Als Atlantiker bzw. Transatlantiker verstehen sich Personen und Institutionen, die auf das Bündnis der demokratischem Staaten beiderseits des Atlantiks setzen. Transatlantisch bedeutet, dass die Beziehungen dieser Staaten den Atlantik überspannen. Auf der einen Seite des Atlantiks liegen die USA und Kanada als nordamerikanische Mächte, auf der anderen Seite die westeuropäischen Staaten. Die ursprüngliche Idee einer transatlantischen Partnerschaft wurde schon in den frühen 1940er-Jahren während des Zweiten Weltkrieges durch die damaligen Alliierten USA und Großbritannien formuliert.
Grundsätzliche Ideen der Transatlantiker
Die Atlantiker oder Transatlantiker orientieren sich in ihrer Identitätsfindung an bestimmten Werten, jedoch nicht an einem Nationalstaat des transatlantischen Bündnisses aus USA, EU, NATO und deren einzelnen europäischen und nordamerikanischen Nationalstaaten. Die empfundenen Werte sind:
- Marktwirtschaft
- Demokratie
- Liberalismus
- Meinungsfreiheit
- freie Medien
- grundsätzliche Freizügigkeit wie Reisefreiheit und Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit
Allerdings sehen die Transatlantiker diese Ideen nur in den genannten Staaten realisiert. Daher kommt auch die Begrifflichkeit Atlantiker oder Transatlantiker. Sie stammt von den zwischen den USA und Westeuropa aufgenommenen transatlantischen Beziehungen, die schon im Zweiten Weltkrieg entstanden und später im Kalten Krieg die Entwicklung Westeuropas prägten.
Ohne transatlantische Beziehungen hätte es weder den Marshall-Plan – entscheidend für die ökonomischen Aufbau Westdeutschlands nach dem Krieg – noch den militärischen Schutz Westeuropas durch die NATO ab 1949 gegeben. Im Kern entstanden diese Beziehungen zunächst zwischen den USA und Großbritannien. Diese beiden Staaten formulierten schon im Zweiten Weltkrieg in der Atlantik-Charta gemeinsame außenpolitische Grundsätze. Diese Charta war eine gemeinsame Erklärung des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und des britischen Premiers Winston S. Churchill vom August 1941. Mitten im Krieg gegen Nazideutschland, der damals noch längst nicht entschieden war, formulierten die beiden Staatschefs in dieser Charta gemeinsame Grundsätze einer internationalen Politik, die von der Hoffnung auf künftig bessere Zeiten getragen wurde.
Entstehung der Atlantik-Charta
Die Atlantik-Charta wurde auf der Atlantik-Konferenz vom 09. bis zum 12.08.1941 zwischen Roosevelt und Churchill unterzeichnet. Die beiden Staatschefs trafen sich nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion (ab 08.05.1945) nur drei Monate später auf einem britischen Schlachtschiff: Die HMS „Prince of Wales“ lag vor Neufundland (Placentia Bay) vor Anker, das Treffen fand unter absoluter Geheimhaltung statt. Eigentlich ging es auf dieser Konferenz um mehr Waffen aus den USA für die UdSSR und Großbritannien, damit diese beiden Kriegsmächte den deutschen Truppen besser widerstehen konnten. Die USA waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Krieg involviert, sie traten erst im Dezember 1941 ein. Im Zuge ihrer Beratungen vereinbarten Roosevelt und Churchill auch die Atlantik-Charta. Sie wurde zwei Tage nach der Konferenz veröffentlicht. Im Wesentlichen enthielt die Charta Verpflichtungen der beiden ersten transatlantischen Mächte USA und Großbritannien zu diesen Punkten:
- freiwilliger Verzicht auf eine Ausdehnung des eigenen Territoriums
- gleichberechtigter Zugang aller Staaten zu Rohstoffen und zum Welthandel
- Verzicht auf Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen
- Selbstbestimmungsrecht von Nationen
- Schaffung von Möglichkeiten der engen wirtschaftlichen Kooperation zwischen Nationen
- Stärkung der Weltwirtschaft mit dem Ziel besserer Arbeitsbedingungen
- Schutz von Arbeitenden
- wirtschaftlicher Ausgleich zwischen Nationen
- Sicherheit für Völker vor Tyrannei
- Entwaffnung der Nationen für mehr Sicherheit in der Welt
- Freiheit der Meere
Viele – aber nicht alle – dieser Punkte flossen in die Charta der 1945 gegründeten UNO und der 1949 gegründeten NATO ein. Die UNO berief sich bei ihrer Gründung explizit auf die Atlantik-Charta. Jene wurde schon im September 1941 auch von anderen Staaten unterzeichnet, nämlich der Sowjetunion und den Exilregierungen von Belgien, Jugoslawien, Griechenland, Luxemburg, Norwegen, den Niederlanden, Polen, Frankreich und der Tschechoslowakei.
Der Druck zur Einigung auf die transatlantischen Beziehungen war durch den Zweiten Weltkrieg besonders groß geworden, allerdings hatten die formulierten Ideen für ein Völkerrecht durchaus historische Vorläufer. Ähnlich hatte sie schon Woodrow Wilson, 28. US-Präsident, 1918 unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges in einem 14-Punkte-Plan formuliert. Darüber hinaus sind bis heute (2022) einige Punkte der Charta umstritten oder müssen als utopisch gelten, so etwa der Punkt der Entwaffnung von Nationen. Die Welt geht vor allem seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 eher den umgekehrten Weg und entschließt sich zu verstärkter Aufrüstung, um Despoten begegnen zu können. Schon 1941 stimmte außerdem Großbritannien nur widerwillig dem Punkt zu, den Nationen ein grundsätzliches Selbstbestimmungsrecht einzuräumen: Das durch Kolonialkriege früherer Jahrhunderte entstandene britische Commonwealth existierte schließlich noch (fast) vollumfänglich. Die Briten waren damals nicht daran interessiert, dass einzelne Staaten sich daraus verabschieden könnten. Auch dem freien Welthandel wollten die Briten nicht unbedingt zustimmen, denn damals schotteten sie sich handelspolitisch noch überwiegend ab. Daher setzte Churchill durch, dass Großbritannien sein Commonwealth aus solchen Punkten der Charta herauslassen kann.
Ähnlich ging die UdSSR vor: Sie beanspruchte später, dass einzelne Staaten ihrer Interessensphäre (besonders Polen und das Baltikum) aus den formulierten Zielen der Atlantik-Charta herausgelassen werden können. Selbst die Exilregierungen von Polen, Jugoslawien und der Tschechoslowakei wollten nicht allen Punkten zustimmen, weil sie eigene Gebietsansprüche im damals durch die deutsche Wehrmacht besetzten Europa hatten. Optimistisch gingen die Regierungschefs davon aus, dass man Deutschland besiegen und anschließend Europa neu aufteilen werde, wie es 1945 tatsächlich geschah. Daher hatte es die Atlantik-Charta von Anfang an schwer.
Atlantiker heute
Nach wie vor treten Atlantiker (Transatlantiker) für die größtmögliche Kooperation zwischen den USA und Europa vor allem bei der Außen- und Sicherheitspolitik ein. Es geht aber schon längst nicht mehr um eine Entwaffnung der Nationen. Dieses Ziel hat sich als unrealistisch herausgestellt.
Andere Punkte der Atlantik-Charta wie der freie Welthandel wurden jedoch umgesetzt, was zum paradoxen und prekären Zustand geführt hat, dass Europa und die USA im März 2022 derart stark von russischen Öl-, Gas- und Kohlelieferungen abhängig sind, dass ihnen ein echtes wirtschaftliches Druckmittel gegen den Aggressor im Ukraine-Krieg fehlt. Wenn sie sich von diesen Lieferungen abrupt verabschieden würden, um Russland wirklich zu schaden, könnte das zu einem ökonomischen Desaster in den westlichen Wirtschaftssystemen führen. Das ist übrigens historisch nicht neu: Auch im Zweiten Weltkrieg gab es US-Firmen, die mit Nazideutschland noch Handel betrieben. Es ist ungeheuer schwierig, wirtschaftliche Beziehungen vollkommen zu entflechten, ohne massivsten eigenen Schaden zu erleiden.
Ein Umdenken hat indes eingesetzt: Als erstes Land des transatlantischen Bündnisses hat Kanada Anfang März 2022 seine Rohölimporte aus Russland komplett eingestellt. Das Volumen lag in den letzten Jahren bei mehreren 100 Millionen kanadischen Dollar. Dennoch ist die kanadische Wirtschaft von russischem Öl viel weniger abhängig als die US-Wirtschaft oder viele europäische Volkswirtschaften (inklusive der deutschen) von russischem Gas. Im Atlantikraum wiederum gibt es weder Öl- und Gasvorkommen noch entsprechende technische Kapazitäten für ihre Förderung und Verteilung in einem Umfang, mit dem sich die westliche Welt schmerzarm von den russischen Rohstoffen abkoppeln könnte. Hier stößt die transatlantische Idee eindeutig an ihre Grenzen.
Man wird sie daher in den kommenden Jahren neu bewerten. Es ist eine Idee, die einen geografischen Raum zum Bezugspunkt erklärt hat, nämlich die östlichen und westlichen Anrainer des Atlantiks. Scheinbar können diese Staaten jedoch nicht durch einen eigenen Wirtschaftskreislauf ohne Verbindungen zu anderen Regionen des Globus ihre Wirtschaftskraft aufrechterhalten, was vor allem am Rohstoffbedarf liegt.
Entwicklung und Wahrnehmung des Begriffs „Atlantiker“ oder „Transatlantiker“
Der ursprüngliche Begriff war „transatlantisch“ und wurde sowohl östlich als auch westlich dieses Weltozeans für das jeweils andere Ufer verwendet. Er war ab etwa 1850 eine Abgrenzung zum Begriff „überseeisch“, mit dem auch Regionen jenseits des Mittelmeers, des Pazifiks oder anderer Meere gemeint sein konnte.
Diese Begrifflichkeit hatte während des Kolonialzeitalters ab dem 16. Jahrhundert die größere Rolle gespielt, weil die damaligen (europäischen) Kolonialmächte Gebiete überall auf der Welt besetzten, so beispielsweise auch im Pazifikraum.
Schon im 19. Jahrhundert kristallisierte sich der transatlantische Raum allerdings als stärkste ökonomische und geopolitische Region der Welt heraus. Der Fokus der Betrachtung richtete sich also auf den transatlantischen Raum, die Begrifflichkeit „transatlantisch“ entstand und verdichtete sich im Sprachgebrauch ab dem späten 19. Jahrhundert auf die Charakterisierung der Beziehungen zwischen Nordamerika (besonders USA) und Europa. Das ist geografisch betrachtet nicht ganz logisch, denn auch Südamerika und Afrika liegen beiderseits des Atlantiks. In diesen Weltregionen hatten die Staaten aber im 20. Jahrhundert andere Probleme als die Förderung ihrer gegenseitigen transatlantischen Beziehungen. Sowohl in Mittel- und Südamerika als auch in Afrika löste man sich von früheren Kolonien, gründete neue Staaten und baute zunächst die binnenkontinentale Wirtschaft auf.
In Afrika spielt heute China als wirtschaftlicher Akteur eine große Rolle. Daher meinen Atlantiker bzw. Transatlantiker schon seit der Atlantik-Charta von 1941 eigentlich nordatlantische Beziehungen. Die NATO hat das in ihren Namen auch logisch aufgenommen: „North Atlantic Treaty Organisation“.
Wichtige transatlantische Organisationen
Eine Vielzahl von Organisationen auch außerhalb der NATO hat den transatlantischen Gedanken zum Programm erhoben. Beispiele wären:
- Atlantische Initiative (NGO)
- Atlantische Brücke e.V.
- Transatlantic Policy Network (Wirtschaftsorganisation)
- Transatlantisches Telefonkabel
- Transatlantisches Freihandelsabkommen
- Transatlantic Academy
- Transatlantikregatta
- TransAtlantic (ab 2000 entstandene Progressive-Rock-Band)
Fazit
Der transatlantische Gedanke existiert nach wie vor und dürfte mit dem Krieg in der Ukraine, der sich zum nuklearen Weltkrieg auszuwachsen droht (Stand: 06.03.22), noch an Bedeutung gewinnen. Dem steht gegenüber, dass die Staaten beiderseits des Nordatlantiks ohne Kooperation mit dem Rest der Welt wirtschaftlich extrem zurückfallen könnten.