Was bedeutet Sachzwang? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was bedeutet Sachzwang, Bedeutung, Definition, Erklärung


Ein Sachzwang ist ein Umstand und eine Notwendigkeit, die dazu führt, dass ein Entscheidungsfeld eingeschränkt wird. Ein Sachzwang führt dazu, dass eine Entscheidung anhand der geänderten Sachlage – und nicht nach den Wünschen einer Person – getroffen werden muss.

Sachzwänge sind oft Erklärungen, warum Entscheidungen auf bestimmte Arten und Weisen getroffen werden.

Was bedeutet Sachzwang? Bedeutung, Definition, Erklärung

Es gibt sie ganz sicher. Hier einige Beispiele:

  • #1: Ein Kleinunternehmer hat schon länger eine bestimmte Investition geplant. Einen Kredit erhält er dafür nicht, also spart er das Geld an. Als er die Investition tätigen will, wird eine unerwartete Steuernachzahlung fällig. Nun muss er hierfür das ersparte Geld verwenden. Die Investition ist aufgrund des Sachzwangs zu verschieben.
  • #2: Eine Lehrerin wollte mit ihrer Klasse ein Schulfest organisieren. Die Vorbereitungen hierfür liefen seit dem Schuljahresbeginn 2019/2020. Das Fest sollte im April 2020 stattfinden. Wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie musste es ausfallen. Die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen fallen in die Kategorie der Sachzwänge.
  • #3: Der Bürgermeister einer kleinen Kommune wollte die Straßenbeleuchtung erneuern. Bei den Haushaltsberatungen stellte sich aber heraus, dass es einen Investitionsstau bei der Straßenerneuerung gibt. Freie Mittel müssen zunächst hierfür verwendet werden. Wegen des Sachzwangs muss die Straßenbeleuchtung warten.

Darüber hinaus gibt es viele vermeintliche Sachzwänge, die mangels Flexibilität oder einfach aus Bequemlichkeit vorgeschoben werden, um Projekte nicht durchzuführen. Das wäre der Fall, wenn

  • #1 der Kleinunternehmer eigentlich doch einen Kredit bekommen könnte, sich aber kaum darum bemüht hat,
  • #2 die Lehrerin das Schulfest mit verändertem Konzept und verschobenem Termin ins Freie verlegen könnte oder
  • #3 der Bürgermeister durch eine Umschichtung von Mitteln und eine Anpassung der Rahmenbedingungen für die Straßenbeleuchtung und die Straßenerneuerung (beides eine Nummer kleiner + zusätzliche kleine Kreditaufnahme) doch beide Projekte parallel durchführen könnte.

Weil es zur Eingrenzung von Handlungsoptionen durch tatsächliche oder vermeintliche Sachzwänge sehr oft Alternativen gibt, ist das grundsätzliche Problem des Sachzwangs hoch umstritten. Philosophen befassen sich damit. Schon länger kritisieren sie, dass aus einem formulierten Faktum ein scheinbar unumstößlicher Handlungszwang abgeleitet wird: „Es regnet, daher muss ich unbedingt den Schirm mitnehmen. Er behindert mich anschließend den ganzen Tag über, doch der Sachzwang (des Regens) lässt mir keine Wahl.“ – Ist es wirklich so? Vielleicht hätte wegen eines leichten Regens am Morgen die Regenjacke genügt.

Warum formulieren wir den Sachzwang? Erklärung, Bedeutung

Psychologisch gesehen erzeugt ein Sachzwang die Tendenz zur freiwilligen Einschränkung unserer Handlungsmöglichkeiten. Dabei können Sachzwänge wie beschrieben wirklich durch materielle Situationsdetails bzw. soziale oder finanzielle Umstände entstehen. Sie schränken auch in der Tat die individuelle Entscheidungsfreiheit ein. Das wiederum bedeutet, dass der Anteil von individuell zu verantwortenden Handlungsvarianten zugunsten des Einflusses von objektiven Situationsbedingungen vermindert wird. Sachzwänge drängen das Individuum eher zu einer bestimmten Handlungsweise, die es selbst so nicht geplant hatte. Dennoch gilt der Sachzwang als kritische Kategorie. Es ist von Fall zu Fall stets schwer auszumachen, ob ein tatsächlicher Sachzwang herrscht oder ob er nur unaufrichtig behauptet wird, um nicht alle Handlungsoptionen ausschöpfen zu müssen. Wir ziehen wiederum die oben genannten Beispiele heran:

  • #1: Der Kleinunternehmer hatte sich in einer früheren Phase bei zwei bis drei Banken um einen Kredit bemüht und ihn nicht erhalten. Daraufhin stand für ihn fest: Ich bekomme keine Kredite, künftig muss ich für Investitionen sparen. Er könnte jedoch nochmals hartnäckig sehr viele Banken befragen bzw. einen Kreditvermittler einschalten, vielleicht hätte er Erfolg. Der Sachzwang macht die Sache schwerer, aber nicht unmöglich.
  • #2: Die Lehrerin könnte mit viel Kraft ihr Schulfest umorganisieren. Der Erfolg ist aber sehr ungewiss. Vielleicht ist es effizienter, wenn sie sich dem Sachzwang beugt.
  • #3: Auch beim Bürgermeister ist es eine Frage der Effizienz, ob er dem vermeintlichen oder tatsächlichen Sachzwang nachgibt oder mühselig alle anderen Handlungsoptionen prüfen lässt. Allerdings erwartet man von ihm in seiner Position (anders als vom Kleinunternehmer), dass er dicke Bretter bohrt und sich die entsprechende Mühe macht.

Sachzwänge und die Moral

Als sehr kritisch gilt das Vorschieben von vermeintlichen Sachzwängen, wenn es mit dem Abwälzen von moralischer Verantwortung verbunden wird. In diesem Punkt gilt: Je geringer die moralische Verantwortung für ein Handeln erscheint, desto größer ist die Versuchung, einen Sachzwang als Begründung für die unterlassene Handlung vorzuschieben:

  • #1: Der Kleinunternehmer ist nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Die aufgeschobene Investition kann sein Geschäft langfristig am schnellen Wachstum hindern, doch a) weiß er das nur selbst und b) geht sein dadurch schrumpfender Gewinn nur ihn selbst etwas an. Bestenfalls seine Familie könnte darunter leiden, dass er weniger als gewünscht verdient. Doch diese weiß nichts vom Zusammenhang zwischen aufgeschobener Investition und gebremstem Wachstum. Die Versuchung ist daher groß, einen Sachzwang vorzuschieben. Gegen die Steuerforderung des Finanzamts kann man halt nichts machen.
  • #2: Die Lehrerin sieht sich in einer sehr großen moralischen Verantwortung. Zudem wird ihr Verhalten von sehr vielen Menschen beobachtet, nämlich den SchülerInnen, deren Familien, den übrigen Klassen und dem Kollegium. Vielleicht hat sich sogar schon die lokale Presse für das Schulfest unter Corona-Bedingungen interessiert. Es ist für die Lehrerin daher moralisch sehr schwer, sich dem Sachzwang zu beugen. Dabei hätte sie durchaus das Recht dazu.
  • #3: Der Kommunalpolitiker weiß sehr viele Argumente, um die moralische Verantwortung von sich zu schieben. Er muss aber damit rechnen, dass die Opposition im Stadtparlament kritische Fragen stellt und somit als moralische Instanz fungiert. Das ist ihre politische Aufgabe. Möglicherweise schafft sie es, dass der Bürgermeister nicht einfach vermeintlichen Sachzwängen nachgibt.

Es erschließt sich, dass Sachzwänge genauestens beurteilt werden sollten. Die Argumentation mit ihnen, um Handlungen bzw. ihre Unterlassung zu begründen, dürfte stets kritisch betrachtet werden. Wo es wie in unserem Fall #1 kaum eine kritische Instanz gibt, sollte die betreffende Person (der Kleinunternehmer) auf die eigene kritische Stimme in seinem Inneren hören.

Fazit: Was bedeutet Sachzwang? Bedeutung, Definition, Erklärung

Es gibt objektive Sachzwänge, doch fast immer gibt es auch Handlungsalternativen. Äußere Einflüsse können unsere Handlungsfreiheit objektiv begrenzen, allerdings sollten wir wegen der moralischen Verantwortung für unser Handeln stets alle Alternativen prüfen, bevor wir uns dem Sachzwang beugen. Diesen zu leugnen gilt andererseits als irrational. Das wäre die Haltung: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“ So einfach ist es leider nicht.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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