Was ist Selbstlosigkeit? Erklärung, Bedeutung, Definition

Was ist Selbstlosigkeit, Erklärung, Bedeutung, Definition


Selbstlosigkeit ist eine Denkweise, die sich auf andere Menschen, nicht auf das eigene Selbst richtet, mithin also in psychologischer Hinsicht das Gegenteil von Narzissmus und Egoismus.

Was ist Selbstlosigkeit? Erklärung, Bedeutung, Definition

Aus diesem Denken folgt als Handlung die Uneigennützigkeit. Der aus dem Lateinischen abgeleitete Begriff für Selbstlosigkeit ist Altruismus (von lateinisch alter = andere). Den Begriff der Selbstlosigkeit schuf der französische Mathematiker und Philosoph Auguste Comte (1798 – 1857). Er postulierte ausdrücklich, das Selbstlosigkeit ein bewusstes Denken voraussetze und Uneigennützigkeit ein absichtliches Verhalten sein muss, das das selbstlos handelnde Individuum mehr Aufwand zugunsten eines anderen Menschen oder Wesens kostet, als es ihm an Nutzen einbringt. Daraus folgt unter anderem, dass echte Selbstlosigkeit stillschweigend stattfindet: Wer nämlich dafür bewundert werden will und deshalb mit seinen guten Taten hausiert, hofft auf hohe Anerkennung, die ihm möglicherweise mehr einbringt, als die Uneigennützigkeit an Aufwand verursacht hat.

Wer handelt selbstlos?

Es gibt sehr viele Menschen, die stillschweigend selbstlos handeln. Nach der genannten Definition sind sie schlecht zu ermitteln, weil ihre Uneigennützigkeit im Verborgenen stattfindet. Doch altruistische Verhaltensweisen sind unter anderem in den Religionen tief verwurzelt, gehören offenbar zu den Grundbedürfnissen von Menschen und wurden immer wieder auch bei Tieren nachgewiesen. Daher besteht unter Forschern eine Diskussion darüber, ob Selbstlosigkeit wirklich bewusst und willentlich existieren muss oder nicht doch angeboren ist. Einig sind sich alle Betrachter des Phänomens darüber, dass die Art einer selbstlosen Handlung und ihr direkter Effekt unerheblich für die Würdigung der Selbstlosigkeit sind. Es zählt allein, dass die Handlung

  • Aufwand verursacht,
  • jemandem hilft und
  • dem Helfenden praktisch nichts einbringt oder sehr viel weniger, als ihn sein Aufwand gekostet hat. Ein Dankeschön der bedachten Person muss genügen. Manchmal gibt es (so bei anonymen Spenden) nicht einmal das.

Selbstlos Handelnde spenden sehr oft anonym. Wenn die Empfänger unpolitische und gemeinnütziger Vereine sind, dürfen sie solche Spenden auch in großer Höhe annehmen. Parteien sind hingegen verpflichtet, bei Spenden über 500 Euro den Spender auf Nachfrage zu benennen. Andere Menschen engagieren sich in Vereinen und Hilfsorganisationen. Die Mediziner der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ absolvieren ihre Einsätze während ihrer Urlaubszeit und wenden nicht selten zusätzlich eigene finanzielle Mittel beispielsweise für die Reise an den Einsatzort auf.

Moralische und normative Selbstlosigkeit

Moralische Altruisten handeln aus Prinzip selbstlos. Sie haben einen moralischen Kompass, der ihnen sagt, wann sie helfen und dabei ihre eigenen Interessen zurückstellen müssen. Dabei geht es um unmittelbare materielle, um seelische und oft um praktische Hilfe. Vielfach soll das selbstlose Handeln eine bestehende Ungerechtigkeit beseitigen, weshalb auch der Einsatz für ungerecht behandelte Menschen zum uneigennützigen Handeln gehört. Die Gerechtigkeit haben die meisten Menschen als soziale Norm verinnerlicht.

Die normativen Altruisten handeln zwar auch nach genannter Definition selbstlos, doch sie folgen einer gesellschaftlichen und oft auch einer gesetzlichen Norm. Für Letzteres ist die Pflicht zur ersten Hilfe bei einem Verkehrsunfall bzw. medizinischen Notfall das gängigste Beispiel. Die Ersthelfer müssen selbstlos handeln, ob sie es wollen oder nicht, weil sie sich sonst strafbar machen. Gesellschaftliche Normen, wegen derer wir uns zur selbstlosen Hilfe verpflichtet fühlen, betreffen beispielsweise das Anbieten eines Sitzplatzes im öffentlichen Verkehrsmittel durch jüngere zugunsten älterer Personen oder noch mehr das Hinauftragen der schweren Einkäufe für die Seniorin aus dem obersten Stockwerk, der wir gerade im Flur begegnen. Wenn diese Art von normativer Selbstlosigkeit über die gängige Erwartung hinausgeht, weil beispielsweise die junge helfende Nachbarin nun anbietet, in Zukunft häufig bei den Einkäufen zu helfen, wird aus der normativen Selbstlosigkeit ein außerordentlicher Altruismus, den die Psychologie als supererogatorisches Handeln bezeichnet. Der Begriff stammt aus der Theologie und wurde vom barmherzigen Samariter abgeleitet.

Selbstlosigkeit: Altruismus und Sympathie

Sehr viele Menschen verhalten sich automatisch selbstloser, wenn ihnen die hilfsbedürftige Person sympathisch ist. Damit verknüpft ist Empathie, also ein Einfühlen in das Gegenüber. Auf diesen Effekt setzen zum Beispiel Hilfsorganisationen, die mit Bildern von offensichtlich sehr hilfsbedürftigen, aber gleichzeitig hübschen und sympathischen afrikanischen Kindern um Spenden werben. Daran ist nichts verkehrt, wenn es hilft. Doch echte Selbstlosigkeit sollte auch ohne diesen Sympathiebonus funktionieren. Reine Empathie, die sich in einen anderen Menschen hineinversetzt, auch wenn er gerade nicht so sympathisch erscheint (weil er zum Beispiel als Obdachloser verwahrlost ist), funktioniert immer und führt nach Möglichkeit zu uneigennützigem Handeln.

Rationale Selbstlosigkeit

Immer wieder wird hinterfragt, ob es wirklich echte Selbstlosigkeit gibt oder ob die Helfenden nicht doch einen Gewinn aus ihren Handlungen ziehen. Dies darf durchaus vermutet werden, denn selbst wenn sie vollkommen stillschweigend und anonym handeln, verschafft ihnen doch ihr Altruismus ganz persönlich ein gutes Gefühl. Dieses kann viel wert sein und in einigen Fällen sogar der Kompensation persönlicher Versäumnisse oder gar handfester Schuld dienen. Wenn dem so ist, wäre zu hinterfragen,

  • a) wie der Wert dieses guten Gefühls objektiv zu bemessen ist und
  • b) wie die Helfenden subjektiv selbst diesen Wert einschätzen.

Beides sind sehr rationale Überlegungen, die sich sogar teilweise in nackten Zahlen ausdrücken lassen. Sollte beispielsweise eine Person das Gefühl haben, in ihrem Job überbezahlt zu sein (etwa als Makler, der für einen vergleichsweise geringen Aufwand und fast ohne Know-how beträchtliche Summen verdient), könnte diese Person exakt so viel selbstlos spenden, wie sie glaubt zu viel zu verdienen. Damit wäre der Punkt b) beantwortet.

Der Punkt a) könnte nur durch jemanden geklärt werden, der angemessene Einkünfte objektiv berechnen kann. Aus solchen Überlegungen leitet sich die These vom rationalen Altruismus ab. Sie postuliert, dass durch selbstloses Handeln in der Gesellschaft ein Ausgleich für systemische Ungerechtigkeit geschaffen wird. Dieser Ausgleich, auch wenn er selbstlos und mithin anonym stattfindet, ist ein wichtiger Kit für das Zusammenleben. Es ist nämlich müßig, dem Makler per Gesetz seinen Gewinn beschneiden zu wollen. Solche Versuche gibt es immer wieder, doch sie führen zu Marktverwerfungen.

Wenn aber dieser Makler altruistisch handelt, nivelliert er einen Teil der herrschenden Ungerechtigkeit und Not, macht die Gesellschaft damit friedvoller und sicherer und profitiert letzten Endes selbst von einem funktionierenden Gemeinwesen, in welchem sich auch etwas makeln lässt. Dies dürfte ihm selbst klar sein. Daher ist seine Selbstlosigkeit durchaus rational begründbar. Schlecht ist das nicht, doch es hinterlässt ein weiteres Mal die Frage, ob es wirklich Selbstlosigkeit ganz ohne Eigennutz gibt.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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