Werden einzelne Personen oder Gruppen durch andere Menschen gezielt ausgeschlossen, spricht man von Ostracismus. Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und wird in der Psychologie verwendet. Er wird mit Ächtung übersetzt.
Herkunft des Begriffes „Ostracismus“
Im Athen der Antike war es üblich, zu mächtige Bürger von politischen Entscheidungen fernzuhalten oder sie aus dem politischen Leben der Stadt zu entfernen, indem man das Scherbengericht einberief. Das Wort leitet sich von Ostracon (Tonscherbe) ab, die als Stimmzettel diente. Wer eine bestimmte Anzahl Scherben erhalten hatte, wurde verbannt und hatte fortan keine Stimme mehr.
Ausgrenzung anderer findet in jeder Gesellschaft, in jeder Population und Altersgruppe statt. Selbst bei Naturvölkern ist das Verhalten zu finden. Ostracismus kommt in der Regel bei Gruppen mit starkem Gemeinschaftsgefühl und hoher Verbundenheit vor. Das psychologische Phänomen dient dazu, die Zusammengehörigkeit der Gruppe zu stärken, Feinde abzuhalten und die eigene Effizienz zu steigern.
Ostracismus: psychischen Folgen der Ausgrenzung
Wer Ostracismus erlebt, befindet sich in einem psychologisch schwierigen Zustand und in Gefahr, zu vereinsamen. Ostracismus ist eine schwere Form der Zurückweisung und kann, anders als eine verbale Zurückweisung oder eine körperliche Auseinandersetzung, gravierende psychische Folgen haben. Denn der Betreffende weiß nicht, aus welchem Grund ihm die Beachtung entzogen wurde. Er muss also mit der Uneindeutigkeit umgehen. Die soziale Zurückweisung ist ein Erkrankungsrisiko von erheblichen Ausmaß und wurde bisher in der Medizin nur wenig beachtet. Besonders betroffen sind Menschen mit schwachen Bindungsmustern. Sie reagieren äußerst empfindlich auf die Zurückweisung.
Wie findet Ostracismus statt
Die soziale Ausgrenzung geschieht auch verschiedene Arten: Andere vermeiden zum Beispiel den Blickkontakt, geben keine Antworten auf Fragen oder behandeln die Person einfach wie Luft. Die Erfahrung schwächt das Selbstwertgefühl.
Die psychische Gesundheit eines Menschen hängt wesentlich davon ab, ob er von anderen Personen seiner sozialen Gruppe wahrgenommen wird und wie er mit ihnen kommuniziert. Sobald die unangepasste Person aus der Gruppe ausgeschlossen wird, fühlen sich die anderen wieder stärker zugehörig und können effizienter agieren, Der Ausgeschlossene aber wird eines fundamentalen menschlichen Bedürfnisses beraubt. Denn die psychische Gesundheit von Menschen hängt stark von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ab.
Ostracismus wirkt sich auch auf die emotionalen Fähigkeiten aus. Die Konsequenzen können so schlimm sein wie seelische Folter und lassen den Betreffenden in großer Schutzlosigkeit zurück. Die Mmacht ihn zum leichten Opfer für Feinde.
Kann man Ostracismus messen?
Eine Messmethode wurde vom amerikanischen Psychologen Kippling D. Williams nach eigener Ausgrenzungserfahrung entwickelt. Die Idee dahinter nennt sich Cyberball.
Bei einem Parkbesuch wurde er am Rücken von einer Frisbee-Scheibe getroffen und spielte sie zu den Männern zurück, die sie geworfen hatten. Sie spielten ihm die Frisbee-Scheibe wieder zu und machten Williams damit zum Mitspieler. Doch nach kurzer Zeit spielten sie nur noch untereinander und beachteten ihn nicht mehr. Das negative Erlebnis des Ausgestoßenwerdens machte Williams sehr niedergeschlagen und wütend zugleich. In der Folge programmierte Williams das Spiel Cyberball (2000), um mehr über das Phänomen der Ausgrenzung zu erfahren.
Beim Spiel Cyberball wird eine Versuchsperson im Glauben gelassen, mittels Experiment das mentale Vorstellungsvermögen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit (bei Erfüllung einer Aufgabe) zu untersuchen.
Die Versuchsperson sollte mit zwei anderen Personen im Internet so realistisch wie möglich Ball spielen. Die Gegner waren jedoch keine echten Menschen, sondern wurden vom Computer gesteuert. Bis zur Hälfte lief das Spiel ohne Störung ab. Doch dann geschah genau das Gleiche, was Williams auch bei seiner Frisbee-Erfahrung im Park erlebt hatte:
Die Versuchsperson bekam keinen Ball mehr zugeworfen und wurde behandelt, als gäbe es sie nicht. Nach ein paar Minuten unterbrach Williams das Spiel und fragte die Versuchsperson nach ihren Gefühlen. Die Reaktion war mit seiner identisch: Sie fühlte sich traurig und zugleich wütend. Williams definierte die Reaktion aus Wut und Trauer als eine Art Frühwarnsystem, das dem Betreffenden signalisiert, dass er in größter Gefahr schwebt.
Die Gefühle setzen bereits beim Erkennen der Situation ein. So ist es der Person noch möglich, zu reagieren, etwa, indem sie ihr Verhalten ändert und sich eventuell einer anderen Gruppe anschließt. Das Frühwarnsystem hat also die Funktion, die Situation zu reflektieren. So kann die ausgeschlossene Person auch erkennen, ob es sich womöglich nur um ein Missverständnis handelt.
Was macht Ostracismus so gefährlich?
Ein wesentliches Merkmal des Ostracismus ist die fehlende Erklärung für das Verhalten, Dadurch besteht die Gefahr, dass sich der Ausgeschlossene selbst Verhaltensweisen zuschreibt, die gar nicht auf ihn zutreffen. Das schwächt sein Selbstwertgefühl erheblich. Er befindet sich sogar in einer Situation des Kontrollverlustes. Da er ignoriert wird, kann er sich nicht gegen die ausgrenzenden Personen wehren. Er fühlt sich, als sei er unsichtbar. Die ganze Existenz der betroffenen Person kann bedroht sein. Sie zeigt negative Emotionen wie Angst und Traurigkeit, doch die positiven Affekte nehmen deutlich ab.
Ausgeschlossen werden verändert Menschen
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Kontrolle und möchte ein sinnvolles, für andere Menschen bedeutsames Leben leben. Um die Kontrolle wieder zurückzuerlangen, reagieren betroffene Menschen nicht selten aggressiv und unsozial. Besonders ausgeprägt ist die Aggression bei Menschen, die Ostritcismus sehr lange aushalten mussten. Da ihre Grundbedürfnisse bedroht sind, werden sie immer verzweifelter und hilfloser, zeigen große Ängste und schlechte Leistungen. Am Ende dieser Phase erleben sie die völlige Resignation.