Erbrecht für Frauen in Deutschland: Infos, Fakten, Wissenswertes


Frauen und Männer sind im Erbrecht gleichgestellt. Verstirbt der Ehepartner vor der Frau, ist die Situation der Frau erbrechtlich zwar die gleiche, als wenn die Frau zuerst verstorben wäre. Trotzdem ist die Situation oft eine andere, weil die Frau wirtschaftlich, mental oder im Hinblick auf die Erziehung und Betreuung der Kinder eine vielleicht andere Lebensgeschichte hat. Vieles, was im Erbfall falsch gemacht oder falsch gedacht wird, beruht auf Irrtümern. Sprechen wir darüber, was Sie als Frau im Erbfall wissen sollten.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Erbrecht und Statistik?

In Deutschland lebten 2020 etwa 42 Millionen Frauen und 41 Millionen Männer. Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau in Deutschland liegt bei rund 83,4 Jahren. Männer werden im Schnitt etwa 78,6 Jahre alt (Quelle: statista.com). Wenn man dann noch berücksichtigt, dass etwa 70 % der Ehefrauen ihren Ehepartner überleben, verwundert es nicht, dass Frauen im Erbfall in besonderem Maße vor Herausforderungen stehen.

Ihr Vermögen ist nicht Ihr gemeinsames Vermögen

Viele Ehepartner betrachten ihr Vermögen, sei es die Wohnung, das Auto und das Bargeld auf dem Girokonto, als gemeinsames Eigentum. Wegen dieser Vorstellung erwarten sie, dass das Vermögen nach dem Tod des Partners in vollem Umfang an den überlebenden Ehepartner vererbt wird.

Lebten die Ehepartner aber im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist es tatsächlich so, dass die Vermögenswerte trotz der Eheschließung getrennt bleiben und jedem das allein gehört, was er oder sie zu alleinigem Eigentum erworben hat. Ihr Anteil am Vermögenszuwachs des verstorbenen Ehepartners erfolgt nur im Wege des Zugewinnausgleichs.

Vielfach wird angenommen, dass der überlebende Ehepartner immer allein und alles erbt. Tatsächlich ist es zu, dass Sie als überlebender Ehepartner nur anteilmäßig erben, sofern es noch andere gesetzliche Erben gibt. Im Erbfall erben Sie nur entsprechend Ihres gesetzlichen Erbrechts. Ist ein Kind vorhanden, erbt das Kind als gesetzlicher Erbe mit. Gleiches gilt, wenn der Erblasser einen Elternteil hinterlässt.

Erbrecht: Keine automatische Haftung der Ehefrau für Verbindlichkeiten des Partners

Hat Ihr Ehepartner in der Ehe Verbindlichkeiten begründet, ohne dass Sie dafür vertraglich die Haftung mit übernommen haben, haftet er allein. Bei Eintritt des Erbfalls müssen Sie aufpassen:

Hinterlässt Ihr Ehepartner Schulden, die den Wert des Nachlasses übersteigen, können Sie die Erbschaft ausschlagen. Wichtig ist, die Sie Ausschlagung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Eintritt des Erbfalls gegenüber dem Nachlassgericht erklären. Erklären Sie sich nicht, gilt das Erbe nach Ablauf von sechs Wochen als angenommen. Als gesetzliche Erbin Ihres Partners haften Sie in diesem Fall auch für die Verbindlichkeiten des Partners, eben weil Sie Erbin und Rechtsnachfolger sind. Ist die Werthaltigkeit zweifelhaft, können Sie beim Nachlassgericht auch die Nachlassverwaltung beantragen.

Geliebten-Testament

Hat Ihr verstorbener Ehepartner seine Geliebte testamentarisch zur alleinigen Erbin bestimmt, ist er aufgrund der Testierfreiheit im Erbrecht moralisch nicht gehindert, die Familie oder Angehörige zurückzuversetzen. In der Rechtsprechung ist abgeklärt, dass ein solches Testament nicht deshalb schon sittenwidrig ist, weil zwischen dem Erblasser und der Geliebten ein außereheliches Liebesverhältnis bestand.

Allerdings kann das Testament („Mätressen-Testament“) nach der Rechtsprechung nichtig sein, wenn der Partner das sittenwidrige Verhalten der Geliebten belohnen wollte („Hergabe für die Hingabe“) oder das Testament aus einer familienfeindlichen Gesinnung errichtet hat. Danach kann ein Geliebten-Testament sittenwidrig und nichtig sein, wenn: …

  • Der Erblasser die Geliebte ausschließlich für die sexuelle Hingabe entlohnen wollte,
  • in besonders schwerwiegenden Maße Angehörige benachteiligt hat oder
  • keine anerkennungswürdigen Gründe für die Erbeinsetzung der Geliebten erkennbar sind. Sofern der Ehepartner die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin damit begründet, dass er vor seinem Tod aufopferungsvoll gepflegt wurde, sollte dieses durchaus beachtenswerte Motiv ausdrücklich im Testament beschrieben sein.

Als gesetzliche Erbin könnten Sie ein solches Mätressen-Testament beim Nachlassgericht anfechten. Hat die Anfechtung keine Aussichten auf Erfolg, steht Ihnen als gesetzliche Erbin zumindest der gesetzliche Pflichtteil zu. Der Pflichtteil beträgt der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils. Ihr Erbteil hängt davon ab, ob und wieweit es noch weitere gesetzliche und damit pflichtteilsberechtigte Erben gibt.

Bankkonten

Lautet das Bankkonto ausschließlich auf den Namen des verstorbenen Ehepartners, fällt das Guthaben in den Nachlass. Sie haben als überlebender Ehepartner kein Zugriffsrecht, es sei denn, Sie verfügen über eine speziell erteilte Bankvollmacht.

Wurde das Konto als „Und-Konto“ eingerichtet, so dass Sie nur gemeinsam verfügen können, sperrt die Bank das Konto im Erbfall so lange, bis die Erbfolge geklärt ist. Wurde das Konto als „Oder-Konto“ eingerichtet, können Sie zumindest in Höhe der Hälfte des Guthabens verfügen. Da es sich dabei um ein Gemeinschaftskonto handelt, steht jedem Ehepartner die Hälfte des Guthabens zu. Umgekehrt haften Sie aber auch für die Hälfte des Saldos. Die Hälfte des verstorbenen Ehepartners ist mit dem Nachlass auseinanderzusetzen.

Ehegatten-Voraus

Der Ehegatten-Voraus ist eine Spezialität des Erbrechts. Verstirbt der Partner, gehören der Frau alle Haushaltsgegenstände des gemeinsamen Haushalts. Sie erhalten diese Gegenstände im Voraus zu Ihrem Anteil am Nachlass. Der Voraus umfasst die Haushaltsgeräte, Möbel und Hochzeitsgeschenke. Alle anderen Gegenstände, die nicht der Haushaltsführung dienen, gehören zum Nachlass und sind unter den Erben aufzuteilen.

Dreißigster

Verstirbt Ihr Partner, haben Sie Anspruch auf Unterhalt und die Nutzung der gemeinsamen Wohnung für die Dauer von 30 Tagen ab dem Erbfall. Dies ist der sogenannte „Dreißigste“.

Immobilien

Die Eigentumsverhältnisse an einer Immobilie richten sich nach der Eintragung im Grundbuch. Ehepaare sind meist als Miteigentümer eingetragen.

Wohnen Sie gemeinsam in einer Wohnung oder in einem Haus, fällt nur der Anteil des Partners in den Nachlass. Sind Sie alleinige Erbin, können Sie veranlassen, dass der Miteigentumsanteil des verstorbenen Partners im Grundbuch auf Ihren Namen umgeschrieben wird. Dafür benötigen Sie einen Erbschein, es sei denn, der Partner hinterlässt ein notarielles Testament oder hat seine Erbfolge zu Ihren Gunsten in einem Erbvertrag geregelt.

Wie wirkt sich der Güterstand auf die Erbfolge aus?

Haben Sie nicht ausdrücklich und in notarieller Form Gütertrennung oder Gütergemeinschaft vereinbart, leben Sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Zugewinngemeinschaft bedeutet, dass jeder Ehepartner alles als persönliches Eigentum behält, was er oder sie in die Ehe eingebracht hat und in der Ehe erworben hat. Diese Zugewinngemeinschaft wird im Fall der Scheidung und im Fall des Todes eines Partners aufgelöst. Am Vermögen des Partners sind also nur durch den Zugewinnausgleich beteiligt.

Hinterlässt Ihr verstorbener Partner kein Testament und haben Sie keinen Erbvertrag beurkundet, können Sie den Zugewinn realisieren, indem Sie die erbrechtliche Lösung oder die güterrechtliche Lösung wählen. Sie haben ein Wahlrecht.

Erbrechtliche Lösung (großer Pflichtteil)

Bei der erbrechtlichen Lösung erhalten Sie neben einem Kind zunächst ein Viertel des Nachlasses. Um den Zugewinn ihres verstorbenen Partners zu berücksichtigen, wird der gesetzliche Erbteil um ein weiteres Viertel pauschal erhöht. Haben Sie keine Kinder, beträgt der gesetzliche Erbteil die Hälfte des Nachlasses zzgl. ¼ Zugewinnausgleich.

Dies gilt auch dann, wenn ihr Partner während der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat. Diese pauschale Erhöhung des Erbanteils schützt Sie davor, mit anderen Erben über die Höhe des Zugewinns streiten zu müssen.

Güterrechtliche Lösung (kleiner Pflichtteil)

Die erbrechtliche Lösung ist nicht immer die beste Lösung. Sie können die Erbschaft wahlweise ausschlagen und stattdessen den kleinen Pflichtteil geltend machen sowie den Zugewinnausgleich genau berechnen. Der kleine Pflichtteil beträgt die Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils. Diese güterrechtliche Lösung kann vorteilhaft sein, wenn Kinder miterben und Sie selbst kein oder nur wenig Anfangsvermögen in die Ehe eingebracht und auch während der Ehe kein oder nur wenig eigenes Vermögen erworben haben, während umgekehrt der verstorbene Ehepartner einen höheren Vermögenszuwachs erzielen konnte. Sie profitieren auf diesem Weg vom hohen Zugewinn Ihres verstorbenen Ehepartners.

Umgang mit Pflichtteilsberechtigten

Sind Sie testamentarisch oder erbvertraglich zur Alleinerbin bestimmt, steht Ihrem Kind als gesetzlichen Erben der Pflichtteil zu. Besteht Ihr Kind darauf, dass Sie ihm den Pflichtteil auszahlen, können Sie beim Nachlassgericht beantragen, den Pflichtteilsanspruch auf bis zu 18 Monate zu stunden.

Im Idealfall haben Sie gemeinsam mit Ihrem Partner ein Ehegattentestament (Berliner Testament) verfasst und darin eine Strafklausel vorgesehen. Eine Strafklausel hat den Inhalt, dass ein Kind auch dann nur noch den Pflichtteil verlangen kann, wenn der überlebende Elternteil verstirbt. Ein Kind wird sich dann also sehr wohl überlegen, ob es bereits beim Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil einfordert.

Bezugsrecht in der Lebensversicherung

Hatte Ihr verstorbener Ehepartner eine Lebensversicherung abgeschlossen und Sie als Ehepartnerin zur bezugsberechtigten Person bestimmt, fällt die Lebensversicherungssumme nicht in den Nachlass. Die Versicherungssumme wird vielmehr allein an Sie als die bezugsberechtigte Person ausgezahlt.

Ihre Position als Witwe

Verstirbt Ihr Ehepartner, erhalten Sie beim Tode des Partners für drei Monate weiter dessen volle Rente, danach bis zu 60 % Witwenrente. Voraussetzung ist, dass Ihre Ehe mindestens ein Jahr lang bestanden hat. Bestand die Ehe weniger als ein Jahr, unterstellt die Rentenversicherung gerne eine Versorgungsehe, es sei denn, Sie können nachweisen, dass Sie die Ehe mit ernsthaften Absichten geschlossen haben.

Ihr Scheidungsantrag macht Ihr Erbrecht hinfällig

Haben Sie die Scheidung eingereicht oder haben Sie dem Scheidungsantrag Ihres verstorbenen Ehepartners gegenüber dem Familiengericht zugestimmt, entfällt Ihr gesetzliches Erbrecht und zwar auch dann, wenn die Scheidung noch nicht gerichtlich beschlossen wurde.

Fazit: Erbrecht für Frauen in Deutschland

Verstirbt Ihr Ehepartner, ändert sich vieles. Haben Sie die erste Zeit der Trauer überwunden, sollten Sie sich umgehend über Ihre Rechte und Pflichten als Erbin informieren. Wegen der Komplexität des Erbrechts empfiehlt sich, dass Sie im Zweifel anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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