Was ist eine gute Fehlerkultur? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was ist eine gute Fehlerkultur, Bedeutung, Definition, Erklärung


Eine gute Fehlerkultur gesteht ein, dass Fehler passieren. Sie operiert nicht mit Schuldzuweisungen, sondern mit einem konstruktiven Fehlermanagement. Dieses ermittelt die Ursachen von Fehlern und ergreift Maßnahmen, um sie künftig zu vermeiden. Die Fehleranalyse führt zur Weiterentwicklung von Kompetenzen, Prozessen und Regeln.

Was ist eine gute Fehlerkultur? Bedeutung, Definition, Erklärung

Eine gute Fehlerkultur integriert in Unternehmens- bzw. Organisationsprozesse eine Fehlerakzeptanz. Hierfür gibt es in der Industrie längst bewährte Methoden wie beispielsweise Six Sigma (6σ).

Dabei lässt ein Hersteller zu, dass Fehler mit einer statistischen Häufigkeit von 0,00034 % auftreten, was bedeutet, dass 99,99966 % aller Produkte fehlerfrei sind. Es geht auch noch fehlerärmer: Bei 7σ sind 99,9999981 % der Produkte fehlerfrei. Abgesehen vom enormen Anspruch an diese Fehlerarmut bedeutet dies vor allem, dass Fehler prinzipiell zugestanden werden. Eine fehlerlose Produktion kann es nicht geben. Erfahrene Führungskräfte wissen das. Es ist ihnen auch bewusst, dass sie selbst nicht gegen Fehler immun sind. Daher streben sie Fehlerlosigkeit gar nicht erst an, weil diese a) mathematisch unmöglich erscheint (die Fehlerarmut nähert sich bestenfalls dem Grenzwert 0 an, erreicht ihn aber nicht = mathematische Grenzwertbetrachtung) und b) der Aufwand für die Fehlervermeidung in einem vernünftigen Verhältnis zum Gewinn stehen muss. Diese Betrachtung einer installierten Fehlerkultur bezieht sich nun auf industrielle Produktionsprozesse. Sie bedeutet beispielsweise, dass ein Hersteller eine Million Glühbirnen produziert, von denen höchstens 3,4 Stück fehlerhaft sind (6σ). Doch wie betrachtet eine vernünftige Fehlerkultur die alltäglichen kleinen Fehler von Mitarbeitenden im Büro und anderswo?

Lässt sich Sanktionsfreiheit garantieren?

Bei den weichen Prozessen der Mitarbeiterführung, deren Ergebnisse nicht wie eine industrielle Produktion messbar sind, gilt es, den Mitarbeitenden ihre natürliche Angst vor Sanktionen bzw. Gesichtsverlust zu nehmen. Wo diese Angst vor dem „Fehlermachen“ vorherrscht, werden Fehler konsequent vertuscht. Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich hierfür der Slangausdruck C.Y.A. für „cover your ass“ eingebürgert, was wir frei mit „Hauptsache es merkt niemand“ übersetzen dürfen. Das ist eine äußerst prekäre Haltung, denn spät entdeckte Fehler können fatale Folgen nach sich ziehen. Die Schadensregulierung kann dann teuer und schmerzhaft werden. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sollten Fehler sofort offengelegt werden. Dies geschieht allerdings nur, wenn es sanktionsfrei möglich ist. Über diesen Punkt wird in den Betrieben durchaus kontrovers diskutiert. Wenn jedermann jeden eigenen Fehler sanktionsfrei zugeben darf, könnte das schließlich auch einer gewissen Lässigkeit bis Fahrlässigkeit Vorschub leisten. Daher ist es nicht ganz so einfach, wie es sich auf den ersten Blick zu erschließen scheint. Praktiker wissen, dass sie durchaus nicht jeden Fehler durchgehen lassen können. Daher ist zu empfehlen, innerhalb der Fehlerkultur tolerable, nicht tolerable und mehr oder weniger tolerable Fehler zu definieren. Hierfür drei Beispiele:

  • #1: Tolerable Fehler treten zum Beispiel im Rahmen von neuen Projekten auf, die mit einer Lernkurve verbunden sind. Alle Beteiligten waren sehr bemüht, ihr Bestes zu geben, doch sie konnten nicht alle Umstände und Entwicklungen vorhersehen. Die daraus resultierenden Fehler sind verzeihlich.
  • #2: Mehr oder weniger tolerable Fehler entstehen zum Beispiel unter Stress, für den der Mitarbeiter momentan gar nichts konnte, weil ihm zu viele Aufgaben aufgebürdet wurden. Es könnte sich allerdings auch um privaten Stress handeln. Dennoch ist ihm weder schlechter Wille noch Fahrlässigkeit zu unterstellen. Sein Vorgesetzter muss a) die Aufgaben gerechter verteilen oder die durch eine Arbeitsüberlastung entstehenden Fehler auf die eigene Kappe nehmen und darf b) darauf bestehen, dass der Mitarbeiter sein Privatleben so weit organisiert, dass es ihn nicht unnötig unter Stress setzt.
  • #3: Nicht tolerable Fehler entstehen, weil der oder die Beschäftigte betrunken und/oder zu spät zum Dienst erscheint. Hier gehört es zur guten Fehlerkultur, die Person abzumahnen und beim nächsten Mal zu feuern. Die anderen Mitarbeiter beobachten den Vorgang.

Die #1 tolerablen Fehler sollten Mitarbeitende uneingeschränkt sofort zugeben können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Dies ist für eine gute Fehlerkultur essenziell. Wir fokussieren für die Diskussion darum zunächst auf diese Fehler.

Fehlerkultur: Wie sind Fehler zu betrachten?

Die #1 tolerablen Fehler sind Wachstumschancen. Es ist Unfug, den „Schuldigen“ an den Pranger zu stellen. Vielmehr sollten Vorgesetzte gemeinsam mit dem Team nach den Ursachen suchen. Damit lernen alle Beteiligten aus dem Fehler. Dieses offene und sanktionsfreie Prinzip müssen die Führungskräfte überzeugend vorleben. Den Fehler nicht mit Sanktionen zu belegen heißt allerdings nicht, ihn unter den Teppich zu kehren. Er muss benannt werden, was vielen Mitarbeitenden und auch Vorgesetzten nicht leicht fällt. In dieser Hinsicht muss die positive Fehlerkultur konsequent umgesetzt werden, damit alle Beteiligten lernen, dass sie einen #1 tolerablen Fehler sofort und sanktionsfrei zugeben können. Dieser Lernprozess dauert eine Weile. Sollte das Team einen neuen Vorgesetzten erhalten, der erst so eine Fehlerkultur einführen möchte, muss er sich darauf einstellen, dass seine Beschäftigten erst im Verlauf von vielleicht einem Jahr lernen (je nach Häufigkeit solcher Fehler), dass er diese von vornherein kommunizierte Fehlerkultur wirklich ernst meint.

Dasselbe gilt für neue Kolleg*innen, die erst lernen müssen, wie dieses Team mit Fehlern umgeht. Während dieses Lernprozesses müssen nun der Vorgesetzte und sein Team gemeinsam eine Feedbackkultur installieren. Idealerweise meldet jeder und jede Beschäftigte eigene Fehler sofort selbst, doch das gelingt nicht immer, weil sie manchmal erst von einer anderen Kollegin in der Spätschicht entdeckt werden. Diese muss den Fehler melden, um Schaden zu vermeiden. Der Kollege, der ihn gemacht hat, könnte dies als „Verpetzen“ empfinden, was der/die Vorgesetzte sofort kommunikativ ausräumen muss. Wir sehen an der Betrachtung solcher Vorgänge, dass es eine Weile dauern kann, eine gute Fehlerkultur zu etablieren. Wenn dies gelungen ist und die Beschäftigten feststellen, dass Fehler ausschließlich konstruktiv verarbeitet werden, liefern sie das betreffende Feedback künftig viel schneller. Sie erleben fortan eine wertschätzende und gleichzeitig transparente Kultur der Kommunikation.

Führt ein sanktionsfreier Umgang mit #1 tolerablen Fehler wirklich nicht zur Lässigkeit?

Nein. Fahrlässigkeit schließen wir ohnehin aus, aber auch ein Laissez-faire-Umgang mit solchen Fehlern ist eher sehr unwahrscheinlich. Kompetente Vorgesetzte wissen das, weil sie auf die Eigenmotivation ihrer Beschäftigten vertrauen. Wenn diese gut ins Team und ihre Aufgaben gut zu ihnen passen, möchten sie keine Fehler machen. Sie möchten mit ihren Kolleg*innen an einem Strang ziehen und abends mit dem guten Gefühl nach Hause gehen, einen tollen Job gemacht zu haben. Achtung: Das funktioniert nicht überall! In Branchen, in denen die Beschäftigten monotone und/oder frustrierende Tätigkeiten fehlerarm ausführen müssen, kann diese Eigenmotivation fehlen. In solchen Branchen gibt es aber nur wenige #1 tolerable Fehler, weil die neuen, spannenden Projekte mit unerwarteten Anforderungen gar nicht durchgeführt werden.

Wie sind Fehler zu kommunizieren?

Dies ist ein weiterer essenzieller Punkt der guten Fehlerkultur. Diese beschränkt sich bei der Kommunikation von Fehlern auf die Fakten und benennt sie sachlich. Sie vermeidet Anschuldigungen und Vorwürfe, kritisiert bestenfalls ein Verhalten, aber nicht die Person, und vermeidet vor allem strikt jede Küchenpsychologie. Letztere kommt von schwachen Vorgesetzten oder auch Kolleg*innen, die in irgendwelchen vermeintlichen Traumata, psychischen Verwerfungen und momentanem privaten Stress des betreffenden Kollegen herumkramen, um den Fehler zu begründen. Das hat niemand gern, es ist auch nicht zielführend. Es ist zwar möglich, bei #2 mehr oder weniger tolerablen Fehlern den Fakt anzusprechen, dass der Kollege vielleicht privat aktuell zu sehr belastet ist, doch daran darf sich höchstens die Erwartung anschließen, dass er diese Probleme nun entweder aus der Welt schafft oder wenigstens nicht mit in den Betrieb bringt. Jedes Wort darüber hinaus artet in Klatsch und Tratsch aus. Kein Kollege wünscht eine küchenpsychologische Therapie durch seine Vorgesetzte.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

Hallo, ich bin Autor und Macher von BedeutungOnline. Bei BedeutungOnline dreht sich alles um Worte und Sprache. Denn wie wir sprechen und worüber wir sprechen, formt wie wir die Welt sehen und was uns wichtig ist. Das darzustellen, begeistert mich und deswegen schreibe ich für dich Beiträge über ausgewählte Worte, die in der deutschen Sprache gesprochen werden. Seit 2004 arbeite ich als Journalist. Ich habe Psychologie und Philosophie mit Schwerpunkt Sprache und Bedeutung studiert. Ich arbeite fast täglich an BedeutungOnline und erstelle laufend für dich neue Beiträge. Mehr über BedeutungOnline.de und mich erfährst du hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert