Was bedeutet „rudimentär“? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was bedeutet rudimentär, Bedeutung, Definition, Erklärung


Das Adjektiv rudimentär ist ein Synonym für unvollkommen, unzureichend, unausgebildet oder verkümmert. In der Biologie wird es oft verwendet, im allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnet es beispielsweise unvollkommen ausgebildete oder früher einmal vorhandene, aber inzwischen zurückgebildete Fähigkeiten.

Wortherkunft: Wo kommt „rudimentär“ her?

Das Wort leitet sich vom französischen rudimentaire ab, das dieselbe Bedeutung hat. Im Lateinischen bedeutet rudimentum so viel wie erster Versuch, Anfang oder Probestück, der Wortstamm lässt sich auf rudis für roh zurückführen.

Verwendung des Wortes „rudimentär“ außerhalb der Biologie

Mit rudimentär wird im übertragenen Sinne ein Verhalten bezeichnet, welches nicht dem Entwicklungsstand der betreffenden Person entspricht. Es ist somit eingeschränkt. Auch soziale Normen können bei manchen Menschen nur rudimentär vorhanden sein, so etwa ein gutes Benehmen, das sie einst erlernt und dann fast völlig vergessen haben. Rudimentäres Wissen ist durch lückenhafte oder zusammenhanglose Informationen gekennzeichnet, weil die Person entweder zu viel davon vergessen hat oder das Wissen nicht zum aktuellen Kenntnisstand auffrischte. Sehr viele Menschen mit gymnasialem Abschluss haben nach dem 40. Lebensjahr nur noch rudimentäre Kenntnisse von Integralrechnung und Quantenphysik.

Verwendungsbeispiele in der Umgangssprache: rudimentär

  • Der Kollege verfügt in diesem Bereich nur noch über rudimentäre Kenntnisse.
  • Mit lediglich rudimentären Informationen lassen sich keine guten Entscheidungen treffen.
  • Sein Zivilverstand ist höchstens rudimentär ausgeprägt.
  • In diesem Felsen sind rudimentäre Versteinerungen zu erkennen.
  • In all den Jahren hatte sie nicht einmal ihre ohnehin nur rudimentären lateinischen Kenntnisse genutzt.
  • Unser Wissen zu künstlichen Ökosystemen ist nach wie vor rudimentär.
  • In der aktuell vorliegenden Form ist Ihr Memorandum noch ausgesprochen rudimentär.
  • Sämtliche Techniken für die Umsetzung existieren bereits, wenn auch bislang nur in rudimentärer Form.
  • Auch in seiner rudimentären Form kann der Speicher überzeugen.

Rudimentäre Formen in der Biologie

Die Biologie nutzt das Adjektiv rudimentär für die Beschreibung diverser Organe des Menschen, von Tieren und Pflanzen, die nie vollständig entwickelt wurden oder sich während der Evolution zurückbildeten und über keine Funktion mehr verfügen. Das menschliche Steißbein gehört dazu, es ist die Rückbildung der Schwanzwirbelsäule unserer Vorfahren (sehr frühe Affenarten). Unser Ohr hat rudimentäre Muskeln, die es in grauer Vorzeit bewegen konnten. Es gibt Rudimente bei allen Organismen.

Sie belegen auf klassische Weise, wie die Evolution voranschreitet. In den meisten Fällen ging die Rudimentation (Rückbildungsprozess) von einem einst funktionsfähigen Stadium aus, manchmal führte sie auch zu einem Funktionswechsel. Hierfür ist der Blinddarm mit seinem rudimentären Wurmfortsatz ein gutes Beispiel. Einst gehörte er zum Darm, diese Funktion verlor er. Heute spielt er aber eine wichtige Rolle für das Immunsystem, weil er viele Lymphzellen beherbergt, welche Krankheiten abwehren.

Außerdem ist er ein Rückzugsort für nützliche Bakterien. Wenn eine Infektion Darmbakterien zerstört, überleben viele der nützlichen Sorten im Blinddarm. Die Zirbeldrüse ist ein interessantes rudimentäres Organ. Sie war einst ein lichtsensitives Scheitelauge („drittes Auge“), das auf Licht auf der Haut reagierte. Das macht sie in rudimentärer Form immer noch, sie beeinflusst die Melatoninausschüttung abhängig vom Tageslicht und beeinflusst damit unseren Wach-Schlafrhythmus. Allerdings ist sie längst nicht mehr als Quasi-Auge ausgeprägt, als das sie noch bei einigen Amphibien, Reptilien und Vögeln existiert.

Weitere Rudimente sind beim Menschen die verkümmerten Weisheitszähne, die ursprünglich zum Zahnschema gehörten, weil sie Reißzähne für rohes Fleisch und Kampfzähne waren, der Rest der Nickhaut, die einst ein drittes Augenlid war, die segmentierten und parzellierten Bauchmuskeln, die aus der Segmentierung des gesamten Körpers stammen, sowie die menschliche Körperbehaarung, die wir einst als Schutz gegen Kälte benötigten. Sehr viele Rudimente finden sich auch bei Tieren:

  • So hat der Bartenwal noch rudimentäre Hinterextremitäten. Als sie vor Jahrmillionen noch ausgebildet waren, konnte er sich damit an Land begeben.
  • Auch die Boa constrictor hat rudimentäre Hinterextremitäten (sogenannte Aftersporne), mit denen sie früher laufen konnte.
  • Wale haben einen rudimentären Beckengürtel, der darauf verweist, das ihre Vorfahren an Land lebten.
  • Höhlentiere haben rudimentäre Augen, die sie inzwischen nicht mehr brauchen,
  • Nacktschnecken tragen rudimentäre Gehäusereste mit sich herum.
  • An Blindschleichen sind rudimentäre Schulter- und Beckengürtelreste erkennbar,
  • beim Kiwi stummelförmige Flügelreste,
  • an den Flossen von Seelöwen und Walrossen rudimentäre Nägel,
  • bei den Pferden die Griffelbeine (ehemalige Mittelfußknochen),
  • beim Hund die Wolfskralle und
  • bei den Hirschen die reduzierten Eckzähne.

Rudimente bei Pflanzen sind beispielsweise die zurückgebildeten Staubblätter von Rachenblütlern (Scrophulariacea).

Wie entsteht biologische Rudimentation?

Eine biologische Rückbildung entsteht, wenn Stellen der DNA keinem positiven Selektionsdruck ausgesetzt sind und daher Mutationen ansammeln können, die insgesamt den Organismus nicht negativ beeinflussen. Das Merkmal der Population verkümmert auf lange Sicht, verschwindet aber nicht gänzlich, weil es nicht stört. Die biologische Fachsprache nennt das Phänomen eine regressive Evolution. Nicht immer sind rudimentäre, funktionslose oder funktional veränderte Organe vollkommen unschädlich. Sie können gesundheitliche Beschwerden verursachen, wie wir von den Weisheitszähnen und dem Blinddarm wissen: Beides kann sich entzünden oder (Weisheitszähne) völlig falsch im Weg stehen und muss dann entfernt werden.

Rudimentäres Verhalten: Erklärung

Das rudimentäre Verhalten gehört in den biologischen Kontext, es hat nichts der umgangssprachlichen Verwendung des Wortes rudimentär zu tun. Viele Reflexe des menschlichen Säuglings gehören dazu.

Der bekannteste ist der Greifreflex, der in unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung für Affensäuglinge überlebenswichtig war. Das Affenbaby greift reflexartig nach dem Fell seiner Mutter und krallt sich dort fest, während sich diese von einem Ast zum nächsten hangelt oder auf allen vieren fortbewegt und dabei ihr Baby nicht festhalten kann. Das menschliche Baby zeigt denselben Greifreflex, den es nicht braucht: Seine Mutter hat kein Fell und läuft immer auf zwei Beinen, sodass sie ihren Säugling im Arm tragen kann. Als rudimentäres Verhalten hat sich der Reflex dennoch gehalten und ist sogar schon in der 32.

Schwangerschaftswoche ausgebildet. Dort erscheint er vollkommen überflüssig, aber sein Eintrittszeitpunkt ist logisch: Er entspricht der Trächtigkeitsdauer von Menschenaffen. Dies beweist auch, dass es sich um einen rudimentären Reflex handelt, der nach wie vor zu jenem Entwicklungszeitpunkt entsteht, ab dem er früher überlebenswichtig war. Ein anderes rudimentäres Verhalten ist das zusammengekrümmte Hinlegen in Embryonalstellung von depressiven und/oder suchtkranken Personen. Sie regredieren in den schützenden Mutterleib zurück bzw. wünschen sich dies.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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