Skin Positivity übersetzen wir im Deutschen am ehestem mit „sich in seiner Haut wohlfühlen“. Das nehmen die Anhänger*innen der Bewegung Skin Positivity durchaus wörtlich, denen es darum geht, die echte eigene Haut so zu akzeptieren, wie sie ist – auch mit ihren kleinen Unzulänglichkeiten.
Was ist Skin Positivity? Bedeutung, Definition, Erklärung
Skin Positivity sorgt mit ihrem neuen Ansatz auf sozialen Medien (bevorzugt Instagram) seit 2015 für sehr viel Aufmerksamkeit. Diese Bewegung verändert unsere Haltung zur Haut: Wir sollen sie lieben, wie sie halt ist, mit all ihren Poren, Pigmentflecken und Mitessern bis hin zur Akne. In einer Zeit, in der sich viele Menschen ihre Bilder auf Instagram & Co. mit Photoshop verschönern, scheint diese Haltung sehr wichtig zu sein.
Wie ist Skin Positivity entstanden?
Es ist quasi eine Gegenbewegung zum Versprechen der Kosmetikindustrie, dass jedermann (vor allem jede Frau) die eigene Haut mit Pflegeprodukten maklellos rein gestalten kann. Unterfüttert wird diese Behauptung mit Bildern von (fast ausschließlich) Frauen mit makellos reinem Teint. Die Bilder verbreiten die Botschaft, dass uns Anti-Aging-Cremes, straffende Behandlungen und ausufernde Pflegeroutinen das perfekte Hautbild verschaffen können. Das stimmt allerdings nicht ganz, wie kosmetikerfahrene Damen nur allzu gut wissen.
Im Jahr 2015 schließlich setzten erste Anhänger*innen von Skin Positivity mit mehreren Videos entsprechende Statements ab, die aussagten: Gehen wir doch ehrlicher mit unserer Haut und ihren Problemen um! Der Name Skin Positivity war rasch gefunden, er trendete unter dem Hashtag #skinpositivity. Vergleichbare Hashtags sind #acnepositivity und #freethepimple. Darunter posten täglich viele Tausend Menschen Make-up-freie Selfies, die vor allem fototechnisch nicht bearbeitet wurden. Vertreter*innen der Bewegung sind auch viele Prominente, darunter Justin Bieber, Kendall Jenner und Brie Larson.
Skin Positivity für ein Mehr an Akzeptanz, Realität und Selbstliebe
Die neue Bewegung soll die Selbstakzeptanz stärken, indem sie zu einem realistischeren Selbstbild führt. Natürlich bedeutet Skin Positivity aber nicht, dass eine echte Hautkrankheit wie Akne nun zum modischen Accessoire wird. Jedoch sollten sich niemand mehr dafür schämen. Immerhin ist von den übermäßig großen Mitessern zumindest in der Pubertät praktisch jeder Mensch betroffen. In späteren Lebensphasen können sie durch Umweltbelastungen ausbrechen, die der Haut zusetzen, aber auch die Ernährung und nicht zuletzt Stress spielen eine Rolle. Es gibt allerdings viele Selbstdarsteller in den sozialen Medien, die wegen der unschönen Pickel geradezu zwanghaft Make-up verwenden und sich hinter digitalen Filtern verstecken. Es ist prinzipiell nichts gegen eine Pflege der Haut zu sagen, doch sie sollte gesund erfolgen, was manchmal eine Beratung erfordert. Diesen Ansatz verfolgen inzwischen einige Start-ups wie beispielsweise formelskin.de: Sie bieten die Behandlung der Hautprobleme mit medizinischen Wirkstoffen an und beraten gleichzeitig die Kund*innen sehr persönlich, um realistische Ziele für das eigene Hautbild zu kommunizieren und vor allem die Liebe zur eigenen Haut zu wecken, so unzulänglich diese momentan auch erscheinen mag.
Was sagen Fachleute zu Skin Positivity?
Die britische Dermatologin Dr. Anjali sagte gegenüber dem Independent, dass Skin Positivity die Selbstsicherheit und Selbstliebe fördern, Stigma und Scham hingegen reduzieren solle, wenn Menschen von sichtbaren Hautproblemen wie Akne, Leberflecken oder Narben betroffen seien. Auch sei Skin Positivity mit der schon deutlich längeren Kampagne der Body Positivity verwandt, die schon vor über zwei Jahrzehnten entstand und vor allem das öffentlich verbreitete Bild von scheinbaren Modelmaßen anprangerte, das zur Magersucht bei jungen Frauen führte – im Extremfall mit tödlichem Ausgang. Auch Skin Positivity ist eine sehr mahnende und warnende Stimme, auch wenn Todesfälle durch Überschminken noch nicht bekannt wurden. Auf jeden Fall sollen die negativen Gefühle von Betroffenen und die gesellschaftlichen Vorurteile zum Thema unreine Haut verschwinden.
Skin Positivity und die Beauty-Industrie
Die Bewegung hat ihren Nischenstatus inzwischen verlassen und wirkt auf die Kosmetikindustrie ein. Große Marken wie Glossier, MAC und Augustinus Bader zeigen seit einiger Zeit Models mit unretuschiertem Hautbild, die manchmal auch ganz normale Hautprobleme wie Akne oder Hyperpigmentierung haben. Allerdings gehen die Konzerne mit dieser Art von Werbung durchaus dezent um: Sie überbetonen die teilweise negative Ästhetik keinesfalls, sondern zitieren sie höchstens als Referenz an den Trend zur Skin Positivity. Letzten Endes wollen wir alle in der Werbung immer noch schöne Models sehen, um ihnen nachzueifern. Wie jede Bewegung schwächt sich auch Skin Positivity etwas ab bzw. verlässt extreme Haltungen, wenn sie in den Mainstream übergeht.
Skin Positivity und Skin Neutrality
Skin Positivity hat einen weiteren Trend angestoßen, der aber einen leicht veränderten Fokus zeigt: Skin Neutrality will, dass wir unsere Haut nicht zu sehr beachten sollten. Sie gehört zu uns, sie braucht manchmal Pflege, das ist ok, aber weitere Gedanken verdient sie kaum, wenn sie nicht gerade extrem krank ist. Rechtfertigen brauchen wir uns schon gar nicht dafür. Dies ist eine Haltung, die eher Männer einnehmen und mit der Frauen leichte Probleme haben. Skin Neutrality behauptet aber, dass ihnen diese Probleme von der Beauty-Industrie eingeredet werden. Das darf man natürlich hinterfragen. Letzten Endes reagiert die Beauty-Industrie auch nur auf einen ursprünglichen Bedarf. Natürlich besteht immer die Gefahr, dass sie diesen Bedarf durch ihre Werbepropaganda (wie jede andere Industrie auch) künstlich verstärkt. Dagegen richtet sich Skin Neutrality naturgemäß vor allem. Wir sollen keine Sklavinnen der Schönheitsindustrie mehr sein.
Wie lässt sich Skin Positivity in den eigenen Alltag integrieren?
Es ist nicht unbedingt leicht, einem gewachsenen ästhetischen Schönheitsideal auszuweichen – vor allem dann nicht, wenn die eigene Haut beispielsweise durch den zeitweiligen Hormonüberschuss zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr wirklich nicht ganz makellos ist. Daher empfehlen Expert*innen kleine Schritte wie ein bis zwei Tage pro Woche ohne Make-up, einige Selfies auf Instagram ganz ohne Filter und gelegentlich Videocalls ohne vorherige Schminke. Mädchen und jungen Frauen hilft auch das Gespräch mit Freundinnen, die alle dieselben Probleme haben. Wichtig ist es, den Einfluss der sozialen Medien auf unser Selbstbild zu erkennen, der inzwischen prekärer als der der Werbeindustrie ausfallen kann. Es gilt daher, auch beim Anschauen von Bildern und Videos anderer (vermeintlich sehr schöner) Menschen immer daran zu denken, dass diese möglicherweise mit etlichen Tricks gearbeitet haben, um so unverschämt gut auszusehen. Sollte sich jemand durch die Reizüberflutung mit solchen Bildern sehr genervt fühlen, hilft die generelle Reduktion des Social-Media-Konsums auch durch Entfolgen und Blocken von Teilnehmer*innen. Andererseits lassen sich neue Freund*innen finden, die inzwischen selbst Skin Positivity praktizieren und eine eigene Community aufgebaut haben. Unter anderem wäre die Instagramseite @freethepimple ein Anlaufpunkt.