Digital Fashion ist virtuelle Mode. Sie entsteht durch Design-Software wie VStitcher. Die ursprüngliche Idee hinter den Programmen für digital Clothes (Kleider) war, die Kosten für teure physische Entwürfe zu sparen. Am PC sind diese deutlich preiswerter auszuprobieren, weil kein Stoff und keine Schneiderei nötig sind.
Was ist Digital Fashion / Digital Clothes? Bedeutung, Definition, Erklärung
In der Tat. Die einzelnen Schnittteile wirken wie echt, sie spiegeln das Licht wie Seide, Polyester oder Baumwolle. Wie die echten Stoffe liegen sie auch auf dem virtuellen Körper auf, sie falten und dehnen sich bei Bewegungen. Damit erhält die Mode die Chance, die analoge Welt zu verlassen. Das schont nicht nur Ressourcen, sondern verhilft uns auch zu einem neuen modischen Selbstbild, weil wir viel schneller viel mehr ausprobieren können. Das lästige Umziehen entfällt schließlich ebenfalls. Wir können als virtuelle/r Träger/in einen Avatar verwenden, der exakt unseren Körpermaßen entspricht.
Digital Fashion: Woher kommt der Trend? Ursprung
Zunächst einmal gibt es die digitale Mode, weil sie technisch zu realisieren ist und weil sie wie jede gelungene technische Innovation Komfortvorteile bringt. Doch das ist es nicht allein. Mode ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Gesellschaftliche Umbrüche bringen neue Moden hervor.
Die Jakobiner verdrängten nach der französischen Revolution im ausgehenden 18. Jahrhundert mit ihrer schlichten Mode den Pomp des vorherigen Ancien Régimes mit seinen gepuderten Perücken und Roben. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte zur Mode des Wirtschaftsaufschwungs der Petticoat, die ’68er Revolte führte zum Parka als Mainstream-Fashion.
Seit 2020 haben wir durch die Coronapandemie einen neuen gesellschaftlichen Umbruch, der im Fashionbereich vor allem bedeutet, dass wir nicht mehr unbefangen und jederzeit die Geschäfte aufsuchen und dort die Kleidungsstücke ausprobieren können – ganz einfach weil die Geschäfte manchmal monatelang während eines Lockdowns geschlossen bleiben. Andauernd online Mode bestellen, sie daheim anprobieren und nicht passende Teile zurückschicken ist auf Dauer auch ganz schön anstrengend. Digital Fashion bietet hierbei also einen Ausweg über ihre Animationstechnik.
Die Modeschöpfer wiederum mussten sich ebenfalls den Bedingungen der Coronapandemie anpassen. Die großen Shows auf dem Laufsteg mussten schließlich reihenweise abgesagt werden. Also stellten die Kreativen digitale Mode im Netz aus. Für die Bewerbung der eigenen Kollektion entwickelte beispielsweise Balenciaga im Oktober 2020 sogar ein eigenes Videospiel. In diesem liefen virtuelle Protagonisten zu Synthesizersound der 1980er-Jahre in ultramoderner Fashion durch eine postapokalyptische virtuelle Welt.
Einige Modewochen wurden aus Berlin, Paris und Mailand zwar ohne Publikum durchgeführt und dann live gestreamt, doch die Fashion Week in Helsinki wurde gleich in ein Computerspiel transformiert. Dabei konnten sich die Besucher mit Avataren durch Fantasiewelten bewegen, dort die Fashion besichtigen und sogar Gespräche mit den Designern führen.
Welche Chancen hat digital Fashion?
Der Trend ist noch jung. Er bietet bislang zwar spannende Alternativen, doch größtenteils zeigt er nur auf digitalem Weg diejenige Mode, die am Ende physisch gekauft werden soll. Das wäre also mit Produktbildern in Onlineshops von allen möglichen Dingen vergleichbar, die wir dort einkaufen.
Eine echte Revolution jedoch entsteht in dem Moment, in welchem digital Fashion tatsächlich nur digital existiert. Diesen Weg geht unter anderem das Label The Fabricant. Es produziert Fashion, die ausschließlich digital und ohne physische Entsprechung existiert. Die Mode lässt sich kaufen, doch die Besitzer verfügen anschließend nur über einen Datensatz auf dem Rechner. Dabei konnte das Label sogar schon sein virtuelles Kleid „Iridescence“ (deutsch: Schillern) für 9.500 Dollar verkaufen. Das war bereits 2019. Die Käuferin besitzt nun einen rein virtuellen, transparenten, reflektierenden, Poncho-ähnlichen Überwurf aus Bytes und Pixeln. In diesen konnte die Besitzerin ein Bild von sich selbst einfügen. Warum auch nicht?
Wie viele Galakleider tragen Frauen nur einmal, um anschließend die Fotos mit sich darin einrahmen zu lassen und in der heimischen Galerie aufzuhängen? Hierfür bedarf es keines echten Stoffes und des Aufwands einer Schneiderei. The Fabricant will mit seinem Angebot auch auf den Umweltgedanken verweisen, denn die Produktion physischer Kleidung kostet viel Wasser, verlangt den Einsatz von Chemikalien und verursacht Transport-, Reinigungs- und Entsorgungsaufwand.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Am Computer können sich die Designer nach Herzenslust austoben, denn digital Clothes kennen keine physischen Grenzen etwa durch die Belastbarkeit von Stoffen. Sie können auch in Farben leuchten, die es so in der Natur nicht gibt oder die nur sehr aufwendig physisch herzustellen wären. Daher könnte sich digital Fashion allmählich vom Kunstprojekt zu einer realen Variante für Fashionistas entwickeln, die vor allem eines möchten: so viel wie möglich ausprobieren und dabei die Grenzen der Fantasie immer weiter verschieben.