Warum sagt man „Leserratte“? Woher kommt der Ausdruck? Wortherkunft, Bedeutung, Erklärung

Warum sagt man Leserratte, Wortherkunft, Bedeutung, Erklärung


Menschen, die gerne und viel lesen, werden oft als „Leseratte“ oder „Bücherwurm“ bezeichnet. Sie verschlingen Bücher und träumen sich in die Geschichten hinein. Beim Lesen lassen sie sich fallen und versinken in einer Welt voller Abenteuer, großer Gefühle und Magie.

Was bedeutet „Leseratte“? Bedeutung, Erklärung

Doch warum nennt man Vielleser eigentlich „Leseratte“? Immerhin sind Ratten in unserer Kultur keine besonders geschätzten Tiere und mit dem Lesen selbst haben sie wohl naturgemäß wenig zu tun…
In Fabeln werden Ratten als hinterhältig, feige und heimtückisch beschrieben. Die Nagetiere werden auch oft mit Müll, der Kanalisation und der Verbreitung schlimmer Krankheiten wie der Pest, verbunden.

Ratten sind also weder possierliche, niedliche Tierchen, mit denen man gerne kuscheln würde, noch stehen sie für positive Eigenschaften. Auch in Hinblick auf das Lesen verbindet man Negatives: Eine „Leseratte“ verschlingt zwar eine Menge Bücher, jedoch ohne Kritik, Reflexion oder bewusste Auseinandersetzung mit dem Inhalt oder der vermittelten Botschaft.

Die Bezeichnung „Leseratte“ scheint auf den ersten Blick also wenig schmeichelhaft.

Woher stammt der Ausdruck „Leseratte“? Wortherkunft, Geschichte

Der Begriff „Leseratte“ ist seit Ende des 19. Jahrhunderts belegt. In dieser Zeit betitelte man Vielleser abschätzend auf diese Weise. Gierig wie Ratten es sind, verschlingen „Leseratten“ kritik- und wahllos Bücher.

In den 1920er Jahren verbreitete sich der Ausdruck an den Universitäten. Vor allem Studenten verwendeten die Bezeichnung für Dozenten, die das Wort „Vorlesung“ etwas zu wörtlich nahmen und tatsächlich nur aus ihren Aufzeichnungen und Manuskripten vorlasen, statt den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten oder frei zu referieren.

Diesen Dozenten wurde nachgesagt, dass sie ohne ihr Manuskript gar keine Vorlesung halten könnten und sprichwörtlich verloren wären. Den Inhalt trugen sie emotionslos und oft monoton vor, was durchaus einschläfernd wirken konnte.

Eine weitere Verbindung zwischen Ratten und Dozenten gibt es außerdem: Bei Ratten mit roten Augen fehlen Pigmente, wodurch sie beim Sehen stark eingeschränkt sind. Durch das Hin- und Herpendeln des Kopfes versuchen sie, dies auszugleichen. Die Bewegung sieht so aus, als würde die Ratte lesen.

Auch bei Dozenten (und vielen anderen Menschen), die an ihren Tischen sitzen und aus ihren Manuskripten vorlesen, erkennt man dieselbe Kopfbewegung. Rasch setzte sich für diese Vortragenden die scherzhafte Bezeichnung „Leseratte“ durch.

Was ist mit dem Begriff „Leseratte“ gemeint? Bedeutung, Definition

Wer viel liest, gierig auf Bücher ist und dabei keine großen Ansprüche an die Qualität des Buches legt, wird gerne als „Leseratte“ bezeichnet. Genau wie eine Ratte beim Vertilgen von Fressbarem, sind „Leseratten“ beim Aussuchen des Lesestoffes wahllos und verschlingen alles, was als Lektüre zur Verfügung steht. Vom Kochbuch über seichte Romane bis zu den großen Klassikern der Weltliteratur kann alles dabei sein.

Im 18. Jahrhundert, als immer mehr Menschen des Lesens mächtig waren, erfreute sich das aufstrebende Bürgertum an Romanen, die unterhaltsam waren und vom alltäglichen Leben ablenkten. Dies war dem Klerus sowie dem Hochadel freilich ein Dorn im Auge, denn bisher hatten sie eine Sonderstellung eingenommen, da das Lesen ihnen vorbehalten war.

Nun aber entwickelte sich auch bei der weniger gebildeten Bevölkerung eine regelrechte Lesesucht, also eine Sucht nach Büchern und dem Lesen. Dass die „niedrigen Schichten“ die Fähigkeit nutzten, um sich berieseln und unterhalten zu lassen, gefiel Klerus und Hochadel nicht im Geringsten. Immerhin diente das Lesen von Büchern bisher der Wissensvermittlung, der Belehrung und der persönlichen Erbauung.

In der heutigen Zeit, in der sich die Einstellung zum Lesen zum Positiven gewandelt hat, ist das Wort „Leseratte“ eine Bezeichnung für Vielleser. Verwendet wird der Begriff für Menschen, die gerne und viel lesen. Nach wie vor spielt es keine Rolle, ob der Lesestoff literarisch wertvoll ist oder nicht. Dennoch ist die „Leseratte“ heutzutage positiv besetzt, da mit dem Lesen viele gute Eigenschaften – wie schlau, phantasievoll, ausdrucksstark, belesen etc. – verbunden werden.

Andere Wörter für „Leseratte“ sind: Bücherwurm, Büchernarr, Leseratz.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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