In der abendländischen Kultur sind die Beziehungen zweier Menschen durch das monogame Verhalten zueinander geprägt. Konventionell eingegangene Partnerschaften im europäischen Kulturkreis bestehen zwischen zwei Menschen, die sich der allumfassenden Treue zueinander verbunden fühlen. Wer das offiziell bekunden will, geht eine Ehe oder den Bund einer eheähnlichen Partnerschaft ein.
Unzählige Paare leben ohne gesetzlich festgelegte Regeln. Ob die Beziehung zweier Menschen in einer Ehe oder in einer Partnerschaft in Monogamie glücklicher und in größerer Zufriedenheit verläuft, kann angezweifelt werden.
Nicht selten stellen Paare fest, dass sie sich eine Beziehung auf Dauer anders vorgestellt haben und entwickeln ein Verhalten der ethischen Nicht-Monogamie. Andere Menschen gestalten einvernehmlich von Beginn an ihrer Beziehung ein nicht monogames Verhältnis ohne exklusiven Anspruch auf den Partner oder die Partnerin in verschiedenen Bereichen des Zusammenlebens.
Ethische Nicht-Monogamie (EMM) – die Abgrenzung
Die ethische Nicht-Monogamie ist der Gegensatz zur Monogamie und stark abgegrenzt von der Polygamie. In anderen Kulturen gestalten sich die Beziehungen der Menschen als Vielehe in Form der Polygynie (ein Mann hat mehrere Frauen) oder der Polyandrie (eine Frau hat mehrere Männer) oder der Polygynandrie (Gruppenverbindung). In der ethischen Nicht-Monogamie sind zwei Partner im Kern ihrer Beziehung primär miteinander verbunden.
Die Bedeutung der konventionellen gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen wird in einer ethischen, nicht monogamen Beziehung durch die Partner einvernehmlich aufgelöst. Sie bestimmen beide, in welchen Bereichen sie ihre enge Gemeinschaft verlassen und wissen, dass dafür die Zustimmung des Partners vorliegt. In der Praxis betrifft das überwiegend die Bereiche Sexualität und Romantik.
Die Beziehung in der ethischen Nicht-Monogamie (ENM) – eine Win-win-Situation
Die Offenheit und der ehrliche Umgang miteinander machen in den für eine Beziehung essenziellen Bereichen keine Lügen nötig. Sie entbehren Heimlichkeiten und schaffen eine belastbare Basis für gegenseitiges Vertrauen.
Partner in einer Beziehung in ethischer Nicht-Monogamie verbrauchen keine Energie mit Mutmaßungen oder Eifersucht und überzogenem Kontrollverhalten, weil sie keinen Betrug fürchten müssen. Ihr Fokus liegt uneingeschränkt in den verbleibenden, sie verbindenden Elementen ihrer exklusiven Partnerschaft.
Grundsätze der ethischen Nicht-Monogamie
Was früher als freie Liebe oder offene Beziehung etwas abwertend genannt und als moralisch verwerflich galt oder als Fremdgehen verteufelt wurde, erfährt nun durch den Grundsatz des respektvollen, ehrlichen Umgangs miteinander eine andere Qualität: die der moralisch sauberen Liebe.
In der Freiheit, das zu tun, was man möchte und im Respekt des Verhaltens des anderen empfinden Paare die ethische Nicht-Monogamie als erfüllend. Enttäuschung wegen Untreue und Frustration wegen unerfüllter Lust beanspruchen keinen Platz in der ethischen, nicht monogamen Beziehung
Die ethische Nicht-Monogamie wird frei von Zwang und ohne Gefühle der Schuld gelebt.
Wer in der ethischen Nicht-Monogamie eine Alternative für sich entdeckt, bekennt sich in Klarheit für sich und den Partner oder die Partnerin zu den folgenden Grundsätzen:
Die Erforschung der eigenen Sexualität soll nicht auf meinen Partner beschränkt sein.
Die Entdeckung der sexuellen Identität ist durch sexuelle Kontakte mit Menschen des anderen Geschlechts möglich.
Die Erfüllung sexueller Bedürfnisse schließen praktische Erfahrungen mit anderen Menschen gleicher sexueller und romantischer Interessen ein.
Die exklusive Liebe zum Partner bleibt erhalten.
Formen der ethischen Nicht-Monogamie
Mit dem Einverständnis des Partners oder der Partnerin kann die ethische Nicht-Monogamie in verschiedenen Konstellationen gelebt werden.
Voraussetzung der erfolgreichen ethischen Nicht-Monogamie in einer Partnerschaft ist die offene Kommunikation und das gegenseitige Bedürfnis, das Wohlbefinden des anderen gesichert zu wissen.
Nur wer keinen Anspruch auf ungeteilte Zuwendung hat oder beim Partner nicht den Platz an erster Stelle geltend machen will, wird für sich in einer der Formen das Passende finden:
In der Polyamorie pflegen mehrere Personen gleichzeitig sexuelle und romantische Beziehungen. Sie kann langfristige Bindungen verschiedener Personen gleichzeitig enthalten.
Bei offenen Beziehungen besteht meist keine Bindung zu einer Person außerhalb der primären Partnerschaft. Sexuelle Verbindungen werden überwiegend ohne romantische oder emotionale Bindung gepflegt. Die Zwei-Personen-Beziehung hat Priorität und ist gleichzeitig offen für andere neue sexuelle Partner.
In der Beziehungsanarchie haben alle Personen zueinander den gleichen Stellenwert; sie ist überwiegend frei von Regeln und Ansprüchen einer Person auf die größte Zuwendung und die meiste Aufmerksamkeit. Kern des Umgangs miteinander ist die Autonomie der Beteiligten.
Bei der Polyfidelität haben Personen innerhalb einer festen Gruppe, vorwiegend Triaden oder Quads, gleichberechtigt miteinander Sex, ohne dass außerhalb dieser Gruppe sexuelle Beziehungen aufgenommen werden dürfen.
In der hierarchischen Beziehung bestehen primäre Partnerschaften, die neben sekundären Partnern vorrangig gepflegt werden.
Bei einem Dreier praktizieren Personen einer Paarbeziehung Sex mit einer hinzukommenden dritten. Das kann regelmäßig oder auch ein One-Night-Stand sein.
Wenn verschiedene Paare miteinander Sex praktizieren oder die Beziehungspartner als Sexpartner miteinander tauschen, spricht man vom Swingen.
Das Gelegenheits-Dating ist eine Verabredungen zu zwanglosem Sex, wobei sich jeder im Klaren darüber ist, dass es nicht mehr oder weniger als Gelegenheitssex ist.