Was sind dritte Orte? Erklärung, Bedeutung, Definition

Was sind dritte Orte, Erklärung, Bedeutung, Definition


Als dritte Orte bezeichnet man in der Soziologie Orte der Gemeinschaft und des informellen Zusammentreffens als ausgleichendes Element in Bezug auf Wohnen und Arbeiten. Das Konzept der drittem Orte wurde vom US-amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg eingeführt. In der ursprünglichen Definition finden sich dritte Orte im Stadtgefüge, in der Begriffserweiterung können auch virtuelle Orte als dritte Orte aufgegriffen werden. Heute wird das Konzept hauptsächlich zur Revitalisierung ländlicher Regionen genutzt.

Dritte Orte nach Ray Oldenburg: Eigenschaften, Erklärung

In seinem 1999 veröffentlichten Buch „The Great Good Place: Cafes, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and Other Hangouts at the Heart of a Community“ begründete Ray Oldenburg die Notwendigkeit der dritten Orte in Großstädten. Dabei differenzierte er erste Orte, also Orte der Familie und folglich des Wohnens und zweite Orte, also Orte des Arbeitslebens und Berufsumfelds. Dritte Orte sollten sich für soziale Interaktion eignen und darüber hinaus einen Ausgleich zum ersten und zweiten Ort schaffen. Zweck dieser Orte ist es also, soziale Beziehungen aufzubauen, seine Freizeit zu genießen, sich auszutauschen und mit seiner direkten Nachbarschaft in Kontakt zu treten.

Ausgangspunkt von Oldenburgs Konzeptentwicklung war die Analyse amerikanischer Großstädte. In ihnen stellte er im Vergleich zu europäischen Städten einen Mangel an informellen Orten im öffentlichen Raum fest. Für Oldenburg reichte das durch die Industrialisierung katalysierte Wachstum an Wohnsiedlungen und Arbeitsstätten nicht aus, um einen Stadtgefüge ausgeglichen zu gestalten. Er lobte die Art der Zusammenkunft in deutschen Biergärten, britischen Pub oder Wiener Kaffeehäusern. Denn diese Räume unterscheiden sich in ihrer sozialen Interaktion von ersten und zweiten Orten und fördern das informelle Gespräch.

Oldenburg weist dritten Orten acht spezifische Charakteristika zu, um deren Authentizität zu gewährleisten und sie in ihrer Unterscheidung zu ersten und zweiten Orten herauszuheben:

Auf neutralem Boden: Damit ist gemeint, dass jeder Mensch kommen und gehen kann wie es ihm beliebt. Die Beziehung von Gastgeber und Gast ist nicht vorhanden, alle fühlen sich gleich wohl und können eine Vielzahl von Freunden gleichzeitig treffen.

Dritte Orte ebnen aus: Hier ist soziale Ausgeglichenheit gemeint. Dritte Orte sollten inklusiv, der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich und an keine formalen Kriterien und Mitgliedschaften gebunden sein. Dadurch treten soziale Unterschiede nicht in ihrer Prägnanz auf.

Konversation ist die Hauptaktivität: Der neutrale Boden und die soziale Nivellierung bieten die beste Grundlage, um Konversationen in Gang zu bringen. Angeregte und interessierte Diskussionen sind die Hauptqualität des dritten Ortes, sie bereiten Freude und erlauben die Offenheit für neue Denkanstöße.

Erreichbarkeit und Wohlbefinden: Dritte Orte sollten am Tag und am Abend gut zu erreichen sein. Optimal ist es, dort unabhängig von der Uhrzeit Bekannte zu treffen. Das Gemeinschaftsleben wird gefördert und die Einzelperson fühlt sich wohler, wenn ein zugesicherter Ort ohne Einsamkeit und Langeweile vorzufinden ist.

Stammgäste: Die Stammgäste sind ein wichtiger Faktor dritter Orte, da sie dem Raum erst beleben sowie einen wahrnehmbaren Charakter zuweisen. Sind Stammgäste anwesend, wird das Gefühl von Vertrautheit und regelmäßiger Interaktion gefördert.

Low Profile: In ihrer Gestaltung sind dritte Orte unscheinbar. Sie sind schlicht und werden nicht beworben. Dies bietet einen angenehmen Kontrast zu einem Umfeld der Massenwerbung, in der die äußere Erscheinung stets über der Substanz steht.

Eine spielerische Stimmung: Freude und Akzeptanz stehen hier über Ängstlichkeit und Entfremdung. Ernste Gespräche werden vermieden um eine freundliche Stimmung und erholsame Gelassenheit aufrecht zu erhalten.

Ein zweites Zuhause: Die angenehme Umgebung ist für viele wie ein zweites Zuhause. Regelmäßige Begegnungen führen zu Freundschaften. Der dritte Ort, den man teilt, wird zum gemeinsamen Treffpunkt, an dem man sich gerne austauscht.

Konkrete dritte Orte in der Stadt

Viele Orte in der Stadt decken die von Oldenburg vorgeschlagenen Charakteristiken ab. Allgemein zählen dazu Orte, die der Gemeinschaft offen stehen, der Öffentlichkeit zugänglich sind und Aktivitäten anbieten, die die Arbeitsstätte und der Wohnort nicht abdecken. Wie der Titel des Buches es bereits vorausnimmt, zählen dazu Cafés, Bars und Kneipen sowie Räume für Dienstleistungen wie beispielsweise Buchläden, Friseure oder Waschsalons. Auch Büchereien zählen zu dritten Orten, da sie ohne an materiellen Konsum gebunden zu sein Raum für Vorträge, Diskussionen und informellen Treffen bieten. Alle diese Orte fördern das gemeinschaftliche Leben sowie einen sozialen und kulturellen Austausch. Fehlen diese Orte, so sind Menschen laut Oldenburg unzufriedener und gestresster.

Erweiterung des Begriffs: Virtuelle dritte Orte

In einer fortschreitend digitalisierten Welt hat das Internet einen neuen Stellenwert erreicht. Ein großer Teil der Kommunikation hat sich in das Virtuelle verlagert. Verfügt man über geeignete technische Geräte, stehen einem auch zahlreiche virtuelle Treffpunkte offen. Diese können sich innerhalb von Videospielen oder sozialen Netzwerken befinden oder sich als eigenständige Diskussionsplattform etablieren. Viele Menschen fühlen sich in der virtuellen Begegnung wohl. Obwohl im Virtuellen durchaus eine soziale Nivellierung stattfinden kann und Diskussionen angeregt werden, können diese dritten Orte nicht mit realen dritten Orten gleichgesetzt werden. Abgesehen von der physischen Präsenz und dem Ausbleiben einer Interaktion durch Gestik und Mimik, sind hier Konversationsfelder und spontane Begegnungen eingeschränkter.

Kritik am Konzept von erstem, zweiten und dritten Ort

Obwohl Oldenburgs Ansatz einen Ausgleich zu Arbeiten und Wohnen zu schaffen nachvollziehbar und förderlich ist, lassen sich allgemein doch einige Kritikpunkte aufführen.

Erstens sind heutzutage erste, zweite und dritte Orte nicht mehr klar zu separieren. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden Konzepte für Wohnen, Arbeiten und Freizeit grundlegend überdacht. Vor allem in Großstädten sind gemischte Quartiere oder gar einzelne Gebäudekomplexe anzufinden, die alle Bereiche des Lebens in unmittelbarer Umgebung abdecken können. In einigen Büros sind bereits Sport- und Freizeitangebote integriert, auch das Arbeiten von zu Hause hat sich dauerhaft etabliert.

Zudem haben sich viele Menschen durch die Möglichkeiten des Internets hybride Arbeitsformen angeeignet. Ein gutes Beispiel dafür ist das Arbeiten im Café. Dieser dritte Ort stellt in diesem Fall keine Abwechslung zur Arbeit dar. Dadurch, dass Arbeitnehmer*innen nicht mehr an einen spezifischen Ort gebunden sind, ist die Aneignung eines dritten Ortes für die Arbeit möglich geworden.

Fraglich ist im Weiteren, ob dritte Orte wirklich allen frei zugänglich sind. Denn immerhin beschreibt Oldenburgs abgesehen von der Bibliothek stets Orte des Konsums. Menschen können sich an solchen Orten nicht aufhalten ohne etwas zu konsumieren, sprich etwas zu kaufen. Das kann für Menschen mit geringerem Einkommen problematisch werden. Mit einer finanziellen Barriere können dritte Orte folglich exkludierend wirken. Auch Bars und Pubs stellen eine Einschränkung dar. Diese Räume sind für einige Altersgruppen nicht zugänglich.

Abschließend sollte der Begriff in Anbetracht aktualisierter stadtplanerischer Definitionen betrachtet werden. Nach heutigem Verständnis handelt es bei den von Oldenburg beschriebenen Orten nicht um neutrale Orte. Vielmehr sind es halböffentliche Räume. Das heißt, der Ort ist zwar öffentlich zugänglich, untersteht aber immer noch einer privatrechtlichen Kontrolle. Es ist den verantwortlichen Personen also möglich, Regeln festzusetzen und Teile der Gesellschaft aus diesem Raum auszuschließen.

Gebrauch des Konzepts zur Revitalisierung ländlicher Gemeinden

Trotz der teils zu aktualisierenden Definition des dritten Ortes wird das Konzept weiterhin genutzt. Die Überlegungen des dritten Ortes eignen sich, Kultur und Miteinander in ländlichen Regionen zu fördern.

Durch mehrere Urbanisierungswellen ist in ländlichen Regionen mit kleinen Städten und Dörfern die Nutzungsdurchmischung des Stadtkerns stark zurückgegangen. Ohne ein ausreichendes Freizeitangebot geht die Lebensqualität der Bewohner*innen deutlich zurück.

Viele Stadtgemeinden, Kultureinrichtungen oder Bürgerinitiativen fördern Projekte mit dem Konzept des dritten Ortes. Bestehende Einrichtungen, Freiräume oder Leerstand werden partizipatorisch und kreativ gestaltet und bieten bereits in den Anfangsphasen der Planung eine Plattform der Initiative und des Austauschs. So werden Stadtteile gemeinschaftlich revitalisiert und fördern die sozialen und kulturellen Interaktionen der gesamten Gemeinde.

Dritte Orte und ihre Bedeutung

Insgesamt sind dritte Orte für ein funktionierendes soziales Stadtgefüge von Bedeutung. Obwohl Oldenburgs Konzept nach heutigem Wissenstand aktualisiert und erweitert werden sollte, bietet das Konzept Anreize für ein ausgeglichenes Miteinander in der Gemeinde, Stadt oder Nachbarschaft.
Auch für die Einzelperson haben dritte Orte eine große Bedeutung. Die Freizeit flexibel und vielschichtig zu gestalten wird mit dritten Orten möglich. Ein sozialer Umgang mit Freunden oder neuen Begegnungen ist ein angenehmer Ausgleich zum Berufs- und Familienleben. Als Teil der Gemeinschaft kann man so das Stadtbild prägen und den kulturellen Austausch fördern. Tatsächlich ist die Varianz an dritten Orten groß. So kann sich jeder Mensch aussuchen, zwischen welchen Orten in der Stadt er sich gerne bewegt, welche Atmosphäre er mag und welche Begegnungen ihm zusagen. Ohne an den Druck gebunden sein, produktiv sein zu müssen, sind dritte Orte wichtig um nicht mit alltäglichen Umständen überfordert zu sein.

Anmerkung – Der Großteil des Informationen ist entnommen aus: Oldenburg, Ray: The Great Good Place: Cafes, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and Other Hangouts at the Heart of a Community (New York 1999, ISBN 1-56924-681-5.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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