Unter dem Begriff Sealioning versteht man eine bestimmte Form des Trollens in Online-Foren, sozialen Medien und Kommentarspalten. Dabei geht es in der Regel darum, die gegenüberliegende Person zu einer Reaktion zu bewegen, die die Diskussion entgleisen lässt, während sich der „Troll“ selbst darauf berufen kann, eigentlich keinen Regelbruch begangen zu haben. Es ist eine von vielen rhetorischen Taktiken, die in den letzten Jahren populär geworden sind, um den Diskurs in Online-Medien zu zerstören oder zumindest so weit zu stören, dass ernsthafte Kommentatoren kein Interesse an einer Teilhabe haben und Narrative auf diese Weise verschoben werden können.
Wodurch genau zeichnet sich das Sealioning aus? Bedeutung, Definition, Erklärung
Der typische „Sealion“ wird auch oberflächlich als der nette Troll betrachtet. Vielleicht gibt es ein diffuses Gefühl bei einem Diskussionspartner, aber er agiert nicht so, wie man es von typischen Trollen aus dem Internet kennt. Ganz im Gegenteil, klassischerweise wird er einem mit ausdrücklicher und betonter Höflichkeit begegnen und sich nicht auf typische Beleidigungen oder „Flamewars“ hinab begeben. Das ist in diesem Fall aber auch nur eine weitere von vielen beliebten Formen der Diskursverschiebung, die in den letzten Jahren vermehrt bei Diskussionen im Internet zu bemerken sind.
Die Beispiele von Sea-Lioning finden sich vor allem in elaborierten Diskussionen wieder. Dabei geht es um die sehr häufig gestellte Frage nach einer Quelle in der Diskussion. Der „Sealion“ wird sich als jemand ausgeben, der bei dem Thema nur wenig Ahnung hat und auf der Suche nach Möglichkeiten ist, sich besser zu informieren. Das ist wenigstens die Ausgangslage, die natürlich nicht der Realität entspricht. Stattdessen kommt ein Troll mit Sealioning im festen Versuch in eine Diskussion, den Diskurs in eine bestimmte Richtung zu verschieben oder den Gesprächspartner zu diskreditieren.
Grob gesagt ist das Ziel, die Geduld eines Diskussionspartners durch immer und immer wiederkehrende Nachfragen zu erschöpfen und somit entweder den Ausstieg der anderen Person aus der Diskussion zu erzwingen, oder sogar zu einem meldewürdigen Verhalten innerhalb der Regelwerke zu bekommen. Eine beliebte Version ist die dauernde Nachfrage nach „Quellen“. Der Sea Lion wird also so tun, als würde er die Informationen des Gegenübers durchaus akzeptieren – aber nur, wenn diese Person auch entsprechende Quellen von vermeintlich unabhängigen Medien vorlegen kann. Dieses Verhalten wird sich bei jedem Argument wiederholen.
Ein überspitztes Beispiel wäre eine Diskussion über die Farbe des Himmels. Der Teilnehmer an der Diskussion sagt in einem Nebensatz, dass der Himmel blau ist, während es sich aber eigentlich um ein ganz anderes Thema dreht. Der Troll, der sich des Sealionings bedient, wird eine Quelle dafür verlangen, dass der Himmel blau ist. Dieses Spiel wird sich selbst mit grundlegenden Wahrheiten und Aussagen aus dem sogenannten „Common Sense“ wiederholen, bis die andere Person aussteigt oder beleidigend wird. Das Ziel ist erreicht – der Diskussionspartner hat entweder kein Interesse mehr an weiteren Gesprächen oder erhält sogar Verwarnungen oder eine Sperre, weil er oder sie ausfällig geworden ist.
Die Herkunftsgeschichte von „Sealioning“
Dass sich diese Form des „Trollens“ als „Sealioning“ etabliert hat, geht vor allem auf einen Comic zurück, der 2014 veröffentlicht wurde. In diesem Comic hat sich eine Person abfällig über Seelöwen geäußert, nur um kurz darauf von einem Seelöwen verfolgt zu werden, der gerne Quellen hätte. Quellen für die Gründe der Ablehnung, Quellen dafür, dass Seelöwen jemals etwas schlechtes getan hätten und den Charakter dazu treiben, vor Erschöpfung aufzugeben. Auf diese Weise wurde ein Phänomen verdeutlicht, das in dieser Zeit verstärkt in den Online-Diskussionen zu bemerken war. Die Krönung des Comics war der Seelöwe, der im Schlafzimmer des Charakters auftauchte und weiterhin verlangte, dass der Charakter seine persönlichen Abneigungen mit Quellen untermauerte – und somit seine eigene Meinung entweder aufheben oder revidieren konnte oder auf weitere Diskussionen verzichtete.
Die Anwendung von Sea-Lioning in der Praxis
Das Problem mit Sealioning ist oftmals, dass es für Außenstehende nicht so wirkt, als würde die Person wirklich versuchen als Troll zu agieren. Generell sind Nachfragen nach Beweisen oder Quellen gerade in Diskussionen im Internet eine Normalität und sollen dazu verhelfen, dass alle Diskussionspartner auf dem gleichen Wissensstand argumentieren können. Es ist also nicht immer ganz einfach den aktiven Versuch von Troll-Aktivitäten davon zu unterscheiden, dass ein Teilnehmer der Diskussion sich tatsächlich über ein gewähltes Thema informieren oder eine generelle Information anhand einer sachlichen Quelle nachlesen möchte.
Für Moderatoren ist es schwierig zu unterscheiden, ob es sich um eine organische Diskussion handelt oder einer der Teilnehmer im sogenannten „Bad-Faith“ agiert. In der Regel lässt sich ein „Sealion“ erst dadurch erkennen, dass er oder sie das gleiche Muster an Diskussionsführungen in verschiedenen Themenbereichen an den Tag legt und selbst nur selten aktives Wissen oder einen Grundsatz für die Diskussion beiträgt. Stattdessen scheint es das einzige Ziel des „Sealion“ zu sein, die entsprechende Diskussion zu derailen und zu verhindern, dass in der Tiefe über das Thema gesprochen wird.
Aktive Maßnahmen gegen Sealioning in Diskussionen im Internet
Wie es so oft mit Trollen im Internet ist, gibt es wenige Möglichkeiten, in einer konstruktiven Weise darauf zu reagieren. In der Regel ist das Diskussionsverhalten auf der anderen Seite darauf ausgelegt, dass ein Diskussionspartner im aktiven Dialog immer verlieren wird. Die Diskussion erschöpft sich am Verhalten des Trolls und wird somit dazu führen, dass der Partner, der nicht im Bad-Faith agiert hat, kein Interesse an einer weiteren Diskussion hat.
Am Ende bleibt nur die Möglichkeit, die entsprechende Person zu ignorieren. Das kann in der Form eines Blocks passieren oder auch durch ein Aussteigen aus der Diskussion. Auch wenn der Impuls natürlich vorhanden ist, stets eine weitere Antwort zu schreiben, sollte man sich eben nicht darauf einlassen, den Troll auch noch „zu füttern“. Ein Verweis auf die Blockliste ist hier ebenso angebracht wie eine Meldung an die Moderatoren und ein Hinweis darauf, dass der Diskussionspartner nicht im guten Glauben agiert. Auf keinen Fall sollte man selbst gegen die Regeln einer Diskussionsplattform verstoßen – damit würde man dem Troll auf doppelte Weise eine Genugtuung geben und sich selbst vom Diskurs ausschließen.