Die Begriffe Diskurshoheit oder Deutungshoheit beschreiben die Autorität (Hoheit) einer bestimmten Person, Gruppe oder Institution, einen Diskurs zu definieren oder zu beherrschen. Diese Autorität ist dabei aber nicht unbedingt natürlich gegeben. Im Gegenteil, jeder Mensch und jede Institution kann theoretisch für sich beanspruchen, die absolute Wahrheit im Diskurs über ein beliebiges Thema zu besetzen.
Was bedeutet Diskurshoheit / Deutungshoheit? Bedeutung, Definition, Erklärung
Im Unterschied zur Deutungshoheit beschreibt die Diskurshoheit zunächst die Dominanz eines Akteurs in einem Diskurs, also einer Auseinandersetzung oder einer Debatte. Dabei geht es oft darum, bestimmte Begriffe in einer Debatte zu verankern, eigene Punkte zu setzen und den Diskurs so im eigenen Sinne zu prägen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass mit der Diskurshoheit nicht notwendigerweise die moralische Richtigkeit einhergeht. Wer also die Macht über eine Debatte hat, muss nicht notwendigerweise die besten oder plausibelsten Argumente vorbringen. Wer den Diskurs beherrscht, lässt sich außerdem nicht objektiv feststellen, sondern muss subjektiv betrachtet werden, weil jeder Diskussionsteilnehmer dies anders bewertet.
Dennoch kann sich eine wahrgenommene Diskurshoheit darin äußern, dass Menschen die Meinung, die eben im Diskurs am prominentesten vertreten ist, automatisch für richtig halten.
Dies sollte allerdings kritisch hinterfragt werden. Besonders deshalb, weil gerade autoritäre Regime oder moralisch fragwürdige Akteure die Taktik der Diskurshoheit verwenden, um ihre Ansicht in der breiten Mehrheit durchzusetzen.
Generell ist festzuhalten, dass in jeder Diskussion alle Teilnehmer durch ihre Argumentation das Ziel verfolgen, die Diskurshoheit zu erlangen, den Diskurs also in ihrem Sinne zu prägen. Deshalb können Diskurshoheiten je nach den Meinungen der Beteiligten auch wechseln, wenn eine andere Seite zum Beispiel überzeugendere Argumente vorbringt. Die Diskurshoheit ist auch nicht an ein bestimmtes Thema gekoppelt, sondern bewegt sich eher auf der Meta-Ebene. Sie beschreibt also die Machtverhältnisse in einer Debatte.
Beispiel für die Diskurshoheit
Beispielsweise kann man annehmen, dass in der Diskussion über eine Impfpflicht Impfgegner die Diskurshoheit zu erlangen versuchen, in dem sie in Debatten über das Thema bestimmte Argumente immer wieder wiederholen (sogenannte „Talking points“) und so dafür sorgen, dass Menschen bei der Konfrontation mit dem Thema sofort an diese denken. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als „Framing“ (deutsch: „Rahmung“) einer Diskussion. Beim Beispiel Impfpflicht wären solche Talking points beispielsweise die Verbindung von Impfzwang mit autoritären Regimen oder der Hinweis auf mögliche, unentdeckte Nebenwirkungen von Impfstoffen.
Bedeutung der Deutungshoheit
Im Unterschied zur Diskurshoheit geht es bei der Deutungshoheit um die Macht eines Akteurs oder einer Institution, in einem Diskurs bestimmte Begriffe zu definieren oder auszulegen.
In einer Debatte sind die zu debattierenden Begriffe und ihre Bedeutung zentral, weil eine Diskussion nur dann funktioniert, wenn sich die Teilnehmer auf ein gemeinsames Begriffsverständnis einigen können. Versteht jeder Mensch unter einem Begriff etwas ganz anderes, so ist es schwierig bis unmöglich, sich über den Begriff auszutauschen. In diesem Fall muss erst geklärt werden, was die Teilnehmer unter den Begriffen verstehen. Demjenigen, der die Begriffe definiert, kommt besondere Macht zu, weil er durch seine Begriffsdeutung die Diskussion von Anfang an in eine bestimmte Richtung lenken kann. Volkstümlich sagt man deshalb auch „Wer definiert, der regiert“. Damit ist gemeint, dass der Akteur, der es schafft, dass alle Beteiligten einen Begriff in seinem Sinne verwenden, auch den größten Einfluss auf die Debatte hat.
Es ist ebenso wie bei der Diskurshoheit auch bei der Deutungshoheit nicht eindeutig, wer zu ihr berechtigt ist. Große Lexika wie zum Beispiel der Duden definieren eine Vielzahl an Begriffen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Definitionen deshalb richtig sind, weil sie im Duden stehen. Dann hätte der Duden die Deutungshoheit über den Begriff. Diese wäre allerdings nicht unbedingt legitimiert, sondern praktisch willkürlich. Es könnte allerdings auch sein, dass die Definition eines Begriffs im Duden steht, weil sie sich aus dem Diskurs herausgebildet hat, sie also richtig ist. Die Deutungshoheit über einen Begriff zu besitzen, bedeutet also nicht unbedingt, ihn richtig zu deuten, sondern nur, dass die von dem Akteur gewählte Deutung allgemein anerkannt wird.
In der Regel werden Begriffe von allgemein anerkannten Autoritäten definiert, die dann die Deutungshoheit über diese haben. Das können zum Beispiel Gesetze sein, aber auch Bücher, Lexika oder Filme. In einer Debatte versuchen aber auch verschiedene Akteure, die Deutungshoheit zu erlangen.
Deutungshoheit in der Wissenschaft
In der Wissenschaft hat die Deutungshoheit eine besonders wichtige Rolle. In einem wissenschaftlichen Diskurs ist es besonders wichtig, die Bedeutung verschiedener Begriffe zunächst zu klären, weil sich nur so eine fachliche Debatte entfalten kann. Deshalb wird oft zunächst darüber diskutiert, in welchem Sinne ein Begriff zu verstehen ist. Meist kommen verschiedene Ansätze zu Wort. Derjenige der sich mit seinem Begriffsverständnis durchsetzt, bekommt dadurch eine besondere Stellung, weil er den Diskurs erst möglich macht. So setzt er ihn in einen bestimmten Rahmen, den er durch seine Deutung des Begriffs oder Themas bestimmt.
Beispiel für die Deutungshoheit
So versuchen beispielsweise verschiedene Religionen, im Diskurs über die Debatte „Wer ist Gott“ ihre Vorstellungen von Gott als die richtigen und einzig wahren darzustellen. So wollen sie erreichen, dass ihre Definition von „Gott“ als allgemein verbindlich anerkannt wird, um so die eigene Position in der Debatte zu stärken.
Es ist also festzuhalten, dass sowohl die Diskurshoheit als auch die Deutungshoheit in gesellschaftlichen Debatten eine wichtige Rolle spielen, weil sie die Machtverteilung in dieser beschreiben. Menschen mit einer hohen Diskurs- oder Deutungshoheit verfügen in diesem über eine große Macht, weil sie die Debatte in ihrem Sinne lenken können.