Bei Queer-Baiting handelt es sich um die Verwendung von Symbolen und Themen der LGBTIQ* Community in Werbung, Film und anderen Medien kommerzieller Popkultur mit der Absicht, Zielgruppen in diesem Bereich zu erschließen. Der Begriff Queer-Baiting wird insbesondere dann für diese Zielgruppen-Orientierung verwendet, wenn es sich um eine rein oberflächliche Annäherung an die Personengruppe im Marketing geht und ein tieferes Verständnis für oder Interesse an ihren Lebenswelten fehlt. Der mit der Bezeichnung als Queer-Baiting in diesem Sinne verbundene Vorwurf ist, sich lediglich aus kommerziellen Interessen der LGBTIQ* Community anzubiedern.
Was ist Queer-Baiting? Bedeutung, Definition, Erklärung
Im Film und anderen popkulturellen Darstellungsformen bezieht sich Queer-Baiting auch auf eine (dem Queer Coding verwandte) Art, durch Andeutungen den Anschein zu erwecken, queere Beziehungen oder Figuren, die der LGBTIQ* Community angehören, würden eine Rolle spielen. Es bleibt jedoch bei den Andeutungen und Symbolen und wird nie offen thematisiert.
Queer-Baiting und Pinkwashing
Queer-Baiting in Werbung und Marketing ist häufig verbunden mit Pinkwashing. Das bedeutet, dass sich eine Firma ein gutes Image verschafft, indem sie sich der LGBTIQ* Community annimmt und sich deren Werte auf die Fahnen schreibt. So nehmen etwa immer mehr Unternehmen an Aktionen wie dem Pride Month teil und schmücken sich in sozialen Medien mit den Regenbogen und anderen Symbolen der Bewegung.
Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich häufig heraus, dass diese Aktionen ausschließlich dem Marketing und der Imagepflege dienen sollen, während etwa in der eigenen Unternehmenskultur nichts für schwule, lesbische, inter oder trans Mitarbeiter*innen getan wird oder in anderen Geschäftsbereichen Diskriminierungen oder andere den behaupteten Werten widersprechende Praktiken Gang und Gebe sind.
Pinkwashing bezieht sich in der Begrifflichkeit mehr auf den Aspekt, ein möglicherweise in anderen Bereichen beschädigtes Firmen- oder Markenimage aufzubessern, indem man durch Regenbogensymbolik das Unternehmen in einem besseren, bunteren oder pinkeren Licht erscheinen lässt. Im Queer-Baiting geht es dagegen mehr darum, die LGBTIQ* Community direkt in der Werbung anzusprechen und sie als Kundengruppe zu gewinnen, während das Unternehmen im eigenen Alltag der im Marketing dargestellten Progressivität nicht entspricht. Oft überschneiden sich diese beiden Aspekte und Queer-Baiting und Pinkwashing lassen sich nicht eindeutig auseinanderhalten.
Queer-Baiting und Queer Coding
Auch mit dem so genannten Queer Coding ist Queer-Baiting verwandt und wird manchmal fast synonym dazu verwendet, insbesondere bei der Diskussion über Filme. Allerdings hat Queer Coding einen anderen historischen Hintergrund und ist daher nicht ausschließlich negativ konnotiert. Beim Queer Coding werden ebenso wie beim Queer-Baiting queere Symbole (Codes) verwendet, ohne dass die Queerness letztlich explizit genannt und offen thematisiert wird.
Queer Coding war früher aufgrund restriktiver Moral häufig die einzige Möglichkeit, queere Themen und Figuren überhaupt in Filmen und anderen Künsten darzustellen. Während Schwule und Lesben beispielsweise die Codes entschlüsseln konnten, verstanden Zensurbehörden gar nicht, um was es eigentlich geht, und ließen die Werke unangetastet. Auch heute gibt es in vielen Ländern der Welt Gesetze und Kulturbehörden, die die Verbreitung offen queerer Darstellungen verbieten und verhindern. Daher werden die meisten Filmproduktionen, die zur internationalen Vermarktung vorbereitet werden, auf mögliche Verstöße gegen Gesetze und Moralvorstellungen in anderen Ländern und Märkten geprüft und gegebenenfalls angepasst. Insofern ist auch heute noch Queer Coding eine Möglichkeit, über implizite Andeutungen dennoch Queerness zu exportieren.
Allerdings wird auch mit dem Queer Coding der Vorwurf des Queer Baiting verbunden, das heißt in diesem Sinne die Kritik, man wolle zwar durch die implizite Thematisierung queerer Themen oder Darstellung scheinbar queerer Figuren die LGBTIQ* Community als Zielgruppe ansprechen, traue sich dann aber doch nicht, dies auch explizit zu tun und offen zum Inhalt des Filmes zu machen. Eine historische Kritik am Queer Coding bezieht sich hingegen auch auf den Aspekt, dass in der Vergangenheit auch bemerkenswert häufig negativ dargestellte Figuren queer kodiert waren – und somit Vorbehalte gegenüber der Queer Community durch Queer Coding subtil verstärkt wurden.
Queer-Baiting, Queer Coding und Pinkwashing bei Disney
Ein prominentes historisches Beispiel für Queer Coding ist der Disney-Film „Arielle, die Meerjungfrau“ von 1989, in dem die Seehexe Ursula optisch der damals bekannten Drag Queen Divine nachempfunden war. Auch in anderen Zeichentrick-Filmen von Disney aus dieser Zeit waren viele Bösewichte und zwielichtige Figuren mit queeren Merkmalen gestaltet. So sind etwa die Schurken Dschafar aus Aladdin (1992) und Scar aus dem König der Löwen (1994) auffällig effeminiert dargestellt.
Andererseits gibt es mit Timon und Pumba bereits im König der Löwen auch insgesamt positiv dargestellte Figuren, deren Beziehung und Ausgestaltung man im Sinne des Queer Coding als gleichgeschlechtliches Paar interpretieren könnte – insbesondere als sie Simba quasi als Pflegekind aufnehmen.
Disney-Filme stehen auch heute im Zentrum der Debatten um Queer-Baiting, da fast jede neue Produktion mit gewissen Anspielungen und Andeutungen angeteasert wird, es könne sich bei einer der Figuren um die erste offen schwule oder lesbische Disney-Figur handeln. Beispielsweise gilt der Song „Let it go“ (in der deutschen Version: „Lass jetzt los“), den die Eisprinzessin Elsa in Frozen (Die Eiskönigin – Völlig unverfroren) singt, als klassisches Outing interpretiert. Allerdings werden die Hoffnungen der Community auf eine offen queere Ikone aus dem Hause Disney wie oben beschrieben letztlich nie ganz erfüllt, damit die Filme auch weltweit vermarktet werden können. Elsa bleibt zwar – anders als frühere Disney-Prinzessinnen – ohne Prinz, aber eben auch ohne Partnerin. So bleibt es allgemein meist beim Queer Coding in einzelnen Szenen, ohne dass je ein explizites Outing erfolgt, was enttäuschte Fans als Queer-Baiting und Pinkwashing kritisieren.