Gerade Menschen, die vom Land kommen, haben den Begriff „Gentrifizierung“ zwar schon hier und da mal gehört – allerdings oft ohne überhaupt zu wissen, was damit genau gemeint ist. Dafür wissen Stadtmenschen häufig nur zu gut, worum es sich dabei handelt. Gentrifizierung ist im Grunde genommen nichts anderes, als die umfangreiche Aufwertung eines Stadtteils (meist in Großstädten). Dabei werden in einem bestimmten Viertel unter anderem zahlreiche Wohnungen saniert, neue Wohnungen gebaut, und moderne Geschäfte eröffnet.
Den meisten Menschen mag ein derartiger Veränderungsprozess durchaus positiv erscheinen, allerdings sind mit Gentrifizierung bei weitem nicht nur positive Entwicklungen verbunden. So vorteilhaft die Aufwertung eines Stadtviertels auch erscheinen mag – sie bringt für viele Menschen meist auch erhebliche Nachteile mit sich. Welche Nachteile dies sind, sowie weitere Informationen zur Gentrifizierung lassen sich in diesem Artikel finden.
Der Ursprung von Gentrifizierung
Der Begriff „Gentrifizierung“ kommt ursprünglich aus den 60er Jahren. Beobachtet wurde damals dieses Phänomen in London von „Ruth Glass“ – einer Soziologin aus Großbritannien. Sie hatte festgestellt, dass im Londoner Viertel „Islington“ ein spürbarer Wandel unter der ansässigen Einwohnerschaft erkennbar wird. Immer mehr Menschen aus Bevölkerungsgruppen, die finanziell vergleichsweise stark aufgestellt sind, zogen in dieses Viertel. Dies führte wiederum dazu, dass die besserverdienenden neuen Anwohner die alteingesessenen Anwohner in Islington aus ihren Wohnungen verdrängten.
Die Soziologin vergleicht dieses Phänomen mit einer ähnlichen Verdrängung aus dem 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit verließen immer mehr Menschen des niederen Adels (englisch: „gentry“) die ländlichen Gegenden, um sich in der Stadt anzusiedeln. Dies führte dazu, dass die armen Menschen, die bereits zuvor in der Stadt lebten, immer mehr aus der Stadt vertrieben wurden. Dieser Vorgang wurde von Ruth Glass in Anlehnung an den englischen Begriff für den niederen Adel als „gentrification“ bezeichnet.
Von diesem Zeitpunkt an wird unter Gentrifizierung der strukturelle Wandel von innerstädtischen Vierteln beschrieben. Und dieser strukturelle Wandel geschieht einzig und allein aufgrund der Verdrängung ärmerer Menschen aus entsprechenden Vierteln. Die armen Leute wurden hauptsächlich deshalb verdrängt, weil sie sich durch die plötzliche Aufwertung ihrer Wohngegend das Leben dort nicht länger leisten konnten – besonders durch deutlich erhöhte Mietpreise.
Wie Gentrifizierung entsteht
Preiswerter Wohnraum für junge Leute
Die meisten Einwohner einer größeren Stadt wohnen zur Miete. Wenn nun also Eigentümer von Wohnungen oder Häuser ihren angebotenen Wohnraum nicht modernisieren oder sanieren möchten (oder können), führt dies häufig dazu, dass Mieter solch einen rückständigen Wohnraum verlassen, um in attraktivere Wohnungen zu ziehen. Diese Erscheinung wird von vielen alteingesessenen Anwohnern auch nicht unbedingt als negativ empfunden, da die Miete vergleichsweise gering bleibt, und die Umgebung durch ausbleibende Veränderungen schön vertraut bleibt. Doch früher oder später führt dieses Phänomen dazu, dass sich der Zustand der Gebäude im Viertel immer mehr verschlechtert. Das ist besonders häufig in Großstädten zu beobachten, deren Zentrum im Weltkrieg viel durch Zerstörungen gelitten hat. Derartige Gegenden sind vor allem für jüngere wohnungssuchende Menschen interessant, die finanziell noch nicht so gut aufgestellt sind.
Von Studenten werden Wohngemeinschaften gegründet, und von Künstlern werden Ateliers eingerichtet. Diese Neuankömmlinge werden von Forschern häufig als „Pioniere“ bezeichnet. Ein günstiger Wohnraum, der junge Menschen anlockt, ist damit die erste Stufe der Gentrifizierung.
Das Viertel wird als Wohnraum attraktiv
Das Engagement dieser Pioniere führt dazu, dass sich die allgemeine Wohnsituation in dem Viertel spürbar verbessert, sodass das Image des Viertels ebenso besser wird. Aus Läden, die zuvor noch leer standen, werden plötzlich Cafés, Kneipen und Clubs. Dies hat wiederum zur Folge, dass immer mehr Menschen in das Stadtviertel kommen – auch die, welche keine Freunde oder Verwandten der ansässigen kreativen Anwohner sind. Das öffentliche Bild des Stadtteils, welches zuvor noch meist als negativ wahrgenommen wurde, verbessert sich daher immer mehr.
Wohlhabende Menschen werden angelockt
Die nun herrschende Aufbruchstimmung im Viertel, sowie das verbesserte Image sorgen dafür, dass auch deutlich zahlungskräftigere Menschen von dem Stadtteil angezogen werden. Im Zuge der Gentrifizierung werden solche Menschen auch als „Gentrifier“ bezeichnet. Und je mehr dieser wohlhabenderen Leute in dieses Viertel ziehen, desto höher werden die Ansprüche, die an die Eigentümer und Investoren der Wohnhäuser gestellt werden. Dadurch kaufen Investoren dort immer mehr Wohngebäude, und beginnen mit aufwendigen Sanierungen. Und dadurch, dass die Wohnungen im Viertel immer mehr aufgewertet werden, werden auch immer mehr zahlungskräftige Interessenten angelockt.
Verdrängung durch hohe Mietpreise
Sobald diese ersten Schritte der Gentrifizierung eingetreten sind, ist sie oft nicht mehr aufzuhalten. Es wird immer mehr renoviert, saniert, und modernisiert. Immer mehr Menschen aus höheren gesellschaftlichen Schichten ziehen in das Viertel. Durch die umfangreiche Aufwertung ändert sich das Leben und Wohnen dort grundlegend. Dies hat jedoch auch ein verändertes Warenangebot zur Folge.
Durch die immer größere Kaufkraft der Bevölkerung etablieren sich auch immer mehr hochpreisige Läden und Restaurants in dem Gebiet. Nachdem sich die Gebäude und die Umgebung einem spürbaren Wandel unterzogen haben, findet ein ebenso deutlicher Wandel in der Bevölkerung statt. Zahlreiche alteingesessene Anwohner können sich sowohl ihre Miete, als auch das Leben im Viertel generell nicht länger leisten, sodass sie notwendigerweise aus dem Stadtteil wegziehen müssen. Das ehemals unterentwickelte Viertel wurde durch Gentrifizierung zu einer sehr angesagten Gegend, in der die Anwohner nun zum Großteil aus wohlhabenden Menschen bestehen.
Nachteile der Gentrifizierung
So vorteilhaft die Folgen der Gentrifizierung für viele Menschen auch sein mögen, gibt es im Zuge dieses Phänomens auch eine ganze Reihe von Verlierern. Allen voran natürlich die alteingesessene Bevölkerung des betroffenen Viertels, welche sich das Wohnen in ihrer Heimat nicht mehr leisten kann. Gentrifizierung findet daher in der Regel auf Kosten von einkommensschwachen Bevölkerungsschichten statt. Viele Betroffene müssen durch gestiegene Mietpreise ihr Zuhause verlassen und woanders hinziehen. Sie müssen ihre gewohnte und vertraute Umgebung hinter sich lassen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass ein solcher Wandel in der Bevölkerung auch Konflikte nach sich zieht.
Häufig haben die Verlierer der Gentrifizierung schwer an den Folgen dieses Phänomens zu leiden. Nicht wenige Betroffene rutschen deshalb sogar in die Obdachlosigkeit ab. Gentrifizierung fördert daher sehr stark die soziale Ungleichheit, sodass viel Diversität (gerade in Ballungsgebieten) verloren geht. Darüber hinaus führt dieses Phänomen auch immer mehr dazu, dass es immer schwerer für den Staat wird, bezahlbaren Wohnraum zu bauen – gerade für die Verlierer der Gentrifizierung.