Der Daumen unterscheidet sich anatomisch und funktionell von den Fingern. Seine Sonderstellung als Glied der Hand verschaffte den Primaten außerordentliche evolutionäre Vorteile, die sich bis zur Menschwerdung fortsetzten und nach wie vor bestehen.
Sichtbare Unterschiede zwischen Daumen und Fingern
Nicht nur seine Stellung, sondern auch sein Aufbau unterscheidet den Daumen von den Fingern: Diese haben drei Knochen, beim Daumen sind es nur zwei. Er steht auch vollkommen anders am Handteller, was ihn so vorteilhaft macht: Durch seine Stellung gegenüber der Mitte zwischen Zeige- und Mittelfinger ist er opponierbar. Er kann sich zu den Fingern und zum Handteller hin bewegen. Damit kann er die Spitzen der Finger berühren, was erst das geschickte und differenzierte Greifen ermöglicht. Diese Stellung ist die Opposition (Gegenüberstellung) des Daumens. Es gibt auch bei manchen Füßen von Tieren eine Opposition. Sie verfügen über die Fähigkeit, ihre erste Zehe per Pinzettengriff den anderen gegenüberzustellen. Doch die beste Opposition haben die Daumen von Menschen, gefolgt von denen der Menschenaffen.
Wann hat sich der Daumen so entwickelt?
Nach Forschungen der Universität Tübingen dürfte der Prozess bei den Primaten vor rund zwei Millionen Jahren eingesetzt haben. Bereits der Homo erectus konnte demnach relativ geschickt mit seinem Daumen umgehen. Dies verschaffte der Spezies die Fähigkeit, frühe Steinwerkzeuge herzustellen und zu benutzen.
Die Knochen des Daumens
Die beiden direkt am Daumen sichtbaren Knochen sind der Phalanx proximalis (näher zum Handteller) und Phalanx distalis (Endglied). Funktionell gehört allerdings der Os metacarpale I (erster Mittelhandknochen) eigentlich auch zum Daumen. Er lässt sich mit dem Daumensattelgelenk artikulieren (ansteuern) und ermöglicht damit die höhere Bewegungsfreiheit des Daumens. Die distale (vom Handteller entfernteste) Stelle des Os metacarpale I weist häufig ein Sesambein auf. Dieses ist ein kleiner, in eine Sehne eingelagerter Knochen, welcher der Sehne einen größeren Hebel verschafft und nochmals die Beweglichkeit des Daumens erhöht.
Faustschluss durch den Daumen
Der Faustschluss ist nur möglich, weil der Daumen in Opposition zu den Fingern steht und besonders beweglich ist. Beide Eigenschaften zusammengenommen sind die Voraussetzung für das kräftige Greifen und führten zum entscheidenden evolutionären Entwicklungssprung der Primaten gegenüber anderen Affenarten und allen übrigen Tieren. Es gibt auch Affenarten (sogenannte Neuweltaffen), die zwar einen Daumen haben, ihn aber nur adduzieren (heranführen), aber nicht opponieren können. Zur Opposition des Primatendaumens gehören auch eine sehr differenzierte Muskulatur und die besondere Beweglichkeit durch die Sehnen und Gelenke im Daumen. Er verfügt über neun Einzelmuskeln. Auch das unterscheidet ihn von den Fingern, weshalb er evolutionstechnisch diesen nicht zugeordnet wird.
Die Unterschiede zwischen Daumen und Fingern setzen sich im Gehirn fort: Diejenigen Hirnareale, die ihn steuern, sind deutlich größer gegenüber denen für die anderen Finger. Ein weiterer Unterschied ist beim Daumennagel festzustellen: Er wächst deutlich langsamer als die Fingernägel und würde sich im Gegensatz zu diesen bei einem sehr langen Wachstum zu einer Spirale zusammenrollen.
Entstehung des Daumengelenks
Das Daumengelenk ist im Gegensatz zu den anderen Gelenken relativ jung. Es entstand vor rund acht Millionen Jahren, während das übrige Skelett seine prägende Form schon bei den frühen Menschenartigen im Miozän vor rund 20 Millionen Jahren ausbildete. Daher ist das Daumengelenk deutlich weniger belastbar als andere Gelenke (darunter die der Finger). Dies führt unter anderem dazu, dass ~80 % der aller Frauen ab dem 40. Lebensjahr von der Wachstumsstörung Rhizarthrose betroffen sind, die mehr oder minder stark ausfällt und nicht unbedingt belastend sein muss. Sie führt aber dazu, dass ihr Sattelgelenk am Daumen schräg steht. Dieses spezielle Gelenk macht den Daumen besonders beweglich, es ist aber auch empfindlich.
Ebenfalls der Jugend des Daumens schreibt man verschiedene Anomalien zu, darunter den Doppeldaumen (zwei Daumen an einer Hand) als häufigste Fehlbildung der Hand, den dreigliedrigen Daumen und die Typ-D-Brachydaktylie mit verkürztem Endglied inklusive kürzerem Fingernagel. Auch hiervon sind Frauen häufiger betroffen. Diese Anomalie kann ein- oder beidseitig auftreten.
Woher hat der Daumen seinen Namen?
Im Althochdeutschen hieß er Dumo oder Dum, im Mittelhochdeutschen Dume. Beide Worte leiteten sich vom westgermanischen Wort thuman ab, das mit dem vorindogermanischen tum verwandt ist. Es bedeutete „geschwollen sein“ „besonders starker Finger“ und ebenso „Zoll, Daumenbreit“. Das Wort Tumor (Geschwulst) kommt vom gleichen Wortstamm.
Der sprichwörtliche Daumen
Die Menschen schätzen ihren Daumen sehr und binden ihn in zahllose Sprichwörter ein. Sie schätzen etwas π (pi) mal Daumen oder auch Daumen mal Fensterkreuz, was bedeutet, dass sie den Daumen gegen das Fensterkreuz heben und dann die Entfernung über den Daumen peilen, was schon wieder ein eigenes Sprichwort ist. Daraus leiten sie auch ihre Daumenregeln ab. Wer mit Pflanzen geschickt umgehen kann, hat einen grünen Daumen. Wenn jemand Glück braucht, drücken wir ihm fest beide Daumen. Müßiggang unterstreichen wir mit Däumchen drehen, was ja tatsächlich eine gelangweilte Bewegung sein kann. Der Däumling ist im Märchen ein ganz besonders kleiner Mensch. Wer etwas für sich fixiert, hat den Daumen drauf. Der englische Begriff thumbnail (Daumennagel) bezeichnet das daumennagelgroße Vorschaubild.