich nennen es anders: Hofratsecken
In anderen deutschsprachigen Ländern existieren übrigens ähnliche, aber nicht identische Bezeichnungen für das Phänomen des Haarausfalls an den Schläfen. In Österreich nennt man Geheimratsecken demgemäß auch „Hofratsecken“. Anders als ein Geheimrat existiert die Funktion eines Hofrats auch im heutigen Österreich noch. In der Schweiz gibt es gleich zwei vergleichbare Ausdrücke. Das sind zum einen die „Ratsherrenecken“, zum anderen spricht man auch vom „Ministerwinkel“, wenn ein Mann Haarausfall an den Schläfen aufweist. Eine weitere, weniger gebräuchliche und deutlich scherzhafter gemeinte Bezeichnung ist die vom „Ehestandswinkel“.
Keine Hilfe gegen Geheimratsecken bekannt
Wer Geheimratsecken bekommt, sollte sich Sorgen machen, ob er sich auf dem Weg zu einer späteren Glatze befindet. Das muss nicht so kommen, erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür dennoch enorm. Manche Männer bekommen allerdings schon in frühen Jahren, teilweise kurz nach der Pubertät diese Geheimratsecken, ohne dass sie später kompletten Haarausfall bis hin zu einer Vollglatze erleiden. Abhilfe gegen Geheimratsecken gibt es übrigens praktisch keine.
Einzig eine Haarwurzelverpflanzung wäre denkbar, ist aber teuer und ziemlich unüblich. Zudem wird sie nicht von den Krankenkassen bezahlt, da man Haarverlust bei Männern als rein optische Problem betrachtet, nicht aber als ein medizinisches oder auch sonst das Leben beeinträchtigendes. Zumal Geheimratsecken bei Männern gemeinhin nicht als Schönheitsfehler empfunden werde, sondern als natürliches Phänomen. Erst, wenn das Haar noch lichter wird, gesteht man den betroffenen Männern zu, dies als unangenehm empfinden zu dürfen – und dennoch werden teure Gegenmaßnahmen auch dann nicht von den Krankenkassen übernommen.
Glatze als rein männliches Phänomen
Medizinisch hat das Phänomen natürlich einen völlig anderen Namen. Dort heißt es Calvities frontalis – und hat in dieser Bedeutung überhaupt nichts mit einem Geheimrat oder sonst irgendeinem Beruf zu tun. Machtlos ist man gegen das Aufkommen von Geheimratsecken aus einem ganz einfachen Grund. Verantwortlich für den Haarausfall ist nämlich eine genetische Prädisposition, die bewirkt, dass der Körper Testosteron in größeren Mengen in DHT umwandelt. Dieses wiederum führt zur hohen Stirn und zur Kahlheit der Schläfen. Wie die Geheimratsecken betrifft auch dieser Vorgang, der am Ende zur Glatze führt, ausschließlich Männer.
Zwar kommt auch bei Frauen in hohem Alter lichteres Haar vor, dies hat aber sowohl andere Ursachen als auch seltenst ähnliche Ausmaße wie bei Männer. Weshalb eben nur diese Geheimratsecken tragen. Vererben aber kann einem Menschen die Neigung zu Geheimratsecken und Glatzenbildung aber durchaus auch die eigene Mutter. Wer einen Vater mit auch in höherem Alter vollem Haar hat, ist deshalb keineswegs zwangsläufig dagegen gefeit, eines Tages Geheimratsecken oder noch mehr Haarausfall zu bekommen.