Was ist der Bellizismus? Erklärung, Bedeutung, Definition


Der Bellizismus befürwortet den Krieg und zieht ihn anderen Mitteln der Konfliktlösung vor. Er steht im direkten Gegensatz zum Pazifismus, der den Krieg grundsätzlich ablehnt. Die beiden Worte Pazifismus und Bellizismus sind Antonyme, bezeichnen also zwei direkt entgegengesetzte Haltungen. Pragmatische Politiker und Konfliktforscher lehnen beide Haltungen als übersteigert ab. Nach ihrer Auffassung sollten Staaten weder glauben, mit Krieg ihre Konflikte am effizientesten lösen zu können (Bellizismus), noch sollten sie anstreben, den Krieg um jeden Preis vermeiden zu müssen (Pazifismus).

Was bedeutet „Bellizismus“? Wortherkunft, Erklärung, Bedeutung, Definition

Das Wort leitet sich vom lateinischen bellum für Krieg, von bellicosus = den Krieg betreffend und von bellicus = zum Krieg gehörig ab. Es tauchte ab den 1910er Jahren zunächst im Französischen als bellicisme auf. Die deutsche Übersetzung als Kriegsverherrlichung ist nicht ganz korrekt. Bellizisten verwenden zwar seit 1914, also dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, die Kriegsverherrlichung als propagandistisches Mittel, um die Massen für ihre Kriegsführung zu mobilisieren, doch auf verantwortlichen Positionen als Politiker oder auch Militärs sind ihnen die prekären Folgen des Krieges auch für das eigene Volk durchaus bewusst. Allerdings rechnen sie sich noch mehr Vorzüge durch eine Kriegsführung aus, so die Eroberung fremder Staatsgebiete mitsamt der dortigen Ressourcen.

Kriegspropaganda funktioniert auch über 100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr so recht. Während sich damals noch junge Männer in Europa mit anfänglicher Begeisterung freiwillig zum Militär meldeten, fliehen bekanntlich im Jahr 2022 russische Männer vor der drohenden Einberufung, seit der russische Präsident Putin eine Teilmobilisierung ausrufen ließ. Bellizismus ist daher nicht propagandistisch, sondern relativ pragmatisch konnotiert. Bellizisten ziehen einfach den Krieg mühseligen, aber friedlichen Verhandlungen vor. Sie befürworten ihn allerdings dogmatisch. Es steht für sie außer Frage, dass eine Kriegsführung berechtigt ist. Die einzige Frage für sie ist, ob sie sich lohnt. In diesem Sinne wäre die Haltung des russischen Präsidenten Putin, die zum Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt hat, dem Bellizismus zuzuordnen. Ein vielleicht noch besseres Beispiel für pragmatischen Bellizismus lieferte im Oktober 2022 der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, der auf den Nationalen Volkskongress (ab 16.10.2022) klarstellte, dass man die Wiedervereinigung mit Taiwan anstrebe, und zwar nötigenfalls auch mit militärischen Mitteln.

Ursachen des Bellizismus

Bellizismus wird zwar naturgemäß auch von Militärs vertreten, doch seine eigentliche Ursache ist ein Kriegsenthusiasmus der Zivilgesellschaft. Für Teile europäischer Gesellschaften ist dies für die Jahre ab 1910 gut dokumentiert: Ernst Jünger beschrieb in seinem Buch „Stahlgewitter“ (erschienen 1920) seine eigenen Erfahrungen als Soldat im 1. Weltkrieg und verherrlichte diese als „reinigendes Bad im Stahlgewitter“.

Allerdings wäre Jünger nicht durch diesen Roman berühmt geworden, wenn er simplifiziert hätte. Vielmehr schildert er durchaus drastisch die Brutalität des Krieges, was dazu führte, dass manche Rezipienten den Roman sogar als Antikriegsbuch lasen. Dieses ist er jedoch – im Gegensatz zu „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque (erschienen 1922) – ausdrücklich nicht. Remarque, der ein Deutscher war und wegen seiner Solidarität mit den Franzosen seinen Namen von Merker zu Remarque umdrehte, lehnte den Krieg ausdrücklich ab. Eine Schlüsselszene seines Romans ist die Begegnung eines deutschen und französischen Soldaten in einem Bombentrichter: Die beiden Soldaten bekämpfen sich zunächst mit Messern. Als der Franzose unterliegt und stirbt, nimmt ihm der Deutsche (möglicherweise Remarque selbst, der als Soldat wie Ernst Jünger ebenfalls an der Front war) die Papiere ab, stellt den Namen, das Alter und den Beruf seines Gegners fest, erkennt ihn nun als Menschen und versteht die ganze Absurdität des Krieges.

Dieses Buch gilt als eine Bibel des Pazifismus, während „Stahlgewitter“ praktisch die Bibel des Bellizismus ist. Nun galt Bellizismus nach dem 2. Weltkrieg in großen Teilen der westlichen Gesellschaften als obsolet. Unter dem Eindruck des überwundenen Krieges und der nachfolgenden Aufrüstung der Ost- und Westmächte mit beginnendem Kalten Krieg bildete sich vielmehr eine sehr starke pazifistische Bewegung. Teilweise galt es fast als gesellschaftlicher Konsens, dass der Krieg um jeden Preis zu vermeiden sei. Dieser (nur scheinbare) Konsens schaffte es sogar bis in die Militärdoktrinen der Atommächte: Diese sehen nämlich vor, dass es zwar eine glaubhafte Abschreckung mit Atomwaffen geben müsse, dass aber dennoch ein Atomkrieg „unführbar“ sei, weil er die Menschheit auslöschen könnte. Auf diese Position zieht sich heute bisweilen sogar die russische Führung (wenig glaubhaft) zurück, wenn der Einsatz taktischer Nuklearwaffen in der Ukraine diskutiert wird. Doch in Wahrheit war bei allem medienwirksam inszenierten Pazifismus seit den 1950er Jahren der Bellizismus niemals verschwunden. Seine Anhänger schwiegen nur.

Bellizismus ist in Zivilgesellschaften verwurzelt, wie an modernen propagandistischen Aussagen im russischen TV abzulesen ist. Wie vor über 100 Jahren verherrlichen einige Protagonisten, die selbst nie im Krieg waren, diesen als Sinn- und Erziehungslehre. Das bedeutet: Bellizismus gehört wie Pazifismus zu den unausrottbaren Spielarten menschlichen Denkens. Es ist daher zu vermuten, dass es auch in westlichen Gesellschaften im Jahr 2022 Bellizisten gibt, die sich einen Erstschlag gegen Russland wünschen. Sie schweigen nur (bislang noch).

Bellizismus und Militarismus: Erklärung

Unter Militärs gibt es natürlich Bellizisten, doch sie dominieren keinesfalls das Denken in den Führungsebenen der Armeen. Vielmehr lehnte schon seit dem späten 18. Jahrhundert beispielsweise das preußische Offizierkorps die Idee eines Krieges als vermeintliches „Reinigungsbad des Volkskörpers“ mehrheitlich ab.

Seither, über alle bislang geführten Kriege hinweg und bis zur Gegenwart finden sich unter Offizieren und Soldaten die nüchternsten Betrachter tatsächlicher kriegerischer Handlungen. Sie wissen, dass im Kriegsfall zuerst ihr eigenes Leben auf dem Spiel steht. Der Militarismus ist daher nicht mit dem Bellizismus gleichzusetzen. Militaristen verfolgen nur aus eigenen (auch ökonomisch determinierten) Interessen die Aufwertung des Militärs, wobei sie gern die Drohkulisse eines vermeintlichen oder tatsächlichen Feindes nutzen. Dennoch haben auch ihre Argumente in Teilen ihre Berechtigung. Wenn deutsche Militärs in den vergangenen Jahren vor einem Kaputtsparen der Bundeswehr gewarnt hatten, lagen sie nicht falsch, wie inzwischen die Gesellschaft erkennt.

Der Bellizismus der Zivilgesellschaft wiederum war schon seit dem frühen 19. Jahrhundert eine gegenaufklärerische Reaktion. Sie wurde von Intellektuellen angeführt, die sich gegen die Illusion von ewigem Frieden wehrten. Der deutsche Nationalökonom Max Weber (1864 – 1920) stellte dazu fest, dass der Krieg als realisierte Gewaltandrohung in der modernen politischen Gemeinschaft Pathos, Hingabe, bedingungslose Opfergemeinschaft und Gemeinschaftsgefühle auslöst, die zu einer quasi-religiösen Verbundenheit führen. Sigmund Freud (1856 – 1939) bestätigte diese Auffassung in seinem Essay „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ von 1921, in welchem er unter dem Eindruck des soeben beendeten 1. Weltkrieges feststellte, welch verbindendes Element für die Massen eine gemeinschaftliche aggressive Idee ist.

Freud stellte übrigens in diesem Kontext fest, dass in der heroisierten Masse die Intelligenz des Einzelnen sinkt – ein Phänomen, das nach wie vor auf gewalttätig ausartenden Demonstrationen oder auch in Fußballstadien zu beobachten ist.

Fazit: Was ist der Bellizismus?

Der Bellizismus lebt und dürfte sich gerade zu einer neuen Blüte entwickeln. Da er geistig nicht einfach zu überwinden ist, lässt dies für die kommenden Jahrzehnte nichts Gutes erwarten.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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