Seit den 2020er Jahren finden sich im Netz immer wieder Namensneuschöpfungen, die Erziehungsziele charakterisieren. Letztendlich sind es alles Abwandlungen längst bekannter Erziehungsstile, die durch Social-Media-Plattformen viel Popularität erhalten.
Der Begriff Qualleneltern in der Erziehung hat die Anatomie von Quallen zum Vorbild: Die Tiere sind wabbelig, weich, durchscheinend und kaum greifbar. Genauso verhalten sich Qualleneltern ihren Kindern gegenüber. Wie Wirbellose passen sie sich jeder Situation an. Das hat Vorteile, aber auch viele Nachteile für die Entwicklung der Kinder.
Der Quallen-Erziehungsstil ist ebenso schwammig, wabbelig und quasi nicht greifbar wie die Quallen selbst. Qualleneltern sind in jeder Hinsicht flexibel. Sie sind antiautoritär, aber auch unpräzise, frei von Prinzipien und klaren Linien. Der Erziehungstyp ist das Gegenteil des autoritären Tigereltern-Typs, der sehr hohe Anforderungen an seine Kinder stellt, Disziplin und Top-Leistungen erwartet.
Qualleneltern: Vorteile des Erziehungsstils
Qualleneltern sehen das Thema Erziehung sehr locker. Sie haben keine klaren Erziehungsgrundsätze und sind alles andere als streng. Auch sie selbst sind sie meist sehr nachsichtig. (So kann man nicht unbedingt von ihnen erwarten, dass sie Termine exakt einhalten.)
Qualleneltern hören genau auf das, was ihr Kind möchte, und versuchen stets, dessen Wünsche zu erfüllen. Sie passen sich ihrem Kind an und nicht umgekehrt. Das Kind entscheidet, was zu tun ist, und zwar in allen Fragen. Da sie sehr flexibel sind, können Qualleneltern jedoch sehr spontan auf die Bedürfnisse des Nachwuchses eingehen. Dadurch sind sie in Stresssituationen, die im Alltag mit Kindern häufig vorkommen, gelassener. Somit fällt auch die Möglichkeit weg, dass sich der Stress auf das Kind überträgt.
Kinder von Qualleneltern sind in der Regel entspannter als andere. Häufig haben sie ein gutes Selbstwertgefühl, da sie schon früh autonom und unabhängig agieren durften. Infolgedessen fühlen sie sich sicher und beschützt. Qualleneltern geben Kindern den Raum, sich Herausforderungen zu stellen, und fördern deren Anpassungsfähigkeit. Diese Eigenschaften werden den Kindern im späteren Leben sehr nützen. Da Kinder, die von Qualleneltern erzogen werden, meist auch schon Rückschläge erlebt haben, wissen Sie, dass Fehler zum Leben dazugehören. Das ist eine weitere wichtige Lebenskompetenz
Qualleneltern: Nachteile des Erziehungsstils
Zwar geben Qualleneltern ihren Kindern sehr viel Entscheidungsfreiheit, überfordern sie aber auch schnell. Denn diese Freiheiten genießen die Kinder bereits in einem Alter, in dem sie noch keine guten Entscheidungen für sich treffen können. Da ihnen keine klaren Grenzen gesetzt werden, können sie ihren Mitmenschen später sehr große Probleme bereiten. Denn überall dort, wo klare Regeln unerlässlich sind (Kindergarten, Schule, Universität und Arbeitsplatz), wird es zu Konflikten mit Mitstreitern und Vorgesetzten kommen.
Qualleneltern sehen sich nicht als Autoritätspersonen, sondern in der Rolle des besten Freundes ihres Kindes. Doch damit verstehen sie ihre erzieherische Aufgabe völlig falsch. Ein Kind ist schutzbedürftig und von seinen Eltern abhängig. Daher müssen Eltern müssen klare Regeln vorgeben und Grenzen setzen, denn sonst würden Sie Ihrem Kind zu viel Verantwortung auf. Kinder brauchen eine starke Hand bzw. das Gefühl, dass ihre Eltern sie beschützen, dass sie sich an eine starke Schulter anlehnen können. Das Gefühl lässt sich aber nur dann vermitteln, wenn die Eltern auch genügend Rückgrat haben. Das ist besonders in der Zeit der Pubertät wichtig. Wenn Eltern ihre Kinder regelmäßig auf die Erwachsenenebene stellen, besteht außerdem die Gefahr des emotionalen Missbrauchs.
Fazit: Qualleneltern
Wie in vielen anderen Situationen ist das Mittelmaß auch in Erziehungsfragen die beste Lösung. Sie begünstigt die gesunde Entwicklung von Kindern. Ausschläge in extreme Richtungen – egal ob wachsweich oder sehr streng – sind schädlich und können psychische Probleme verursachen.
Natürlich ist eine entspannte, bedürfnisorientierte Erziehung voller Spontanität wünschenswert und der Umgang mit seinem Kind auf Augenhöhe oft angebracht. Doch manchmal müssen Eltern klare Regeln vorgeben und auch einmal ohne Begründung Nein sagen. Idealerweise achten sie auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Regeln, an denen sich ihre Kinder orientieren können, und Freiraum, der ihren Kindern genügend Platz zur Entfaltung gibt. Dann steht der Entwicklung zu selbstbewussten, empathischen und starken Menschen nichts im Wege.