„Krokodilstränen zu vergießen“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für ein geheucheltes Weinen. Es unterstellt einer Person, der Tränen aus den Augen schießen, unehrlich zu sein. Krokodilstränen sind ein Symbol für nicht ernst gemeinte Empathie und Trauer. Der Begriff wird 1873 lexikalisch erwähnt. Die Gebrüder Grimm haben „Krokodilstränen vergießen“ im Deutschen Wörterbuch aufgenommen. Die damalige Erklärung lautet: „wie sie ( die Tränen) ein Krokodil weint, nach dem Glauben, dass das Krokodil seine Opfer anlocke durch weinen wie ein Kind oder dass es sein Opfer während des Mordes Beweine.“ Die Redewendung hat keinen positiven Hintergrund und ist nicht als Kompliment gemeint.
Was bedeutet „Krokodilstränen vergießen“? Bedeutung, Definition, Erklärung
Der französische Mönch Bartholomaeus Anglicus verfasste im 13. Jahrhundert eine naturwissenschaftliche Enzyklopädie. Unter anderem zeichnete er einen Eintrag über das Fressverhalten von Krokodilen auf. Er beschrieb, dass Krokodile weinen würden, wenn sie einen Menschen fressen. Übertragen auf menschlichen Verhalten ergab sich daraus die Erklärung, ein Krokodil würde den Tod seines Opfers beweinen. Die mündliche Verbreitung in Kombination mit einer kreativen Dichtkunst veränderte die Aussage. Im Laufe des Mittelalters wandelte sich die Erklärung dahin, dass Krokodile wie kleine Kinder weinen, um Beute anzulocken. Das furchteinflößende Reptil wandte eine List an und verschlang erbarmungslos seine Opfer. Dieses drastische Bild setze sich in den Köpfen der Menschen fest wird bis heute verwendet, wenn Menschen Trauer und Betroffenheit vortäuschen.
Krokodilstränen in naturwissenschaftlicher Betrachtung
Wissenschaftler sind dem Phänomen des weinenden Krokodils auf den Grund gegangen. Kleine Krokodile geben Geräusche von sich, die dem Weinen ähneln. Stecken die Jungen noch im Ei, beginnen sie ein bis zwei Tage vor dem Ausschlüpfen damit klagende Töne von sich zu geben. Für die Wache haltende Mutter ist dies ein Signal, das ihre Jungen bald die Eihülle durchbrechen. Diese quäkenden Töne assoziieren, dass Krokodile weinen können, dies jedoch nicht aus Traurigkeit machen.
Ein zweiter wissenschaftlicher Aspekt bezieht sich auf das fressende Krokodil. Reptilien haben Tränendrüsen, um ihre Augen feucht zu halten. In den Tränenkanälen wird eine Flüssigkeit produziert, die sich wie ein Film über das Auge legt und das Auge so gesund erhält. Bei den Krokodilen liegen Speichel- und Tränendrüsen sehr eng beieinander. Öffnet das Tier sein Maul sehr weit, so wird Druck auf die Tränendrüsen hinter dem dritten Augenlid ausgeübt und es erscheint der Eindruck, ein Krokodil würde weinen. Diese Kuriosität ist ein physiologischer Vorgang, der nicht mit der Vorstellung von Emotionen zusammenpasst. Krokodile fressen zum Überleben und mit großer Wahrscheinlichkeit weinen sie ihrer Nahrung nicht nach. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind Menschen die einzigen Lebewesen, die aus emotionalen Gründen weinen.
Ein sehr kleiner Kreis von Forschern unterstützt die Theorie, dass Krokodile über ein Augensekret überschüssiges Salz im Körper Ausscheiden. Über die Nahrung und das Wasser nehmen die Tiere Salze auf, die der Körper nicht benötigt. Über eine tränenähnliche Flüssigkeit sondern Krokodile das Salz wieder ab und es erscheint der Eindruck, Tränen würden aus den Augen laufen.
Krokodilstränen weinen in anderen Ländern
Die Redewendung ist in unterschiedlichen Sprachen bekannt. Engländer nennen das verlogene Weinen “crocodile tears“. In Frankreich entlarven „Larmes de crocodile“ falsche Tränen und in den Niederlanden die „krokodilletranen“. Selten nehmen Redewendungen in unterschiedlichen Sprachen Bezug auf den gleichen Ursprung und sind im europäischen Raum in einem hohen Maß ähnlich wie das falsche Weinen der Krokodile.