Windelfreie Erziehung ist ein Konzept beziehungsweise eine Idee, die auf dem Gedanken basiert, dass Babys schon ab der Geburt in der Lage sind, ihre Ausscheidungen zu kontrollieren und dies kommunizieren. Es geht nicht prinzipiell darum, dem Baby nie eine Windel anzuziehen, sondern um die Kommunikation zwischen Eltern und Kind, damit der Zeitpunkt der Ausscheidung erkannt und das Baby sein „Geschäft“ über einen Topf, Toilette oder Waschbecken erledigen kann. Dies wird auch als „Abhalten“ eines Babys bezeichnet.
Was ist die Windelfreie Erziehung? Bedeutung, Definition, Erklärung
Der Gedanke, dem Baby keine Windel anzuziehen und es einfach „machen“ zu lassen, ist in der heutigen Zeit im europäischen Raum auf den ersten Blick ungewöhnlich. Es ist jedoch eine Tatsache, dass schon vor vielen tausenden von Jahren Eltern ihren Babys keine Windeln angezogen haben, da es damals schlichtweg noch keine gab. Allmählich begannen einige Urvölker Windeln zu erfinden, so gibt es beispielsweise Berichte von wasserdichten Windeln aus Leder oder Fellen, die als Saugeinlage mit Moos oder weicher Baumrinde gefüllt wurden.
Auch heute gibt es noch in einigen afrikanischen Ländern und indischen Regionen Stämme, die ihren Nachwuchs bereits mit wenigen Wochen bis Monaten abhalten, das heißt, kontrolliert ausscheiden lassen. Es ist dort gängige Praxis, die Kleinen bei Ankündigung durch bestimmte Signale über ein Loch in der Erde zu halten und sie dorthin ausscheiden zu lassen.
Vom hygienischen Gesichtspunkt aus gesehen ist dies äußerst wichtig, da in urzeitlicher Vergangenheit und auch später der Geruch von Kot und Urin der Babys und Kinder ihren Aufenthaltsort preisgegeben und somit wilde gefährliche Tiere angelockt hätte. Es ist also durchaus verständlich, dass diese Praktik des „Abhaltens“ eines Babys Teil eines normalen Alltags war und keine Außerordentlichkeit.
Baby Abhalten: Kontrolle, Signale und Zeiten
Lange Zeit war man der Auffassung, dass Neugeborene noch nicht in der Lage sind, die Entleerung der Blase und des Darmes zu kontrollieren und selbst zu steuern. Dies ist zwar noch immer gängige Meinung, wurde aber bereits vor Längerem widerlegt. Bereits ab der Geburt signalisieren Babys mit Lauten, Gesichtsausdrücken oder Verhaltensweisen, dass sie ausscheiden (werden).
Frischgebackene Eltern sind aber häufig zunächst überwältigt von der neuen Gesamtsituation im Alltag und oft werden sich vor der Geburt auch einfach keine Gedanken über das „Windelthema“ gemacht. Mit der Gewöhnung aneinander und sich einstellender Routine können Signale entdeckt werden, die das Baby macht, wenn es ausscheidet.
Häufig wird das Baby unruhig, weint und schreit, wenn es Urin ablässt. Bei „großen Geschäften“ ziehen Babys häufig die Beine an, drücken mit hochrotem Kopf und pupsen vermehrt. Diese Signale sind jedoch von Kind zu Kind unterschiedlich und können stark voneinander abweichen. Eltern können durch Beobachtung und viel Nähe schnell die Signale ihres eigenen Kindes erkennen, wenn es ausscheidet.
Der Zeitpunkt ist ebenso individuell, viele Babys entleeren sich jedoch nach dem Aufwachen oder kurz nach oder während des Stillens oder der Fläschchengabe. Auch hier gilt es, durch viel Zeit miteinander und aufmerksames Beobachten die üblichen Zeiten zu erkennen, wann das Baby mal „muss“.
Windelfrei mit Windel
Der Begriff Windelfrei ist insofern teilweise irreführend, dass es zu 99% nicht der Tatsachen entspricht, dass gar keine Windel getragen wird. Die meisten windelfreien Babys tragen sehr wohl Windeln, oft jedoch nur Abhaltewindeln. Das sind spezielle Stoffwindeln, die sich besonders schnell und mit einer Hand öffnen lassen. Aber auch Stoffwindeln und Wegwerfwindeln findet man bei „windelfreien Babys“.
Es geht bei der windelfreien Erziehung in erster Linie auch darum, dass das Baby oder das Kind sich und seinen Körper, seine Signale kennenlernt und weiß, wann es auf Toilette muss. Es ist also kein starrer Begriff bzw. Definition und lässt viel Raum für eigene Varianten von „windelfrei“.
Was bedeutet „Baby abhalten“? Bedeutung, Definition, Erklärung
Dem Begriff „Abhalten“ können im Grunde zwei Bedeutungen in der windelfreien Erziehung zugesprochen werden. Zum einen bezeichnet es die Aktion des Halten eines Babys oder eines Kindes über einem Topf oder ein anderes Gefäß zwecks Entleerung des Darmes oder der Blase. Zum anderen kann man darunter verstehen, dass man versucht, das Baby davon abzuhalten, in die Windel bzw., wenn es ohne Windel ist, in die Hose zu machen.
Beim Abhalten gilt es hauptsächlich zu beachten, dass das Baby in einer bequemen Position gehalten wird, sowohl für das Baby als auch für den, der es hält. Es gibt unzählig viele Positionen, von denen man durch Ausprobieren die beste für sich finden muss. Dem Baby wird durch Konditionierung ein Signallaut für das Wasserlassen oder Kot ausscheiden beigebracht, bei dem es dann weiß, dass es jetzt ausscheiden darf. Dies ist praktisch, damit das „Geschäft“ auch dort landet, wo es hinsoll.
Auch gilt zu beachten, dass Neugeborene anders gehalten werden müssen als ältere Säuglinge oder Kleinkinder. Neugeborene müssen nämlich besonders stark gestützt werden, da ihr Körpertonus noch sehr schwach ausgebildet ist. Ältere Säuglinge, die schon den Kopf selbst aufrecht halten können, bedürfen wiederum anderer Stützen beim Abhalten.
Vor- und Nachteile der windelfreien Erziehung/des Abhaltens
Da in europäischen Breitengraden der Bezug zur „Windelfreiheit“ in der Vergangenheit verloren gegangen ist, liegt der Gedanke nahe, dass es hauptsächlich Nachteile einer windelfreien Erziehung bzw. des Abhaltens gibt.
Der Nachteil, der am schnellsten in den Sinn kommt ist tatsächlich der, dass es durch das Weglassen der Windel viele Sauereien gibt. Dies stimmt auch zum Teil, da es eine Zeitlang dauert, bis die Kommunikation über die Ausscheidungen des Babys so aufeinander abgestimmt ist, dass immer der richtige Zeitpunkt zum Abhalten erwischt wird. Und um dies zu schaffen, benötigt es sehr viel Zeit, besonders am Anfang der windelfreien Zeit.
Ebenso können Vorurteile von Außenstehenden schnell dazu führen, das Vorhaben der windelfreien Erziehung schnell auf Eis zu legen, da es für die meisten Menschen unverständlich ist, warum man sich im Zeitalter von Wegwerfwindeln und Zeitnot mit so etwas „urtümlichen“ und langwierigem wie dem Abhalten bzw. Windelfreiheit beschäftigen möchte.
Die Idee der windelfreien Erziehung hat aber auf der anderen Seite auch Vorteile. Durch das intensive Beschäftigen mit dem eigenen Körper und dessen (Verdauungs-)Prozessen lernen Babys und Kinder, die auch nur ab und zu windelfrei sind und abgehalten werden, bewiesenermaßen viel schneller allein auf Toilette zu gehen bzw. trocken zu werden. Und sind sie erst einmal trocken, spart man die Zeit des Wickelns hier wieder ein.
Auch wenn windelfreie Kinder teilweise Windeln tragen, beispielsweise nachts oder bei langen Autofahrten, sind es häufig Stoffwindeln oder spezielle Abhaltewindeln, welche wiederum gewaschen werden und keinen Müll produzieren. Dieser wird auch verhindert und gespart, wenn das Baby dann früh trocken wird. Somit ist das Abhalten bzw. die windelfreie Erziehung auch eine gute Tat für die Umwelt und das Portemonnaie.
Manche Eltern praktizieren Windelfrei auch nur in „Teilzeit“. Sie lassen das Baby zuhause in vertrauter Umgebung und bei angenehm warmen Temperaturen windelfrei herumlaufen (wobei immer auf reichlich saugfähige Unterlagen geachtet werden muss) und ziehen ihm außer Haus Windeln an. Oder das Baby bekommt nur nachts Windeln an, denn ein weiterer Nachteil beim Abhalten ist neben dem, dass es oft körperlich anstrengend ist, das Baby so lange zu halten bis etwas kommt, auch der, dass bei konsequentem Abhalten dies auch nachts ansteht. Das kann dann schnell die ganze Familie auf die Beine bringen und stört die Nachtruhe. Hier gibt es aber praktische Helfer, wie zum Beispiel spezielle Töpfe, die man auch nachts neben dem Bett stehen haben kann und das Abhalten direkt vor Ort, ohne Verlassen des Raumes, ermöglichen.
Der Zeitfaktor bei der windelfreien Erziehung darf aber nicht nur als Nachteil gezählt werden, was das Lernen und die Gewöhnung daran angeht. Durch das Abhalten wird auch sehr viel Zeit gespart, denn wenn man beispielsweise Töpfe benutzt, ist man damit mobil und kann während des Stillens oder der Fläschchengabe abhalten. Oder man nimmt außer Haus den nächsten Busch.