Es war ein Ereignis. Papst Urban der II. sprach die Worte, mit denen er seine christlichen Gefolgsleute auf den Ersten Kreuzzug ins Heilige Land einschwor. Sein „Deus Vult“ oder Gott will es wurde von vielen Königen, Rittern und Bürgern als direkte Aufforderung verstanden, der sie bereitwillig folgten. Es gab jedoch auch Widerstand. Und dieser wurde von namhaften Männern mit den Worten „Deus Io Vult“ formuliert. Dabei drückt das lateinische Io ein klares Nein aus. Statt „Gott will es“, sagten sie „Gott will es nicht!“
Doch welche religiösen, politischen und militärischen Auswirkungen hatten diese Worte auf die Entwicklungen im Westen und Nahen Osten?
Was bedeutet „Deus Vult“? Bedeutung, Definition, Erklärung
„Deus Vult“ ist eine Wortverbindung. Sie setzt sich aus zwei Begriffen zusammen und lässt sich außerdem universell einsetzen. Gibt es mehrere Götter oder nur einen Einzigen? Welche ist gemeint?
Dabei steht Deus für das indogermanische Deiuros. Hiermit wird ein strahlender und leuchtender Gott umschrieben, dessen Wünsche die Menschen erfüllen können. Schon die Römer kannten diese Beschreibung einer Gottheit. Sie verehrten jedoch eine Vielzahl von Göttern, die jeweils einen bestimmten Hintergrund und die entsprechenden Aufgaben hatten. Ihnen wurden Opfer gebracht, damit man ihre Hilfe erflehen konnte.
Allerdings wird „Deus Vult“ heute eher im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben interpretiert. Das Christentum geht als Philosophie, so wie der Islam und das Judentum, vom Monotheismus und nur von einem Gott aus. Schon in der lateinischen Sprache ist Deus mit dem einen Gott gleichzusetzen.
Grundsätzlich ging das heutige Christentum aus dem hellenistischen Judentum hervor, mit dem es beispielsweise das Alte Testament in wesentlichen Zügen teilt.
Vult ist eine lateinische Bezeichnung und steht für das Wort verlangt. Damit stehen beide Worte gemeinsam für eine einzigartige Aufforderung, die von einem maßgeblich christlichen Führer im Namen Gottes übermittelt wird. „Deus Vult“ heißt somit auch „Gott verlangt“.
Wenn ein Vertreter Gottes auf Erden diese Aufforderung im Namen des einzigen Gottes aussprach, galt dieser Wunsch wie ein verbindlicher Befehl. Gibt heute der Chef eines Unternehmens die Anweisung heraus, dass die Geschäftsleitung bestimmte Ziele erreichen will, folgen ihr ebenfalls alle Verantwortlichen. Denn sie wollen ihre Arbeit und ihr Einkommen behalten. Im Mittelalter ging es in diesem Fall um das Seelenheil des Einzelnen. Kam ein Christ diesen Wünschen Gottes nicht nach, dann wurde ihm nach seinem Tod der Zugang zum Himmel verwehrt. Auf der anderen Seite konnte er keinen höheren Ruhm erreichen, als Gott zu dienen. Er überzeugte im weltlichen Sinn seinen König, Kardinal oder Fürsten von seiner christlichen Standfestigkeit. So konnte er im Rahmen seiner Teilnahme am Kreuzzug in jeder Hinsicht auf Reichtum, Einfluss und Luxus hoffen.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass alle Kreuzzüge im Sinne von „Deus Vult“ in erster Linie aus finanziellen und machtpolitischen Gründen geführt worden sind. Deus Vult ist deshalb die ultimative Aufforderung an die Massen, sich einem von Gott gewollten Unternehmen anzuschließen. Auf diese Weise lässt sich auch das Zusammengehörigkeitsgefühl über die gesellschaftlichen Schichten hinweg stärken. Es gibt ein einheitliches Feindbild.
In welchem historischen Zusammenhang trat „Deus Vult“ das erste Mal auf?
Ursprünglich stand fast der gesamte Mittelmeerraum seit der Christianisierung unter christlichem Einfluss. Bis 637 galt dieses auch für Palästina, das gleichzeitig seit 600 Jahren ein Teil des Oströmischen Reiches war. Seit der Expansion des islamischen Glaubens änderte sich diese Relation. Ein Land nach dem nächsten wurde von den muslimischen Herrschern erobert. Nach der Schlacht von Manzikert musste Byzanz 1071 weitere Gebiete in Anatolien sowie Antiochia an die Seldschuken abgeben.
Um die Machtstellung von Byzanz wieder auszubauen, wandte sich der Kaiser an den Papst. In Urban, dem Zweiten fand er einen starken Fürsprecher. Während der Synode von Clermont im Jahr 1095 bat er das christliche Europa um seine maßgebliche militärische Unterstützung. Seine wohlgewählten Worte „„Deus Vult““ trafen ihr Ziel und bildeten den Auftakt für den ersten Kreuzzug. Dieser endete 1099 mit der Erstürmung von Jerusalem durch das Heer der Kreuzfahrer. Es sollte ein sehr dunkles Kapital der Geschichte werden.
Deus Vult im Spiegel des Sendungsbewusstseins
Deus Vult für sich genommen spielt für den einzelne nur eine relativ kleine Rolle. Wichtiger ist das Sendungsbewusstsein. Es richtet sich an die Überzeugung eines einzelnen Menschen oder einer Gruppe. Die Betroffenen übernehmen oder entwickeln spezielle Wertvorstellungen, die sie auf andere soziale Strukturen ausdehnen möchten. Das kann in Form einer Missionierung oder eines Kreuzzuges geschehen. Bei „Deus Vult“ spielte Urban II. jedoch in erster Linie auf einen Krieg an. Er musste davon ausgehen, dass die nun muslimisch geprägte Bevölkerung der zu „befreienden Gebiete“ nur ein sehr geringes Interesse am Christentum hatte. Sie würde sich nur bedingt freiwillig dem Sendungsbewusstsein der Kreuzfahrer anschließen. Bei den Muslimen handelte es sich in seinen Augen um Heiden, die man zum Christentum bekehren sollte. Befreiten hingegen konnte man nur die Christen, die sich jetzt unter der Herrschaft der islamisch geprägten Gesellschaft bewegten. Dazu muss man jedoch sagen, dass die dort ansässigen Herrscher ihre Religion ebenfalls mit gezielt gewählten Mitteln als Staatsreligion etablierten. Wer als Christ zum Islam konvertierte, hatte davon einige Vorteile.
Das Sendungsbewusstsein und die Äußerung „Deus Vult“ beeinflussten nicht nur die Christen während der Kreuzzüge. Auch die islamischen Eroberer wendeten ähnliche Strategien mit anderen Worten an, um ihr ehemals christliches Herrschaftsgebiet umzustrukturieren.
Im Mittelpunkt des Sendungsbewusstseins steht dabei nicht das Wohl des einzelnen Bürgers oder einer Gemeinde. Diese wollen nur friedlich leben und Handel treiben. Es geht vor allem um wirtschaftliche, religiöse und militärische Bestrebungen.
Ist „Deus Vult“ ein Schlachtruf aus dem Mittelalter?
In der Vergangenheit gab es meistens keine einheitlichen Uniformen. Die Offiziere und Soldaten nutzten während des Kampfes erbeutete feindliche Kleidungen, Rüstungen und Waffen. Um Freunde und Feinde auseinanderzuhalten, wurde der Schlachtruf eingeführt. Während die Kreuzfahrer wahrscheinlich ihr „Deus Vult“ verwendeten, um sich vom Feind abzuheben, nutzten die Araber das zeitlose Allahu Akbar oder Gott ist größer. Trafen sich zwei Krieger in einer unübersichtlichen Gegend, dann konnten sie so ihre jeweilige Position ermitteln. Stimmten die Schlachtrufe oder Parolen überein, dann hatte man einen Mitstreiter gefunden. Außerdem diente der Ruf zur Einschüchterung des Gegners und war somit Teil der psychologischen Kriegsführung.
Letztlich steht „Deus Vult“ für das Bestreben der Kreuzfahrer des Mittelalters, Gebiete im Nahen Osten zurückzugewinnen. Der Krieg selbst wurde nach unzähligen Quellen von beiden Seiten mit ähnlich brutalen Mitteln geführt, die sowohl die beteiligten Soldaten als auch die Zivilbevölkerung bedauerlicherweise einbezogen.