Was ist „delayed gratification“? Bedeutung, Definition, Erklärung


Hinter dem Begriff “Delayed Gratification” verbirgt sich ein Konzept aus der Psychologie, bei dem man auf eine sofortige Belohnung verzichtet, wenn eine spätere Belohnung größer ausfallen wird. Das Prinzip ist bereits seit den 1960er Jahren bekannt.

Woher kommt der Begriff “Delayed Gratification”? Wortherkunft

“Delayed Gratification” ist ein Begriff aus der englischen Sprache. “Delayed” bedeutet übersetzt “verzögert” und “Gratification” kann im Deutschen mit “Gratifikation” oder auch einfach mit “Belohnung” übersetzt werden. Zusammengesetzt würde man also von einer “verspäteten Gratifikation” reden. Allerdings wird das Prinzip in der deutschen Fachsprache auch einfach als “Belohnungsaufschub” bezeichnet.

Das Prinzip der “Delayed Gratification” erklärt

Von einer “Delayed Gratification” oder dem Belohnungsaufschub sprechen Psychologen, wenn jemand eine Belohnung ausschlägt, die die Person direkt bekommen könnte, wenn dafür zu einem späteren Zeitpunkt eine größere Belohnung winken würde.

Das Prinzip wurde von dem US-amerikanischen Psychologen Walter Mischel mit dem sogenannten Marshmallow-Test zwischen 1968 und 1974 untersucht. Bei dem Test wurden Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren als Probanden verwendet. In mehreren Einzelversuchen wurde immer ein Kind in einen Raum geführt. Ein Versuchsleiter teilte dem Kind mit, dass er den Raum kurz verlassen würde, aber bald wiederkommen würde. Die Kinder sollten warten.

Jedes Kind erhielt eine kleine Glocke und der Versuchsleiter teilte den Kindern mit, dass sie die Glocke jederzeit benutzen könnten. Wenn die Kinder die Glocke läuten sollten, bevor der Versuchsleiter zurückkommt, würden sie einen Marshmallow bekommen – bei Abwandlungen des Versuchs gab es für die Kinder eventuell einen Keks, einen Bonbon oder ähnliches. Wenn die Kinder allerdings warten konnten, bis der Versuchsleiter von sich aus wiederkommt, würden sie als Belohnung zwei Marshmallows bekommen. Anschließend verließ der Versuchsleiter den Raum.

Die Versuche gingen in der Regel ca. fünfzehn Minuten, bevor der Versuchsleiter von sich aus zu den Kindern zurückkam. Im Durchschnitt klingelten viele Kinder aber zwischen sechs bis zehn Minuten, weil sie den versprochenen Marshmallow haben wollten.

Über die Ergebnisse des Marshmallow-Tests

Walter Mischel wollte mit dem Marshmallow-Test überprüfen, wie viel Selbstbeherrschung bereits kleine Kinder entwickeln konnten. Gleichzeitig wollte der Psychologe überprüfen, ob bereits Kinder so logisch vorausdenken konnten, dass sie ihre Handlungen gegeneinander abwägen könnten.

Zwischen 1980 und 1981 besuchte Walter Mischel die Kinder noch einmal, die am Marshmallow-Test mitgemacht hatten. Dabei machte er eine interessante Beobachtung. Die Kinder, die bei dem Test länger gewartet hatten oder die Glocke gar nicht geläutet hatten, waren in ihrer späteren Laufbahn auch erfolgreicher.

Mischel erklärte den Zusammenhang seiner Testergebnisse mit den Erfolgen der Kinder so, dass die Kinder, die länger warten konnten, eine bessere Charakterstärke entwickelten. Sie konnten besser mit Stress umgehen und ließen sich weniger von Versuchungen ablenken. Dadurch waren die Kinder auch in der Lage, effizienter zu lernen und bessere Ergebnisse in Prüfungen zu erzielen.

2018 wurde eine Replikationsstudie unter ähnlichen Bedingungen aber mit einer diverseren Gruppe aus Kindern durchgeführt, um die Ergebnisse des ursprünglichen Marshmallow-Tests zu überprüfen. Auch wenn die Gruppe der Teilnehmer deutlich kleiner war, konnten auch in der Replikationsstudie ähnliche Ergebnisse wie bei der ursprünglichen Studie von Walter Mischel beobachtet werden.

“Delayed Gratification” bei Tieren

Über die Jahre wurden Versuche ähnlich wie der Marshmallow-Test auch mit Tieren durchgeführt, um zu überprüfen, ob es das Phänomen der “Delayed Gratification” nur bei Menschen oder auch bei einigen Tierarten geben könnte. In verschiedenen Studien wurde die Willenskraft unter anderem von Affen, Hunden, Pferden und auch einigen Meereslebewesen durchgeführt. Dabei konnten die Wissenschaftler beobachten, dass auch einige Tierarten wie beispielsweise Schimpansen, Hunde, einige Vogelarten und sogar Tintenfische eine gute Impulskontrolle aufweisen konnten und die angebotenen Futterproben nicht auffraßen, bevor die Versuchsleiter es ihnen erlaubten.

Auch wenn die Ergebnisse nicht ganz so aussagekräftig waren wie beispielsweise der Marshmallow-Test, war es für die Wissenschaftler doch eindeutig, dass auch Tiere zumindest in gewissem Maße eine Selbstkontrolle und womöglich auch ein logisches Verständnis besitzen.

“Delayed Gratification” im Alltag

Auch wenn die “Delayed Grafitication” durch die Versuchsreihen mit Kindern bekannt geworden ist, spielt das Prinzip des Belohnungsaufschubs auch bei Erwachsenen eine Rolle. Denn auch im normalen Alltag gibt es immer wieder Situationen, in denen man lieber die kurzfristige, naheliegende Belohnung nehmen würde, auch wenn die langfristige Belohnung eventuell besser wäre. Ein Beispiel dafür ist eine Diät.

Bei einer Diät muss eine gewisse Selbstkontrolle vorausgesetzt werden, um auch bestimmte Mahlzeiten oder Speisen zu verzichten. Die naheliegende “Belohnung” oder “Versuchung” wäre es, einfach etwas zu essen, auf das man gerade Lust hat. Wenn Diät-Haltende dieser Versuchung aber nicht nachgeben und stattdessen ihr langfristiges Ziel im Auge behalten, werden sie am Ende der Diät im Idealfall mit einer besseren Gesundheit und dem Gewichtsverlust belohnt, auf den sie es abgezielt haben.

Ähnliches gilt für Fortbildungen, um beispielsweise die berufliche Karriere voranzutreiben. Diejenigen, die die Fortbildung mitmachen, könnten ein vorhandenes Vergnügen oder eine Ablenkung wie das Anschauen eines Films wählen. Wenn sie sich aber nicht ablenken lassen, können sie am Ende eventuell den Abschluss der Fortbildung erreichen und damit in ihrem Beruf bessere Verdienstchancen erzielen.

Exotische Beispiele einer “Delayed Gratification”

Ein eher exotisches Beispiel sind dagegen Spielshows. Es gibt einige Shows, bei denen den Teilnehmern eine Wahl gelassen wird. Sie können einen bereits erspielten Gewinn nehmen und damit direkt nach Hause gehen. Oder sie können auf eine Risiko-Variante setzen, bei der am Ende ein deutlich größerer Gewinn winkt. Bei solchen Shows wird allerdings auch damit gespielt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Verlust teilweise oft deutlich größer ist als die Wahrscheinlichkeit, den eventuell höheren Gewinn zu bekommen.

Ähnliches gilt auch an der Börse beim Aktienhandel. Aktienbesitzer können ihre Aktien direkt verkaufen und einen überschaubaren Gewinn dafür erhalten. Allerdings können sie auch warten, dass sich die Preise für die Aktien verändern und dadurch der Preis bei einem Verkauf in die Höhe schnellt. Bei solchen Beispielen wird der Belohnungsaufschub mit einer Risikoanalyse kombiniert, sodass Betroffene auch immer abwägen müssen, welches Ergebnis für sie nicht nur den besseren Gewinn ergibt, sondern auch welches der Ergebnisse eine höhere Chance hat, tatsächlich einzutreten.

Sogenannte “Schnäppchenjäger” nutzen aber auch unbewusst eine “Delayed Gratification”. Sie beobachten die Preise und warten ab, ob diese zu einem späteren Zeitpunkt eventuell niedriger sind, um dadurch dann beim Einkauf deutlich Geld einsparen zu können. Eine Wahrscheinlichkeit, dass die Preise aber wirklich fallen, gibt es nie.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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