Was ist die „Stille Stunde“ in Supermärkten? Bedeutung, Definition, Erklärung, Sinn

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Die „Stille Stunde“ im Supermarkt sind ausgewiesene, festgelegte Ladungsöffnungszeiten, in denen möglichst wenig Reize im Supermarkt eingesetzt werden. Diese umfasst vor allem akustische und visuelle Reize. So werden keine Lautsprecherdurchsagen getätigt und keine Musik gespielt. Bildschirme in dem Supermarkt sind abgeschaltet, das Licht wird gedämmt.

Auch werden während der „Stillen Stunde“ keine Reinigungs-, Aufräum- oder Einräumarbeiten durchgeführt. Die gesamte Atmosphäre im Supermarkt wird, wie der Name schon verrät, so ruhig wie möglich gestaltet.

Grund für die „Stille Stunde“ in Supermärkten

Der Grund für die Einführung der „Stillen Stunde“ ist die Rücksichtnahme auf Autisten. Ungefähr 0,6 Prozent bis 1 Prozent aller Menschen weltweit weisen eine Autismus-Spektrum-Störung auf. Aufgrund dieser haben sie eine sensorische Überempfindlichkeit. Das bedeutet, dass Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung empfindlicher gegenüber Reizen sind und zu laute Geräusche, zu grelles Licht oder zu viele verschiedene Gerüche nicht richtig verarbeiten können.

Dies kann nicht nur zu einer Reizüberflutung, sondern auch zu einem haltlosen Ausbruch von Gefühlen (Wutausbruch) oder dem kompletten Herunterfahren des Körpers (dem sogenannten „Shutdown“) führen. Auf jeden Fall resultieren Stress und Überforderung aus der Wahrnehmung zu vieler Reize für Autisten.

Was neurotypische Kunden (d.h. Menschen ohne Autismus-Spektrum-Störung) im Supermarkt nicht bewusst nehmen, kann bei Autisten sogar zu Schmerzen führen und sie an einer selbstständigen Teilhabe an einem Leben in der Gesellschaft hindern.

Die Konkrete Umsetzung der „Stillen Stunde“

Initiator der Umsetzung der „Stillen Stunde“ in Supermärkten ist der Verein „Autismus deutsche Schweiz“, welche wiederum die Geschäftsleitung der SPAR-Supermärkte in der Schweiz für die Umsetzung gewinnen konnte. Der Verein beschreibt das Initiieren der „Stillen Stunde“ als einer der Meilensteine ihrer Tätigkeit.

Bislang ist die „Stille Stunde“ ein Pilotprojekt in Schweizer Supermärkten. In Deutschland ist die Resonanz diverser bekannter Supermarktketten bezüglich der Idee einer „Stillen Stunde“ noch verhalten.

Zwölf Filialen der Supermarktkette „SPAR“ nehmen an der „Stillen Stunde“ in der Schweiz teil. (Stand Januar 2022) Hierzu werden feste Zeiten eingehalten, die der Öffentlichkeit mitgeteilt und durch Schilder ausgehängt werden. Die Zeiten sind

  • Dienstags, 15.00 bis 17.00 Uhr
  • Donnerstags, 18:30 bis 20 Uhr

Zusätzlich zu der radikalen Reduzierung aller akustischen und visuellen Reize können auch Informationen und Pläne über die verschiedenen Temperaturen im Supermarkt ausgehändigt werden. Die Mitarbeiter wurden für eine bestmögliche Unterstützung von Menschen mit der Autismus-Spektrum-Störung geschult und bieten ihre Assistenz und Unterstützung an. Auch Hilfshunde dürfen mit in den Supermarkt genommen werden.

Während der „Stillen Stunde“ ist weiterhin jeder Kunde in den Supermärkten Herzlich Willkommen, unabhängig ob mit oder ohne Autismus-Sepktrum-Störung.

Herkunft der „Stillen Stunde“ in Supermärkten

Die Herkunft der „Stillen Stunde“ in Supermärkten ist ursprünglich Neuseeland. Ein Mitarbeiter der Handelskette „Countdown“ hat die Idee für seinen autistischen Sohn ins Leben gerufen. Für diesen war die Reizüberflutung in der Handelskette reiner Stress, sodass er während der Einkäufe mit Schreien reagierte.

Was als Test in drei „Countdown-Filialen“ begann, ist nun die „Stille Stunde“ in über 180 Filialen der Handelskette in Neuseeland. Jeden Mittwoch werden dort alle Reize in den Filialen für eine Stunde lang reduziert.

Die Idee kam bei den neuseeländischen Kunden und in der Bevölkerung gleichermaßen gut an.

Ziele der „Stillen Stunde“ in Supermärkten

Ziele der „Stillen Stunde“ in Supermärkten sind die Stärkung der Selbstständigkeit der Menschen mit Autismus. Außerhalb der „Stillen Stunde“ überfordert die Reizüberflutung die Betroffenen in Supermärkten so, dass diese nicht (selbstständig) einkaufen können. Durch die „Stille Stunde“ können sie wieder an der Gesellschaft teilhaben und sich als vollwertigen Teil der Gemeinschaft erleben.

Um sich vor den vielen akustischen Reizen zu schützen, tragen Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung häufig Kopfhörer. Damit trennen sie sich aber zugleich auch von der Außenwelt. Die „Stille Stunde“ schafft hierbei Abhilfe.

Die „Stille Stunde“ ist sozial und gibt wichtige Zeichen an die Gesellschaft, nämlich das Menschen mit Autismus in die Mitte der Gesellschaft gehören und spezielle Bedürfnisse haben, die es zu berücksichtigten gilt. Jeder Mensch kann und sollte einen Beitrag dazu leisten, dass sich alle Menschen in der Gesellschaft wohl fühlen.

Ein Betroffener schreibt zur „Stillen Stunde“, dass das Einkaufen zu den schwierigsten und stressigsten Aufgaben in seinem Alltag gehöre und er die Bereitschaft von Menschen, diesen Stress durch die „Stille Stunde“ zu reduzieren und anderen zu helfen, sehr schätze.

Die „Stille Stunde“ trifft bei vielen Menschen, unabhängig ob mit oder ohne Autismus-Spektrum-Störung auf positive Resonanz, sodass die ruhigen Ladenöffnungszeiten im Endeffekt allen zu Gute kommen.

Andere Bedeutung der „Stillen Stunde“

Tatsächlich ist das Konzept der „Stillen Stunde“ nicht neu und wird bereits im Zeitmanagement verwendet. Hierbei wird ein Zeitrahmen festgelegt, in denen alle Störfaktoren (E-Mail-Programm, Handy, Telefon) weggelegt und ausgeschaltet werden. Auch für Gespräche steht man in der „Stillen Stunde“ nicht zur Verfügung.

Im Zeitmanagement zielt die „Stille Stunde“ auf ein konzentriertes, fokussiertes Arbeiten ohne Ablenkung.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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