Was ist “Halbwissen”? Erklärung, Definition, Bedeutung

Was ist Halbwissen, Erklärung, Definition, Bedeutung


Das Nomen „Halbwissen“ drückt aus, dass es einer Person an fundierter Kenntnis über ein Wissensgebiet fehlt, sodass sie damit zusammenhängende Fragen und Sachlagen nicht oder nur teilweise beurteilen kann.

Was ist “Halbwissen”? Erklärung, Definition, Bedeutung

Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wird „halbwissen“ als „oberflächliches, halbes wissen“ definiert. Das zugehörige Partizip I wird mit einem Zitat von Goethe als „halbwissend“ angegeben, die Person, die etwas „oberflächlich weiß“, wird als „Halbwisser“ definiert.

Als Synonym für „Halbwissen“ wird häufig der im 19. Jahrhundert geprägte Begriff „Halbbildung“ verwendet. Die Brüder Grimm definierten Halbbildung als „unvollkommene ausbildung des menschlichen geistes“. „Halbbildung“ zielt damit im Unterschied zu „Halbwissen“ stärker auf das Denken und die Allgemeinbildung insgesamt und weniger auf den Kenntnisstand zu einer bestimmten Sachfrage. Halbwissen ist daher eher ein Teilbereich der Halbbildung.

Im zwanzigsten Jahrhundert und insbesondere seit der Millenniumswende stieg die Verwendung von „Halbwissen“ dennoch schlagartig an. Seitdem ist die Bezeichnung „Halbwissen“ meist in abwertender Form gebräuchlich, und zwar insbesondere dann, wenn es um die Erörterung wissenschaftlicher Fragestellungen geht.

Typische Formulierungen sind beispielsweise:

Wir hatten alle mal Biologie in der Schule, aber dieses Halbwissen macht noch keinen Experten aus.

Wer eine Studie lesen kann, hat damit vielleicht ein nettes Halbwissen erworben, kann aber die Gesamtlage nicht beurteilen.

Das Halbwissen vieler Menschen, die im Internet medizinischen Rat geben, ist katastrophal.

Wortbildung und Verwendung: Halbwissen

Als Kompositum besteht das Nomen „Halbwissen“ aus einem Grundwort (Wissen) und einem Bestimmungswort (halb). Das Grundwort legt fest, dass es sich um eine Form des Wissens handelt, das Bestimmungswort definiert die Art dieses Wissens.

Da es sich um eine Nominalisierung des Verbes „wissen“ handelt, kann das Kompositum ausschließlich im Singular verwendet werden. Es erhält wie alle nominalisierten Infinitive nur im Genitiv die Endung s, in allen anderen Kasus bleibt es undekliniert.

Kombiniert wird der Begriff Halbwissen häufig mit Attributen wie „gefährlich“ oder „gesund/ungesund“. Wo Halbwissen als nutzlos oder in seiner Verwendung als manipulativ betrachtet wird, werden auch Begriffe wie „Meinungswissen“, „Unwissen“ oder „Nichtwissen“ bis hin zu „Fake News“ als Synonyme oder beschreibende Wertungen genutzt.

Nichts Halbes und nichts Ganzes: Wortbestandteile von „Halbwissen“

Der Begriff „halb“ geht auf die indogermanische Wurzel „skel“ (schneiden, spalten, hauen) zurück und bedeutet daher ursprünglich „durchgeschnitten, gespalten“, woraus sich die Vorstellung entwickelte, dass etwas in zwei Hälften zerteilt ist. Diese Bedeutung lebt in der Verwendung von „halb“ für Bruchzahlen weiter, Referenz ist dann eine Absolutheit, die sich in zwei gleiche Hälften teilen lässt.

Als Adjektiv wird „halb“ aber auch verwendet, um auszudrücken, dass etwas unvollständig, unvollkommen oder nicht ganz richtig ist. Es wird dann nicht auf eine absolute Menge Bezug genommen, sondern das Bruchstückhafte, Unvollständige bezeichnet. Entsprechend kann „halb“ auch die Bedeutung „fast“ tragen, so beispielsweise in „Halbstarker“, „Halbwüchsiger“, „Halbinsel“.

Das Nomen „Wissen“ ist abgeleitet vom gleich lautenden Verb, das seiner indogermanischen Wurzel nach auf die Bedeutung „sehen, erkennen, gesehen haben“ zurückgeht. Im 16. Jahrhundert wurde daraus die Bezeichnung „Wissenschaft“ abgeleitet, unter der man ein geordnetes Verfahren versteht, mit dem sich schlüssige Erkenntnisse über ein Wissensgebiet erlangen lassen.

„Wissen“ bezeichnet damit die Gesamtheit dessen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt als gesicherte Erkenntnis gilt, die weder vollständig noch abgeschlossen sein kann oder muss. Untrennbar verbunden ist jedoch die Vorstellung, dass es sich um methodisch erworbene Kenntnisse handelt.

„Halbwissen“ erweist sich damit nicht allein als Mangel an Wissen. Der Begriff konnotiert auch, dass es an Kenntnissen fehlt, wie man zu einem „geordneten“, in sich schlüssigen Wissen gelangt.

Grundwissen oder Halbwissen: Abgrenzung aufgrund der Haltung des Sprechers

Da Wissen immer nur die Gesamtheit des bereits Bekannten umfasst, kann es niemals abschließend als vollständig bezeichnet werden. Entsprechend kann es ein Antonym „Vollwissen“ nicht geben. Dennoch unterstellt die Bezeichnung „Halbwissen“, dass der Träger dieses Wissens nur die halbe Wahrheit kennt oder anerkennt.

Entsprechend wird die Bezeichnung „Halbwissen“ fast ausschließlich abwertend verwendet, was sich auch in typischen Redewendungen zeigt wie:

  • Er verbreitet gefährliches Halbwissen.
  • Diese Annahme basiert auf Halbwissen und verkennt die Faktenlage.
  • Schlimmer als Unwissen ist nur Halbwissen.

Dabei wird „Halbwissen“ nicht in derselben Weise verwendet wie beispielsweise „Grundwissen“, das durchaus positiv konnotiert sein kann. Denn im Begriff „Halbwissen“ drückt sich eher eine zuschreibende Bewertung als eine klare Definition aus, welches Wissen als „vollständig“ und anerkannt gilt.

Mit der Bezeichnung „Halbwissen“ ist daher meist die Vorstellung verbunden, dass jemand bewusst bestimmte Aspekte eines Themas aus der Betrachtung ausschließt oder seinen eigenen Wissensstand überschätzt.

Kann man Halbwissen (positiv) definieren?

Halbwissen kann nur an dem bemessen werden, was zu einem bestimmten Zeitpunkt als anerkanntes Wissen gilt. Gegenwärtig wird dies meist mit „Faktenwissen“ gleichgesetzt. Doch verstand beispielsweise Platon Halbwissen als eine Form des Wissens, die nur auf das Oberflächliche der Erscheinungen zielt. Das rein Faktische, an den Erscheinungen Orientierte, wäre damit ebenfalls Halbwissen.

Nietzsche sah das Halbwissen als eine Form der Vereinfachung an, die letztlich anschaulicher darstellbar ist als das komplexe „Ganzwissen“ und sich daher eher durchsetzen kann. Gelegentlich wird ein „gesundes Halbwissen“ zudem als Treiber für Innovationen und die Erlangung neuer Erkenntnisse betrachtet, sofern es den Beteiligten bewusst ist, dass ihr Wissen „Stückwerk“ und ein Thema noch nicht abschließend erforscht ist.

Positiv konnotiert ist der Begriff „Halbwissen“ daher nur, wenn damit eine gewisse Demut verbunden ist, wie sie etwa in dem Sokrates zugeschriebenen Ausspruch zum Ausdruck kommt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

Fazit: Halbwissen als bewertende Zuschreibung

Was „Halbwissen“ ist und was nicht, lässt sich generell nur schwer definieren. Der Begriff konnotiert, dass jemand über zufälliges, lückenhaftes Wissen verfügt und/oder zu Einseitigkeit neigt. Als Synonym gilt Halbbildung, als positive Entsprechung ließe sich der Begriff „Grundwissen“ bezeichnen.

Allen Definitionen gemein ist die Annahme, dass der Sprecher bewusst „halbe Wahrheiten“ verbreitet oder seinen eigenen Kenntnisstand überschätzt. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, ob die Person, die etwas als „Halbwissen“ bezeichnet, selbst über fundierte Kenntnisse verfügt und das (vermeintliche) Halbwissen argumentativ widerlegen kann, oder ob sie den Begriff lediglich verwendet, um eine ihr nicht genehme Aussage zu diffamieren.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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