Die Redewendung „die extra Meile gehen“ (manchmal auch „Extrameile“ oder „Extra-Meile“) bedeutet, dass sich jemand über das erwartete, vereinbarte oder übliche Maß hinaus anstrengt oder engagiert, um außergewöhnlich gute Ergebnisse zu erreichen. Hierfür werden zum Teil die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Der Begriff wird hauptsächlich im professionellen Umfeld und im Bereich der persönlichen Weiterentwicklung verwendet.
Woher kommt der Begriff „die extra Meile gehen“?
Der Begriff „die extra Meile gehen“ ist aus dem Englischen übernommen. In der englischen Sprache gibt es die Floskel „walking the extra mile“, und auch hier wird der Begriff im Berufsumfeld und beim Thema persönliche Weiterentwicklung verwendet. Die Floskel erfreut sich nicht nur im englischsprachigen Raum aktuell größter Popularität, sondern wird auch in Deutschland vermehrt verwendet und spiegelt eine Arbeitskultur wider, die gerade in schnellen, stressigen und erfolgsgetriebenen Branchen immer beliebter wird.
Wie sieht es in der Realität aus, wenn jemand „die extra Meile geht“?
Die Botschaft dieser populären Floskel ist ständiges Übertreffen von Erwartungen, Vereinbarungen und Zielen. Man verlangt von sich und seinem Team immer mehr, länger, tiefgreifender, ausführlicher, präziser, zielstrebiger, ehrgeiziger, fundierter, ausschweifender, perfekter, optimaler – also einfach immer besser. Dafür wird von Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden, Partnerinnen und Partnern oder Untergebenen erwartet, dass sie immer 120 Prozent geben, ans Limit der eigenen Grenzen gehen, und dabei ultimative Perfektion an oberste Stelle setzen. Dazu gehören selbstverständlich Überstunden, Vernachlässigung von Freizeit und Familie und ein klarer Prioritätsfokus auf Kunden, Arbeit und Beruf. Schließlich ist die Erwartungshaltung, dass die Erwartungen immer haushoch übertroffen werden.
Gibt es ein Problem mit dieser Art von Arbeitsphilosophie?
Für viele Menschen bedeutet diese Art von Arbeitsphilosophie und Erwartungshaltung, konstantem Druck und starkem Stress ausgesetzt zu sein. In vielen Fällen gibt es keine Zeit oder Kraft für einen Ausgleich von der Arbeit, was über kurz oder lang zu Burnout, Depressionen und anderen physischen und psychischem Schwierigkeiten führen kann. Familie und eigene Interessen werden vernachlässigt, was den Beziehungen und der langfristigen Lebensgestaltung vor allem auf Dauer schadet. Zudem wird meist erwartet, dass die zusätzliche Arbeit, die mit der sogenannten extra Meile einhergeht, unentgeltlich erbracht wird. Sprich: Überstunden werden nicht bezahlt beziehungsweise nicht ausgeglichen. Diese Art von Arbeitskultur kann durchaus als toxisch bezeichnet werden, da sie eine moderne Form der mehr oder weniger freiwilligen Ausbeutung von Mitarbeitenden und Kolleginnen oder Kollegen darstellt. Selbstverständlich gibt es Menschen, die in dieser Art von Arbeitsumfeld prächtig gedeihen – problematisch wird es daher erst, wenn Mitarbeitende, die möglicherweise diese Art von Leidenschaft nicht teilen, indirekt dazu gezwungen werden, sich der Erwartung von Kunden oder Vorgesetzten zu fügen und diese Art von Arbeitsphilosophie zu adoptieren.
In welchen Branchen gibt es diese Arbeitsphilosophie?
Besonders bekannt sind Begriffe und Philosophien wie die extra Meile in Branchen wie Consulting, Marketing und anderen beratenden und dienstleistenden Bereichen, die häufig mit großen Summen, Namen und Marken arbeiten.
Beispiel für „die extra Meile gehen“
Das folgende Beispiel für die extra Meile stammt aus einer Unternehmensberatungsfirma. Ein Junior-Berater wird damit beauftragt, ein Meeting zu protokollieren. Es geht dabei um die schrittweise Entwicklung einer Konzeptgrafik. Ohne die extra Meile würde der Junior-Berater im Beispiel einfach das Meeting protokollieren, ein Foto vom entwickelten Konzept machen, anschließend die Notizen übersichtlich aufbereiten, das Foto einfügen und das Ganze an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Besprechung per E-Mail verschicken.
Wenn sich der Junior-Berater nun aber entschließen würde, die extra Meile zu gehen, würde er die Mitschrift in Form einer Powerpoint-Präsentation aufbereiten und statt einfach das Foto des Konzepts einzufügen, dieses ebenfalls übertragen, sodass aus der handschriftlichen Grafik eine übersichtliche, gut lesbare Folie wird. Bevor er die Präsentation nun einfach versenden würde, würde er überlegen, was im Modell verbessert werden könnte, ob es noch offene Fragen gibt, was die nächsten Schritte sind und welche Personen eventuell noch wertvollen Input liefern könnten. Diese Punkte würde er, so weit er das kann, einfügen und beantworten oder sich Hilfe von einer erfahreneren Person holen. Alternativ könnte er diese Fragen als Denkanstöße in die Präsentation aufnehmen.
Außerdem würde er beim Versenden dieser Präsentation um Feedback und Anmerkungen bitten, um beim nächsten Mal noch bessere Arbeit leisten zu können.
In diesem Beispiel wird klar, worum es bei der extra Meile geht. Der Junior-Berater könnte einfach die Erwartungshaltung der Vorgesetzten – nämlich das Protokollieren des Meetings – erfüllen und wäre in etwa zwei Stunden damit fertig. Oder er geht die extra Meile, und übertrifft die Erwartung seiner Vorgesetzten. Dies dauert deutlich länger und ist mit mehr mentaler Arbeit verbunden – er lernt dadurch aber auch deutlich mehr und fällt seinen Vorgesetzten positiv auf, was sich wiederum positiv auf seine Karriere auswirken kann.
Hat der Junior-Berater genug Zeit für die extra Meile, so kann er sich so sehr gut profilieren. Wird jedoch vorausgesetzt, dass er die extra Meile geht, unabhängig davon, wie viele andere Aufgaben er vor sich hat, entsteht eine Stresssituation für den Junior-Berater. Und das einfache Erfüllen der Aufgabe sorgt für Enttäuschung bei den Vorgesetzten – obwohl er eigentlich alles richtig gemacht hat.