Overblocking (auch: Overcensoring, Overtargeting) ist das übermäßige Blockieren von Inhalten im Netz, weil bestimmte Inhalte blockiert werden sollen (etwa aus Gründen des Jugendschutzes oder zur Verhinderung von Hassbotschaften), der Softwarefilter aber andere, legale Inhalte ebenfalls blockiert. Er hat dann die Regeln für die Blockade nicht richtig umgesetzt. Das Gegenteil gibt es auch: Beim sogenannten Underblocking werden die zu löschenden Inhalte nur ungenügend ausgefiltert.
Wie entsteht Overblocking? Bedeutung, Definition, Erklärung
Die Blockade von unerwünschten Inhalten wird in der Regel durch Keywords ausgelöst. So könnte ein Filter Hassbotschaften ausfiltern wollen, indem er alle Nachrichten mit dem Satz „Merkel muss weg“ einfach löscht. Wenn aber nun ein Journalist eines seriösen Nachrichtenportals über das Phänomen der rechten Szene schreibt und dabei diesen Satz zitiert, der von rechten Gruppierungen standardmäßig verwendet wird, würde sein Beitrag ebenfalls gelöscht. Das wäre ein typischer Fall von Overblocking. Das bedeutet: Overblocking entsteht, wenn ein Post technisch aufgrund von Regeln gelöscht wird, die bestimmte Sonderfälle und Ausnahmen nicht beachten. Im beschriebenen Fall hätte es genügt, wenn die Regel, Posts mit dem Satz „Merkel muss weg“ grundsätzlich zu löschen, mit der Ausnahme versehen worden wäre, dass dieses Löschen nicht geschehen soll, wenn der Satz in einem seriösen Nachrichtenportal laut Liste auftaucht.
Warum gibt es häufiger Overblocking?
Sperren anhand von Keywords oder Phrasen wie „Merkel muss weg“ einzurichten ist relativ einfach. Overblocking zu verhindern ist hingegen sehr aufwendig, denn jemand müsste im beschriebenen Fall eine Liste mit seriösen Nachrichtenportalen erstellen und sie mit der zu blockierenden Phrase verknüpfen. Häufige Gründe für Overblocking sind zudem:
- falsch eingestellte Filter
- zu empfindlich eingestellte Filter
- veraltete Datenbanken
- Einsatz von Software zur Ähnlichkeitserkennung
Damit entsteht eine ungewollte Zensur. Material, das eigentlich akzeptabel gewesen wäre, blockiert die Software dennoch.
Wo tritt Overblocking häufiger auf?
Es ist bei dem Versuch zu beobachten, Hass-Posts in sozialen Netzwerken zu unterbinden, weshalb diese Netzwerke (Facebook, Twitter & Co.) Richtlinien zu Unterbindung solcher Posts nicht ohne Weiteres umsetzen. Des Weiteren gibt es Overblocking bei IP-Sperren, Jugendschutzfiltern und Content-Filtering im Urheberrechtsbereich. Durch die Behörden (Staatsanwaltschaften, Geheimdienste, Polizei) wird manchmal Overblocking betrieben, weil sie gleich mehrere IP-Adressen und ganze IP-Blöcke sperren, indem sie den zuständigen DNS-Server blockieren. Diejenigen Staaten, die ohnehin eine Internetzensur praktizieren (China, Iran und weitere), tendieren dabei oft zu Overblocking.
Aktuelle Beispiele für Overblocking im Jahr 2020
Facebook, Twitter, Google sowie weitere Netzwerke und Suchmaschinen sind im deutschen Netz seit 2017 zur Löschung von Hassbotschaften verpflichtet. Seither löschen sie monatlich mehrere Zehntausende Hassbeiträge, wobei oft Overblocking entsteht. (Siehe Shadowban) Das ruft Kritiker auf den Plan, welche die Meinungs- und Pressefreiheit in Gefahr sehen. Dabei erfolgen die Löschungen nicht allein aufgrund technischer Algorithmen, sondern durchaus unter der Beteiligung zahlloser Menschen. Die Nutzer sollen nämlich die Hassbotschaften an die Betreiber melden. Danach und wohl oft auch unabhängig von so einer Meldung wird die Software für die Blockade tätig. Entscheidend ist die Tatsache, dass sich weder bei Google noch bei Facebook & Co. Mitarbeiter die Mühe machen (können), jede Meldung von Hand auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Pro Jahr melden beispielsweise allein auf YouTube die Nutzer und auch Beschwerdestellen rund eine halbe Million umstrittene Beiträge. Der Löschanteil liegt bei ~27 %. Das belegt auch, dass sich viele Nutzer gegenseitig verpetzen und an sich harmlose Inhalte von politschen Gegnern anschwärzen, um eine Löschung zu initiieren. Natürlich hängt der Löschanteil auch von den Softwareeinstellungen und nicht zuletzt von der persönlichen Auffassung der Betreiber ab, welcher Inhalt denn wirklich gelöscht werden muss. Die Nutzung der Netzwerke spielt ebenso eine Rolle. Auf Twitter werden noch einige Hass-Postings mehr gemeldet, doch der Löschanteil liegt mit ~11 % deutlich unter dem von YouTube.
Schaden durch Overblocking
Aufgrund der rigiden Gesetzeslage – Deutschland etwa droht den Betreibern millionenschwere Bußgelder wegen Hass-Postings an – tendieren die Betreiber in einigen Fällen zu sehr starkem Overblocking. Dieses schränkt die Meinungsfreiheit sehr stark ein und wirkt damit kontraproduktiv. Gegner einer bestimmten, zum Beispiel politisch radikalen Auffassung können schließlich die von ihnen angegriffenen Inhalten niemals wörtlich zitieren, ohne gleich selbst blockiert zu werden. Das dürfte die nötige Diskussion um solche Inhalte an vielen Stellen im Keim ersticken.
Warnung durch ROG
Die Organisation ROG (Reporter ohne Grenzen) warnt ausdrücklich vor massivem Overblocking seit 2017 und fürchtet um die Presse- und Meinungsfreiheit. Dabei geht es nicht nur um das versehentliche Löschen legaler Inhalte von Kommentatoren, die sich offenkundig mit extremen Meinungsverfechtern im Diskurs befinden. ROG verweist auch darauf, dass bestimmte extreme Meinungen zugelassen werden sollten, um sich überhaupt im Diskurs mit ihnen auseinandersetzen zu können. Doch genau das geschehe nun nicht mehr, weil die Unternehmen Facebook, Google, Twitter und Co. wegen zu hoher Strafandrohungen ihre Filter sehr scharf eingestellt haben. Overblocking wird damit zunehmend zu einem ernsthaften Problem für die Netzgemeinde.