Was ist Osteuropaforschung? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was ist Osteuropaforschung, Bedeutung, Definition, Erklärung


Innerhalb der vergangenen Jahrzehnte hat die Region Osteuropa einen bedeutenden Wandel durchlaufen. Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ und damit das Ende des Kalten Kriegs Anfang der 1990er-Jahre läutete eine völlig neue Ära für die Beziehungen zwischen Osteuropa und dem Rest der (westlichen) Welt ein. Osteuropa, das umfasst vor allem den von slawischen Völkern bewohnten Raum Europas. Hierunter fallen unter anderem die heutigen Länder Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Belarus, Ukraine, Litauen, Lettland, Estland sowie Moldawien, Rumänien, Bulgarien und (der europäische Teil von) Russland.

Im Laufe der Jahre hat sich in der Forschung ein völlig neues Feld namens „Osteuropaforschung“ etabliert, welches mittlerweile auch als Studienfach an Universitäten gewählt werden kann. Der nun folgende Artikel soll sich daher einmal mit dem Begriff der „Osteuropaforschung“, mit potenziellen Studiengängen in dieser Richtung sowie mit der Historie der Osteuropaforschung befassen.

Was ist Osteuropaforschung genau? Bedeutung, Definition, Erklärung

Der Begriff „Osteuropaforschung“ setzt sich aus den beiden Wörtern „Osteuropa“ und „Forschung“ zusammen. Unter „Osteuropa“ ist eine geografische und kulturelle Region auf dem Kontinent Europa zu verstehen. Im Detail handelt es sich um den östlichen Teil des Kontinents, der heute die oben genannten Länder umfasst. Dabei handelt es sich um das historisch von slawischen Völkern besiedelte Gebiet, welches heute vorrangig slawische Kulturtraditionen pflegt. Das Wort „Forschung“ hingegen beschreibt eine systematische Suche nach neuem Wissen unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden. Damit stellt die „Osteuropaforschung“ ein interdisziplinäres Forschungsfeld dar, welches sich mit den sozialen, politischen sowie kulturellen und wirtschaftlichen Eigenschaften der Region Osteuropa befasst.

Die „Osteuropaforschung“ kann damit als eigene Wissenschaftsfeld abgegrenzt werden, welches sich mit vielerlei Fragestellungen und Problemstellungen befasst. Unter anderem ist die politische Transformation des ehemaligen „Ostblocks“ ein Kernthema der Osteuropaforschung. Des Weiteren sind soziale Strukturen sowie kulturelle Traditionen ebenfalls ein Gegenstand der Forschungen in diesem Bereich. Die Osteuropaforschung wird daher weltweit an verschiedenen Universitäten, Forschungsinstituten und weiteren, wissenschaftlichen Einrichtungen durchgeführt. Speziell in Europa gibt es aktuell jedoch die meisten Forschungszentren, die sich mit der Osteuropaforschung befassen

Geschichte des Themengebiets „Osteuropaforschung“

Die heutige Osteuropaforschung weist ihren Ursprung im Forschungsfeld der „Slawistik“ auf. Darunter ist ein wissenschaftliches Fachgebiet zu verstehen, welches sich mit den Sprachen, mit der Literatur sowie der Kultur und der Geschichte von slawischen Völkern befasst. Im Gegensatz zur Slawistik umfasst die Osteuropaforschung heute aber auch noch die Themengebiete der Soziologie, der Politikwissenschaften und der Wirtschaftswissenschaften. In den nun folgenden Unterabschnitten sollen die Ursprünge der Osteuropaforschung, die Etablierung als Studiengang sowie aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich der Osteuropaforschung einmal detaillierter aufgezeigt werden.

Anfänge der Osteuropaforschung

Die Anfänge der heutigen Osteuropaforschung gehen bereits auf das 19. Jahrhundert zurück. Etwa um diese Zeit wurden die ersten Lehrstühle für Slawistik an europäischen Universitäten, wie zum Beispiel in Berlin oder Wien gegründet. Während sich die Osteuropaforschung in ihrer Frühzeit zunächst mit den Sprach- und Literaturwissenschaften slawischen Ursprungs befasste, kamen später auch noch die Bereiche Kultur und Sozialwissenschaften hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden dann die ersten Nationalstaaten in Osteuropa – darunter zum Beispiel Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand wiederum die Sowjetunion als ein damals wichtiges Machtzentrum der Welt.

Die Entwicklungen in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten dann immer mehr dafür, dass diese geografische Region in den Fokus näheren der Forschung trat. Die im Gegensatz zur westlichen Welt damals vorrangig kommunistisch regierten Länder stellten kulturell, sozialpolitisch und wirtschaftlich absolute Gegenpole zur sozialen Marktwirtschaft sowie zum Kapitalismus dar. Mit der Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ und dem Einzug des Kalten Kriegs verschärfte sich die gegensätzliche Gesinnung zwischen Ost und West weiter. Dies führt auch dazu, dass das Themengebiet der Osteuropaforschung noch mehr an Bedeutung gewann.

Etablierung als Studiengang

Speziell innerhalb der letzten Jahrzehnte hat sich das Themengebiet der „Osteuropaforschung“ in Deutschland als eigenständiger Studiengang an vielen Universitäten etabliert. Unter anderem bieten in Deutschland eine Vielzahl an Universitäten Bachelor- und Masterstudiengänge mit Schwerpunkt Osteuropaforschung an. Darunter befinden sich folgende Universitäten:

  • Universität Bayreuth
  • Freie Universität Berlin
  • Humboldt-Universität zu Berlin
  • Universität Bremen
  • Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
  • Universität Hamburg
  • Universität Passau
  • Universität Regensburg
  • Universität Trier

Gegenstand der Studiengänge sind sowohl sprachliche als auch inhaltliche Kompetenzen. Damit bereitet ein Studiengang im Bereich „Osteuropaforschung“ die Studierenden auf verschiedenste Karrieren in den Feldern Forschung, Politik, Wissenschaft und Kultur vor. Ergänzt werden die thematischen Schwerpunkte durch Austauschprogramme sowie Praktika in Osteuropa. Hier haben Studierende zum einen die Möglichkeit, ihre Lernerkenntnisse zu vertiefen und zum anderen, interkulturellen Erfahrungen zu sammeln. Die Etablierung von Studiengängen in puncto Osteuropaforschung trägt insgesamt dazu bei, dass das Wissen über osteuropäische Länder erweitert wird. Gleichzeitig wird so auch die Rolle osteuropäischer Länder in der Welt gestärkt.

Osteuropaforschung: Aktuelle Trends und Entwicklungen

Die neusten Trends und Entwicklungen im Bereich der Osteuropaforschung stehen vor allem in Verbindung mit der Integration von Digitalisierung und neuen Technologien. Weiterhin wird der Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen Geschichte, Kultur, Sprache und Soziologie gefördert. Durch den russisch-ukrainischen Krieg und die damit einhergehenden Sanktionen seit Anfang 2022 befindet sich die Osteuropaforschung jedoch in einer leichten Identitätskrise. Obwohl der Konflikt nur die Länder Russland, Belarus und die Ukraine umfasst, herrscht jedoch landläufig eine gewisse Distanz zu Themen, die mit Osteuropa einhergehen.

Die Anzahl an Studierenden, die sich für Studienfächer im Bereich Osteuropaforschung eintragen, ist seit Anfang 2022 entsprechend rückläufig. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs von weiten Teilen der Region Osteuropa (namentlich der Länder Polen, Tschechische Republik sowie Litauen, Lettland und Estland) ist in den kommenden Jahren jedoch mit einer sich verstärkenden Bedeutung dieses wissenschaftlichen Themengebiets zu rechnen.

Inhalte des Studiengangs „Osteuropaforschung“

Der Studiengang „Osteuropaforschung“ befasst sich mit verschiedensten Themenbereichen, ist aber insgesamt nicht genormt. Jede Universität legt daher eigene Studieninhalte fest, die diese dann unter dem Sammelbegriff „Osteuropaforschung“ eint. Entsprechend wird meist ein interdisziplinäres Feld aus den Bereichen Geschichte, Kultur, Sprache sowie Sozialpolitik, Politik und Wirtschaft geboten. Zu den Themenschwerpunkten können daher unter anderem die folgenden Inhalte zählen:

  • Historie des geografischen Raums Osteuropa (von der Antike bis zur Gegenwart)
  • Kultur und Gesellschaft (Literatur, Film, Musik und orthodoxe Religionen)
  • Sprachwissenschaften (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch, Litauisch, Lettisch, Estnisch, Ukrainisch oder Weißrussisch)
  • Sozial- und Politikwissenschaften (wirtschaftliche Entwicklung von Osteuropa, EU-Integration, Sicherheitspolitik usw.)
  • Interdisziplinäre Austauschprogramme (Zusammenarbeit mit Studierenden aus Osteuropa, Arbeit an gemeinsamen Projekten, Auslandssemester, Auslandspraktikum)

Insgesamt bietet der Studiengang „Osteuropaforschung“ also eine breite Palette an Themen und Angeboten, mit denen Studierende ein tiefgehendes Verständnis für die Geschichte, Kultur und Gesellschaft der Region Osteuropa erlangen können.

Osteuropaforschung während des Kalten Kriegs

Die Osteuropaforschung spielte insbesondere während der Zeit des Kalten Kriegs eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurde die Osteuropaforschung als ein Instrument der Feindforschung eingesetzt. Potenzielle Forschungsergebnisse wurden unter anderem zu Propagandazwecken genutzt und damit zur Legitimierung der Politik des Westens. Auf der anderen Seite wird die Osteuropaforschung seit jeher verwendet, um die Ostblockstaaten besser zu verstehen – der Kontext zielt hier also auf Annäherung und Verständigung ab, anstatt auf Feindforschung.

Zahlreiche Forschungsprojekte wurden in den vergangenen Jahren auch von den Ländern Osteuropas selbst instruiert, um frühere Sichtweisen zu verstehen und den Weg für politische und gesellschaftliche Transformationen zu ebnen. Der Anschluss des Ostens an den Westen steht so stark im Fokus wie noch nie (damit sind vor allem die osteuropäischen Staaten exklusive Russlands und Belarus gemeint).

Zur tatsächlichen Feindforschung zählt heute eher die Russland-, beziehungsweise Belarusforschung. Diese Themengebiete befassen sich vor allem mit den beiden Ländern Russland und Belarus, die als Aggressoren im Ukraine-Konflikt gelten und gleichzeitig die westliche Gemeinschaft bedrohen. Hier befassen sich Forschungsprojekte vor allem mit Politikwissenschaften (Innen- und Außenpolitik) beider Länder.

Damit ist die Feindforschung, wie sie zu Zeiten des Kalten Kriegs im Bereich der Osteuropaforschung betrieben wurde, heute wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Diese zielt aber – wie weiter oben bereits erwähnt – ausschließlich auf die Länder Russland und Belarus ab. Die Osteuropaforschung ist nicht zuletzt deswegen verstärkt in die Kritik geraten. Sich mit dem Thema Osteuropa (und insbesondere mit Russland und Belarus) zu befassen, gilt heute als Tabu und findet wenig Befürworter (Stichworte: „Russland-Bashing“ oder „Russophobie“).

Hauptziele der Osteuropaforschung im universitären Umfeld sind heute hingegen eine bessere Verständigung, eine bessere Zusammenarbeit und ein besserer, kultureller Austausch dieser Region mit dem Rest der Welt.

Fazit: Osteuropaforschung

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich bei der Osteuropaforschung um ein etabliertes Forschungsfeld handelt, welches sich mit der Historie, Politik, Sprache und Kultur der geografischen Region Osteuropa beschäftigt. Anzumerken ist, dass die Osteuropaforschung im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte einem umfassenden Wandel unterlag. Galt diese zwischenzeitlich vor allem der Feindforschung, so zielt der Subkontext heute wieder verstärkt auf die Verständigung und gegenseitige Zusammenarbeit ab. Die Osteuropaforschung ist heute daher ein integraler Bestandteil der Geistes- und Sozialwissenschaften und wird von vielen namhaften deutschen Universitäten gelehrt. Kenntnisse in diesem Bereich sind auch heute noch in Wissenschaft, Industrie sowie Kultur von enormer Bedeutung für die individuelle Entwicklung.

Mit dem Begriff „Osteuropaforschung“ sind auch andere Forschungsfelder, beziehungsweise Studiengänge verwandt, die konzeptionell ähnlich aufgebaut sind, ihren Fokus jedoch auf teilweise andere Regionen lenken. Darunter befinden sich vor allem die Slawistik (slawischer Kultur- und Sprachraum), Russlandstudien (Russland) sowie Balkanstudien (Südosteuropa) und Eurasienstudien (Europa, Mittelasien und Ostasien). Die genannten Forschungsfelder befassen sich allesamt mit den gleichen Themenbereichen, zielen ihrerseits jedoch auf andere Regionen ab. Die Osteuropaforschung inkludiert jedoch weite Teile der Russlandforschung und der Eurasienstudien.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

Hallo, ich bin Autor und Macher von BedeutungOnline. Bei BedeutungOnline dreht sich alles um Worte und Sprache. Denn wie wir sprechen und worüber wir sprechen, formt wie wir die Welt sehen und was uns wichtig ist. Das darzustellen, begeistert mich und deswegen schreibe ich für dich Beiträge über ausgewählte Worte, die in der deutschen Sprache gesprochen werden. Seit 2004 arbeite ich als Journalist. Ich habe Psychologie und Philosophie mit Schwerpunkt Sprache und Bedeutung studiert. Ich arbeite fast täglich an BedeutungOnline und erstelle laufend für dich neue Beiträge. Mehr über BedeutungOnline.de und mich erfährst du hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert