Dark Academia ist ein Modetrend vor allem unter Teenagern und sehr jungen Erwachsenen (bis etwa Mitte 20), der auf einen britischen Style der 1920er- bis 1930er-Jahre zurückgreift: Die jungen Menschen ziehen sich an wie Oxford-Studenten der damaligen Zeit, lesen schwere Literatur und schauen sich Kunstfilme an. Damit ist Dark Academia auch ein Lifestyletrend. Verbreitet wurde er etwa seit Ende 2019 vor allem über die sozialen Medien TikTok und Instagram.
Was bedeutet Dark Academia? Bedeutung, Erklärung, Definition
Die Bezeichnung darf wörtlich mit „dunkle akademische Welt“ übersetzt werden. Der Name klingt zwar düster, doch bezieht sich bei der Fashion vor allem auf die bevorzugten dunklen (vielfach schwarzen) Töne, die einfach der klassischen Eleganz der elitären Universitäten geschuldet sind: Dort trug man vor rund 100 Jahren fast ausschließlich schwarze Kleidung, wie auch der Frack von Orchestermusikern schwarz ist, selbst wenn sie fröhliche Stücke spielen. Diese Kleidungsstil ist sehr formell, man trug etwa bis in die 1940er-Jahre in Oxford und Yale nichts anderes. Zur Grundausstattung gehören:
- Anzughosen und je nach Wetter Sakkos und Westen
- Cardigans
- Hemden
- elegante Lederschuhe
- bei den Damen karierte Röcke
- nach Möglichkeit eine großrahmige Brille
Möglicherweise hat die Architektonik der altehrwürdigen Universitätsgebäude den Stil schon damals beeinflusst. Sie repräsentiert vielfach die Gotik, also einen mittelalterlichen Baustil mit dunklen und verwinkelten Räumen, in denen die damaligen Studenten manchmal noch bei Kerzenschein ihre Bücher lasen, was wohl zwangsläufig von Zeit zu Zeit schwermütige Gedanken erzeugt. Zu diesen passt wiederum die tiefgründige klassische Literatur. Zur Literatur ist der Bezug ganz allgemein sehr stark, denn die Begrifflichkeit Dark Academia hat sich in der Neuzeit auch als inoffizielle Genrebezeichnung für Belletristik etabliert, deren Handlung im akademischen Umfeld angesiedelt ist.
Wie ist Dark Academia entstanden? Geschichte, Herkunft
Das lässt sich wie immer im Nachhinein nur schwer nachvollziehen. Fest steht, dass TikTok und Instagram für die Verbreitung maßgebend waren, jedoch verlief die Entwicklung dort rasant und vor allem unübersichtlich. Zunächst fand wohl Dark Academia ab dem Herbst bis Winter 2019 in einer Nische für Sonderlinge statt, der sich alsbald elitäre Hipster anschlossen. Doch in großer Geschwindigkeit wurde daraus ein Hype. Vor allem TikTok ermöglicht schließlich seinen Nutzern in atemberaubender Geschwindigkeit, Millionen von Fans auf der ganzen Welt zu erreichen. Mit kleinen, von Blogposts begleiteten Videos schlich sich dieser an sich biedere, aber sehr ungewöhnliche Modetrend ins Bewusstsein eines sehr großen Publikums. Dieses greift ihn auf und verbreitet ihn online permanent weiter.
Wie sieht Dark Academia im Detail aus? Mode, Bekleidung
Es ist keine gänzlich neue Mode. Die bestimmenden Elemente gab es schon in anderem Kontext, nun wurden sie einfach recycelt. Das ist ja in der Modewelt ein bewährter Kniff: Wenn es aktuell keine sonderlich interessanten Entwicklungen gibt, orientieren sich die Menschen rückwärts und kleiden sich wie vor einigen Jahrzehnten oder – wie in diesem Fall – gar wie vor einem knappen Jahrhundert. Irgendwer hat die Kleidung von Studenten und Privatschülern elitärer Bildungseinrichtungen in ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entdeckt und damit diesen neuen Style ins Leben gerufen. Mit der Mode wurden die Werte von traditionellen Eliteuniversitäten übernommen, die es durchaus in sich haben. Es gehören dazu:
- Wissbegierde und Lerneifer
- großer Fleiß
- die Aufgabe des modernen hedonistischen Lebensstils
- Hinwendung zu Kunst, Literatur und im Speziellen sogar Poesie
Diese Werte gelten für die Anhänger*innen von Dark Academia plötzlich als modernes Ideal, das der schnelllebigen und oberflächlichen Spaßgesellschaft des 21. Jahrhunderts diametral gegenübersteht. Gerade diese Spaßgesellschaft tobt sich ja auf Social Media aus. Wer sich nun in Dark Academia zeigt und die weiteren Werte dazu vertritt, setzt der heimlich verachteten modernen Onlinewelt einen Kontrapunkt entgegen.
Der geistige Überbau für Dark Academia findet sich nicht nur in der Literatur und anderen klassischen Künsten, sondern auch in Filmen: „Club der toten Dichter“ (1989, im Original „Dead Poets Society“, Regie: Peter Weir) könnte eine Blaupause für einige Vertreter*innen von Dark Academia gewesen sein. In diesem Streifen versucht der Lehrer John Keating, die Schüler*innen einer Eliteschule für Literatur und Dichtung zu begeistern, um sie zum freien Denken zu erziehen. Es steckt also hinter Dark Academia auch ein wenig intellektuelle Auflehnung gegen die geistigen Untiefen der heutigen Informationsgesellschaft. Dieses Beispiel ist nur eines von mehreren Kunstwerken aus Film, Literatur und auch Musik, die man aktuell mit Dark Academia assoziiert.
Der Trend lenkt somit die Aufmerksamkeit auf vergeistigte Intellektuelle, die es ja immer schon gab, die aber in der öffentlichen Aufmerksamkeit eher ein Nischendasein fristen. Mit Dark Academia werden sie nun auf ein Podest gehoben. Wer sich dem Trend anschließt, muss mithin selbst etwas intellektuellen Tiefgang mitbringen. Sich dunkel und chic anzuziehen dürfte nicht genügen.
Dark Academia und Light Academia
Es gibt einen Zwillingstrend namens Light Academia, der als leichtherziger und frohmutiger Bruder von Dark Academia gilt. Bei Light Academia geht es eher um die Annehmlichkeiten des Studentenlebens, die ungezwungene Trinkkultur und das soziale Beisammensein in großer Freiheit. Die Farben von Light Academia sind heller, die Mode wirkt weniger streng. Für Außenstehende sind die beiden Stile freilich nur schwer auseinanderzuhalten.
Light Academia will eher hip wirken, weshalb beispielsweise Oberteile weniger altbacken wirken. Dass es neben Dark Academia auch Light Academia gibt, beweist in den Augen von Kennern, dass der ästhetische Aspekt der beiden Stilrichtungen (auch von Dark Academia) überwiegt und man das geistige Drumherum möglicherweise nicht allzu wörtlich nehmen sollte. Das passt zu den Verbreitungswegen: Wer sich vorrangig auf Instagram und TikTok präsentiert, fällt dort weniger durch langatmige Literaturzitate von Klassikern auf. Das geben diese Plattformen einfach nicht her. Es sind soziale Netzwerke für Bilder und Videos.
Mit etwas weniger gutem Willen könnte man daher Dark Academia auch als Inszenierung und Romantisierung einer früheren Welt betrachten, wobei der akademische Anstrich einen neuen, bislang nicht dagewesenen Kick bewirken soll. Dieses notwendige Beiwerk soll den Style authentisch wirken lassen. Damit beugt sich Dark Academia in letzter Konsequenz also doch den Wirkmächten der modernen sozialen Medien. Diese verlangen überspitzte Darstellungen. Wer diesem Zwang nicht folgt, geht gnadenlos unter. Es darf bei kritischer Betrachtung von Dark Academia ohnehin die Frage gestellt werden, wie Menschen, die vermeintlich so sehr in klassische Künste vertieft sind, die Zeit für die Selbstinszenierung in sozialen Medien finden. Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint Dark Academia als ein hilfloser Protestversuch gegen die Oberflächlichkeit der modernen Welt, der aber genau diese Welt mit all ihren Regeln benötigt, um überhaupt zu wirken, was paradox wäre.