Genau übersetzt bedeutet „Digital Immigrant“ auf deutsch „digitaler Einwanderer“. Damit werden Personen beschrieben, die nicht mit modernen digitalen Technologien (Internet, Heimcomputer, Smartphones) aufgewachsen sind. Sie erlernten also erst im Erwachsenen Alter den Umgang mit dieser Technik, während sie ihre Kindheit weitgehend analog verbrachten.
Der Begriff „Digital Immigrant“ ist das Gegenteil von „Digital Natives“. „Digital Natives“ bezeichnet jene Menschen, die mit dem Internet und modernen Technologien aufwuchsen. Sie sind im direkten Sinne des Begriff „Digitale Eingeborene“.
Was sind Digital Immigrants? Bedeutung, Definition, Erklärung
Mit der digitalen Revolution ist ein tief greifender Wandel in vielen Lebensbereichen verbunden, welcher etwa der industriellen Revolution entspricht. Sie greift nicht nur in die Wirtschaft und die Arbeitswelt ein, sondern revolutioniert auch das Privatleben und den gesellschaftlichen Dialog.
Die Veränderungen in der Berufswelt erfordern Fertigkeiten, welche in der Jugend von Menschen, die vor 1980 geboren wurden, früher keine Rolle spielten. Hoch qualifizierte Fachkräfte müssen nicht nur neue Geräte kennenlernen, sondern sehen sich völlig neuen Verfahren gegenüber. Ähnliches lässt sich in der Freizeit beobachten, in der sich der Umgang mit Medien grundlegend änderte. Soziale Medien bieten nicht nur einen schnellen Zugang zu Informationen, sondern entwickelten teilweise eine völlig neue Sprache. Auch die Teilhabe an der Gesellschaft ist für Nutzer digitaler Kanäle viel einfacher.
Menschen, die nicht mit diesen Technologien aufwuchsen, müssen den Umgang damit aus eigenem Antrieb neu erlernen. Durch das Erlernen der Benutzung neuer Technologien entgehen sie der Gefahr sozialer Isolation. Außerdem sichern sie so ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt gegen Digital Natives, dem Gegenstück zu den digitalen Immigranten. Die Ankunft in der digitalen Welt ist ein Prozess, der mit dem Erlernen von Geräten beginnt. Am Ende steht die selbstverständliche Nutzung der neuen Möglichkeiten.
Bedeutung: Digital Natives und Digital Immigrants
Die Begriffe des Digital Natives und Immigrants prägte der US-amerikanische Autor und Lehrer Marc Prensky. Er versuchte die Frage zu beantworten, wie moderne Bildungsformen in digitalen Zeiten aussehen. Er schrieb dazu mehrere Bücher und Aufsätze. Dabei erkannte er in einer Arbeit im Jahr 2001, dass sich die neue Schülergeneration von vorhergehenden deutlich unterscheidet. Es ging nicht mehr um Kleidung, Körperschmuck oder eine bestimmte Popkultur.
Zur Jahrtausendwende sahen sich Lehrer erstmals mit Schülern konfrontiert, für welche die Nutzung von modernen Technologien als selbstverständlich ansahen. Sie nutzten Computer, spielten Videospiele, nutzen digitale Musikabspielgeräte und Handys. Prensky kam zum Schluss, dass ein Hochschulabsolvent im Jahr 2001 doppelt so viel Zeit mit Videospielen als mit Lesen verbrachte. Das Internet, E-Mails und Messanger-Dienste gehörten als Selbstverständlichkeit zu seinem Leben. Er sah in den Schülern „Muttersprachler“der digitalen Sprache.
Der Rest, welcher nicht in diese Welt hineingeboren wurden, ließ sich zu einem späteren Zeitpunkt im Leben von der Technik faszinieren. Die Älteren entdeckten die neuen Möglichkeiten und adaptierten das Verhalten der jungen Generation. Für Marc Prensky verhalten sie sich dabei wie Einwanderer, die versuchen, sich an die neue Umgebung anzupassen. Egal, wie gut ihnen dies gelingt, werden sie immer einen gewissen Akzent behalten, der an ihre Herkunft erinnert.
So ist es auch bei den digitalen Immigranten. Es ist nicht das Problem, ein Programm zu erlernen, meint Prensky. Allerdings wird aufgrund anderer Erfahrungen das Gelernte wie eine Fremdsprache angewandt. Deshalb sieht Prensky die ältere Generation als Migranten.
Was sind die „Digital Natives“? Bedeutung, Erklärung, Definition
Menschen die nach 1980 auf die Welt kamen, waren die erste Generation, die von Geburt an mit moderner Technik aufwuchs. Dies stellten John Palfrey und Urs Gasser im Buch „Born Digital“ 2008 fest. Andere Autoren sehen das Jahr 1990 als den Zeitpunkt, ab dem Kinder im digitalen Zeitalter geboren wurden. Für sie waren von Anfang an E-Mails, Internet und Handy selbstverständliche Bestandteile ihres Lebens. Durch die Verwendung änderte sich auch die Form der Informationsverarbeitung. Natives empfangen und verarbeiten Informationen schnell. Sie schauen lieber auf eine Grafik, statt sich einen langen Text durchzulesen. Vernetzung ist für sie ebenso wichtig wie die Belohnung für ihr Tun in der Community.
Allerdings hat dieses Verhalten auch Schattenseiten. Eine Studie an der Stanford University beschäftigte sich in den Jahren 2015/16 mit der Reizüberflutung von Schülern durch Smartphones, Tablets und Computer. Dazu wurden Schülern aus unterschiedlichen sozialen Schichten Aufgaben gestellt. Die Auswertung der Antworten ergab, dass gutes technisches Verständnis nicht unbedingt inhaltliche Kompetenz bedeutet. Die Mehrheit der Schüler konnte Informationen nicht auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen.
Defizite bei Natives und Immigrants
In Jahr 2018 stellte eine Studie der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), den Begriff „Digital Natives“ infrage. Die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) kommt zum Schluss, dass die Bereitstellung von moderner Kommunikationstechnik bei Schülern und Lehrern nicht automatisch zu digitaler Kompetenz führt. Dabei zeigten Schüler und Lehrer Defizite.
Die Schüler bewiesen wenig Kompetenz bei der effektiven Verwendung von Computern. Lehrer benötigen fachliche Beratung, wie sie IT sinnvoll in den Unterricht einbinden. Die Studie zeigte immerhin, dass fast drei Viertel der Schüler mit softwarebezogenen Ressourcen für das Lernen umgehen konnten, was die Initiatoren der Studie positiv werteten.
Interessant war, dass bei der Untersuchung in 14 Ländern zwischen den Nationen bei der digitalen Kompetenz kaum Unterschiede festzustellen waren. Dafür stellten die Wissenschaftler in sozioökonomischer Hinsicht große Unterschiede fest. Dabei wiesen Schüler mit mindestens einem akademisch gebildeten Elternteil eine deutlich höhere Kompetenz auf, als Schüler, deren Eltern keinen Abschluss hatten. Das erschreckendste Ergebnis war aber der unkritische Umgang mit Informationen aus dem Internet. Nur zwei Prozent der Schüler war dazu in der Lage, Informationen zu hinterfragen.
Sollen sich die Immigrants an die Natives anpassen?
Marc Prensky sieht die Nutzung der modernen Technologien durch Digital Natives positiv. Er lobt den schnellen Informationsabruf, ja sogar die bevorzugte Nutzung von Grafiken als Träger einer Information. Die Generation sei multitaskingfähig und arbeitet parallel. Die Studie oben zeigt aber eben auch, welche Nachteile dies haben kann. Vielleicht ist da die Herangehensweise der Digital Immigrants doch weniger zu kritisieren als es Prensky tut. Die „Eingewanderten“ sind ihm zu langsam, individuell und zu ernsthaft.
Deshalb sollten die Bildungssysteme den Natives angepasst werden. Eine Sichtweise, die viele Kritiker auf den Plan ruft. Rolf Schumacher, Professor für Pädagogik an der Universität Hamburg, kritisiert die Definition des Begriffes Digital Natives. Auch Medienwissenschaftler sehen die Einteilung skeptisch, weil nicht selten auch Digital Immigrants mit neuen Medien umgehen, als seien sie damit aufgewachsen. Andererseits gibt es auch in der jungen Generation Menschen, die lieber auf traditionelle Medien zurückgreifen. Demnach müssten die Begriffe über den Medienumgang und nicht über das Alter definiert werden. Der Schweizer Dozent für digitale Bildung Phillipe Wampfler fordert, diese Begriffe nicht zu nutzen. Sie zementierten Vorurteile, die wissenschaftlich nicht nachweisbar wären.