Was ist „Rasputiza“? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was ist Rasputiza, Bedeutung, Definition, Erklärung


„Rasputiza“ ist der russische Name für die Schlammzeit, die im Osten Europas, vor allem in Russland, in der Ukraine und in Belarus, zweimal im Jahr vorkommt. Die „Wegelosigkeit“, wie die „Rasputiza“ in der deutschen Übersetzung heißt, tritt im Herbst und im Frühjahr ein und kann vier oder mehr Wochen andauern. In den Schlammperioden weicht der Boden auf Hunderten von Quadratkilometern so stark auf, dass er unbefahrbar wird.

Wie entsteht die „Rasputiza“?

Verursacht wird die „Rasputiza“ durch Wetterereignisse in Kombination mit der besonderen Landschaft der betroffenen osteuropäischen Länder: Im Herbst sorgen die Herbstregenfälle, im Frühjahr das Tauwetter und die damit verbundene Schneeschmelze für große Wassermassen. In der weiten Landschaft, in der es wenig Höhenunterschiede gibt, fließen diese Wassermassen nicht ab und müssen vor Ort im Boden versickern oder verdunsten. Besonders schlimm wird die Situation, wenn im Frühjahr zu dem Tauwetter auch noch Regenfälle hinzukommen.

Wie wirkt sich die „Rasputiza“ auf Kriege aus?

In der Geschichte brachte die „Rasputiza“ so manchen Feldzug zum Stillstand und sogar zum Scheitern: Das aufgeweichte Gelände in der Schlammzeit hinderte die Armeen am Vorrücken und schnitt sie vom Nachschub ab.

Napoleons Russlandfeldzug 1812: Der Todesmarsch der Grande Armée

Mit einer Armee von 600.000 Soldaten, der Grande Armée, marschierte Napoleon Bonaparte im Juni 1812 in Russland ein. Durch geschickte Kriegsführung gelang es der russischen Seite, Napoleon nach großen Verlusten zum Rückzug zu zwingen. Im Oktober gab Napoleon seinen Feldzug gegen Russland auf und befahl den Abzug der schon stark dezimierten Armee.

Der Herbstregen hatte inzwischen die Wege in Schlammpisten verwandelt: Die französischen Truppen sahen sich mit der „Rasputiza“ konfrontiert. Im Schlamm kamen die Männer nur quälend langsam voran. Schließlich holte der harte Winter mit Schnee und bitterem Frost die erschöpften Soldaten ein. Tausende erfroren bei den eisigen Temperaturen, tausende Verwundete und Kranke wurden zurückgelassen.

Nur ein kleiner Teil der Grande Armée kehrte nach Frankreich zurück. Napoleons Herrschaft über Europa ging dem Ende entgegen.

Novemberaufstand in Polen 1830/31

Im November 1830 begann in Warschau ein Aufstand, der die Unabhängigkeit Polens vom russischen Kaiserreich zum Ziel hatte. Zar Nikolaus I. entsandte daraufhin Truppen, die auf Warschau vorrücken sollten, um die Revolution niederzuschlagen. Mehr als einen Monat wurde der russische Vormarsch durch die „Rasputiza“ aufgehalten. Trotz einiger Anfangserfolge konnte die zahlenmäßig unterlegene polnische Armee die Rückeroberung Warschaus durch die Russen jedoch nicht verhindern. Im September 1831 war der Aufstand gescheitert.

1. Weltkrieg

Im 1. Weltkrieg (1914-1918) behinderte die „Rasputiza“ mehrere Feldzüge an der Ostfront. In der Folge beschäftigten sich deutsche Wissenschaftler mit dem Phänomen.

2. Weltkrieg

Während des 2. Weltkriegs (1939-1945) begann die deutsche Wehrmacht auf Befehl Adolf Hitlers im Juni 1941 einen Angriffskrieg auf Russland. Geplante Dauer: Drei Monate. Doch erst nach sechs Monaten Krieg stand die deutsche Armee vor Moskau. Wegen des mittlerweile verschlammten Bodens geriet der deutsche Angriff auf Moskau ins Stocken und durch den nachfolgenden Wintereinbruch völlig zum Stillstand. Der Russlandfeldzug wurde für die deutschen Soldaten, die weder für einen langen Kampf noch für den russischen Winter ausgerüstet waren, zu einem Fiasko.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022

Als am 24. Februar 2022 der russische Überfall auf die Ukraine begann, dauerte es nicht lange, bis in den Medien das Phänomen „Rasputiza“ diskutiert wurde. Würde die ukrainische Schlammzeit den russischen Vormarsch behindern?

Im März 2022 äußerte der ukrainische Militäranalyst Mykola Beleskow gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP:“Es gab bereits viele Situationen, in denen russische Panzer und andere Fahrzeuge über die Felder fuhren und stecken blieben. Die Soldaten waren gezwungen, sie zurückzulassen und zu Fuß weiterzugehen“.

Natürlich gibt es in der Ukraine heute befestigte Straßen, auf denen die russischen Militärfahrzeuge fahren können ohne vom Schlamm behindert zu sein. Allerdings sind auf den Straßen die Fahrzeuge anfällig für Angriffe, denen sie nicht ausweichen können.

Im Herbst 2022 wurde wieder spekuliert, ob und wie die Zeit der „Wegelosigkeit“ in Kombination mit dem dann nachfolgenden Winter den Krieg beeinflussen würde.

Fazit: Was bedeutet „Rasputiza“?

Die „Rasputiza“, die Schlammzeit oder Zeit der Wegelosigkeit, trifft einige osteuropäische Länder wie Ukraine, Russland und Belarus im Frühjahr und im Herbst. Jahreszeitlich bedingte Regenfälle, die Schneeschmelze im Frühjahr und die besonderen geografischen Gegebenheiten in diesen Ländern sind die Ursachen für das Phänomen der verschlammten Böden.
Schon mehrfach hatte die „Rasputiza“ in der Vergangenheit erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf kriegerischer Auseinandersetzungen. Besonders in den Russlandfeldzügen Napoleons 1812 und Hitlers im 2. Weltkrieg hat sie Geschichte geschrieben.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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